Dörfliche Identität entwickeln
18.02.2025 Kelleramt, ArniDas ETH-Studierendenprojekt «zum Beispiel Arni» liefert spannende Perspektiven
Ein Jahr lang haben sich 26 angehende Architektinnen und Architekten intensiv mit Arni als typisches Dorf befasst. Die 16 inspirierenden Projekte, die dabei entstanden sind, wurden ...
Das ETH-Studierendenprojekt «zum Beispiel Arni» liefert spannende Perspektiven
Ein Jahr lang haben sich 26 angehende Architektinnen und Architekten intensiv mit Arni als typisches Dorf befasst. Die 16 inspirierenden Projekte, die dabei entstanden sind, wurden mit grossem Interesse bestaunt.
Thomas Stöckli
«Das Mehrgenerationenhaus hat mir sehr gut gefallen», verrät Evelyn Pfister Meier, Frau Gemeindeammann von Arni. Das Projekt von Architekturstudent Siro Romano behandelt die Umnutzung bestehender Scheunen zu bezahlbarem Wohnraum für Jung und Alt. Es verbindet nachhaltige Raumplanung mit sozialem Zusammenhalt, will Begegnungen und Austausch fördern. «Dabei bleibt die äussere Gestalt der Scheune erhalten, während innen moderne Wohnqualität Einzug hält», heisst es in der Projektbeschreibung. Und weiter: «Die Scheune wird so zu einem Bindeglied zwischen Tradition und Zukunft für Arni.»
Siro Romano ist einer von 26 Bachelor- und Master-Studierenden, die sich im letzten Jahr intensiv mit Arni auseinandergesetzt und dabei innovative Visionen für die Dorfgemeinschaft entwickelt haben. Dabei standen auch die aktuellen Herausforderungen der Gemeinde mit im Fokus, also die jüngste BNO-Revision, die Sanierung der Zürcherstrasse, die derzeit beim Regierungsrat liegt und nächstes Jahr starten soll, sowie die Schulhausplanung. Als frustrierend bezeichnete es die Frau Gemeindeammann, wenn Partikularinteressen den Fortschritt der Gemeinde hemmen. Entsprechend ruft sie auf, sich an der gemeinsamen Lösungsfindung zu beteiligen, Dialoge zu führen und Kompromisse einzugehen. «Gemeinsam Zukunft gestalten», nennt das Evelyn Pfister, «und so die Gemeinde zu einem noch lebenswerteren Ort machen.»
Fehlende Zentrumsqualität und Tendenz zum Schlafdorf
Als die ETH das Interesse bekundete, Arni zum Thema einer Vertiefungsarbeit zu machen, stiess das bei der Gemeinde auf offene Ohren. «Gute Ideen sind immer willkommen», so Bauverwalter Kevin Tobler. Er hat das Projekt denn auch interessiert begleitet. Doch weshalb Arni? Lilitt Bollinger, Architektin und ETH-Gastprofessorin, liefert die Erklärung: «Wir wollten den Typ Dorf zum Thema machen und architektonisch weiterdenken.» Bis anhin wird das Dorf vorwiegend aus städtischer Perspektive gedacht. «Man spricht ja auch von ‹Städtebau› und nicht von ‹Dorfbau›», veranschaulicht sie. Das brachte sie zur These, dass sich das Dorf neu erfinden, eine eigene Identität entwickeln müsse, was wiederum zu Fragen führt wie: Was gehört zu einem guten Leben auf dem Land? Welche Bedeutung soll die Gemeinschaft haben? Welche die Mobilität? Was soll verändert und was bewahrt werden?
Auf der Suche nach einem beispielhaften Dorf in der Nähe sei man auf Arni gestossen: «Arni ist vielfältig, hat eine interessante Geschichte und steckt in der Entwicklung», führt Lilitt Bollinger aus. Zudem schlage sich die Gemeinde mit typischen Problemen herum wