«Ein Gewürge»
16.08.2023 Fussball, SportFussball, 1. Liga classic: Der FC Wohlen und der FC Muri trennen sich in einem fahrigen Derby 1:1
Patrik Gjidoda wurde nach Wohlen geholt, um Tore zu machen. Im Derby glänzt er zuerst mit starker Vorarbeit und verballert dann die Entscheidung per Elfmeter. «So ...
Fussball, 1. Liga classic: Der FC Wohlen und der FC Muri trennen sich in einem fahrigen Derby 1:1
Patrik Gjidoda wurde nach Wohlen geholt, um Tore zu machen. Im Derby glänzt er zuerst mit starker Vorarbeit und verballert dann die Entscheidung per Elfmeter. «So reicht es nicht», sagt er. Der gefeierte Held war ein Brasil-Murianer.
Stefan Sprenger
«Man darf jetzt nicht alles so schlechtreden, wie es war.» Dies sagte einst der deutsche Fussballer Fredi Bobic. Nach dem Freiämter Derby hatte man den Eindruck, dass auch die Spieler und Funktionäre beider Lager die Sache etwas beschönigen möchten. Muris Co-Trainer Peach Lang meint stellvertretend für viele (zu positive) Meinungen: «Es war ein geiles Derby mit vielen Emotionen. Die Partie hatte alles drin, was zu einem guten Derby gehört.» Und er ist nicht der Einzige, der wohl angesichts der Emotionen eines Beteiligten diese Partie etwas schönerredet, als sie war.
Torchancen waren Glückssache
Die über 500 Zuschauer sahen bei warmen Temperaturen ein Spiel, das vor allem durch Abwehrarbeit geprägt war. Sobald ein Team die Mittellinie überquerte und die Offensive lancieren wollte, passierte meist ein Fehler. Torgelegenheiten waren meist reine Glückssache. Es gab kaum gelungene Spielzüge, kaum eine Ballstafette über mehrere Stationen. Die Überzeugung im Angriff fehlte (auf beiden Seiten). Kurz – und ohne einem involvierten Fussballer zu nahe treten zu wollen –, es war biedere Fussballkost, phasenweise ein müdes Gekicke.
FC-Wohlen-Sportkoordinator Urs Bächer spricht von einer unbefriedigenden Leistung. Zum Auftakt (1:1 gegen Basel) seien «Bereitschaft, Wille und Konsequenz ersichtlich gewesen». Jetzt – notabene im Freiämter Derby gegen den Rivalen aus Muri – «war das wie weggeblasen. Das ist enttäuschend», so Bächer. Und trotzdem ist Wohlen die dominierende Mannschaft. Schon nach wenigen Minuten köpfelt Captain Alban Pnishi zum 1:0 ein. Mit viel Willen geht er zum Ball, aber auch mit viel Ellbogen. Das Tor zählt nicht. Danach geschieht lange nichts Erwähnenswertes, bis die Murianer dilettantisch in einen Konter laufen. Ein Freistoss aus 40 Metern bleibt in der Mauer hängen. Wohlen schaltet sofort um. Patrik Gjidoda spielt auf das Eigengewächs Dorde Komatovic, der in der Platzhälfte der Murianer völlig alleine losziehen kann und zum 1:0 trifft.
Die Reaktion der Murianer in der zweiten Halbzeit bleibt aus. Zwar wird weiterhin solidarisch verteidigt, doch vom gegnerischen Strafraum ist man weit entfernt. Die Murianer sind offensiv harmlos. Den Wohlern gelingen immerhin zwei gefährliche Abschlüsse. Nach rund 70 Minuten scheint das Spiel definitiv entschieden. Muri-Captain Simone Parente reisst seinen Gegenspieler zu Boden. Penalty. Wohlens Gjidoda soll das tun, wozu er geholt wurde: Tore schiessen. Doch er scheitert mit einem schwach geschossenen Penalty an Muri-Keeper Maksym Parshykov.
«Niemand sagt, dass ich den Ball rauslassen kann»
Gjidoda ist nach dem Spiel einer der wenigen Akteure, die die blanke Wahrheit aussprechen: «Es war ein Gewürge. Wir hatten keine Ruhe im Spiel, haben kaum sauber gespielt. So reicht es nicht. Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen. Das ist zu viel Zufall, zu wenig rausgespielt. Wir haben andere Ambitionen.» Dass er dann noch den Penalty verballert, «passt irgendwie zu unserem ganzen Spiel».
Und wieder mal hat sich die Fussballweisheit bewahrheitet. «Wer sie vorne nicht macht, kassiert sie hinten.» In der Nachspielzeit würde ein Muri-Freistoss ins Out segeln. Doch Pnishi klärt sicherheitshalber – und es gibt Eckball. «Niemand sagt mir was, dass ich den Ball rauslassen kann», meint Pnishi. Die mangelnde Kommunikation auf dem Platz ist auffällig beim FC Wohlen.
«Ich weiss nicht, wieso ich Rot kriege»
Dieser Eckball stürzt die Wohler dann ins Tal der Tränen und lässt die Murianer ausgelassen jubeln. In der grossen Spielertraube setzt sich Mateus Rodrigues Nunes durch und trifft per Kopf zum 1:1. Mit der ersten gefährlichen Torchance gelingt dem FC Muri der Ausgleich. Torschütze Nunes sagt: «Wir waren alle erschöpft nach diesem physischen Spiel. Wir wussten aber, dass eine Standardsituation uns die Erlösung bringen kann. Und so war es auch. Ich bin überglücklich, dass ich dieses wichtige Tor erzielt habe», sagt der Brasilianer, der seit 3 Wochen beim FC Muri ist und in Wohlen wohnt. Der Transfer kam zustande, weil einige Muri-Akteure ihn aus gemeinsamen Zeiten bei Pajde Möhlin kannten und er die Verantwortlichen in der Probezeit überzeugte.
In der Schlussphase gibt es viele Nickligkeiten, viel Hektik und unschöne Szenen. Wohlens Justin Pfister kassiert die Rote Karte. Er soll seinen Gegenspieler beim Kopfballduell mit dem Ellbogen niedergestreckt haben. Eine Tätlichkeit? Pfister versteht nach dem Spiel die Fussballwelt nicht mehr: «Es war ein ganz normales Kopf ballduell. Ich habe sicher nichts absichtlich gemacht. Ich weiss ganz ehrlich nicht, wieso ich die Rote Karte kriege.»
Auch ein dämlicher Flaschenwurf gibt noch zu reden. Von der Tribüne aus wirft jemand eine Flasche (die nach dem Sponsorenapéro nicht weggeräumt wurde) zwischen die Spielerbänke auf das Feld. Glücklicherweise wird niemand getroffen.
Zurück zur Aussage von Fredi Bobic, der sagte: «Man darf jetzt nicht alles so schlechtreden, wie es war.» So versuchen die Protagonisten das Positive zu sehen. Wohlen-Captain Alban Pnishi meint: «Das Spiel war zwar nicht überragend, aber in der Abwehr standen wir grundsolide. Muri hat eigentlich nie eine Torchance.» Blöd nur, dass es am Ende trotzdem 1:1 steht. «Die Automatismen fehlen. Die Laufwege stimmen nicht. Es liegt Arbeit vor uns», sagt Pnishi. Muri-Captain Simone Parente spricht von einem «guten Spiel». Man merkte, dass beide Teams defensiv nichts zulassen wollten. «Wohlen hatte die Chance, das Spiel zu entscheiden – doch hat diese nicht genutzt. Und wir haben dann gezeigt, zu was wir fähig sein können.» Wohlens Stürmer Gjidoda findet: «Wenn man so auftritt, ist man höchstens Mittelmass.» Für Muri und für Wohlen ist die Saison erst gestartet und noch viel kann passieren. Aber nach diesem biederen Auftritt beider Teams heisst es zum aktuellen Zeitpunkt wohl eher Abstiegskampf statt Spitzenplatz.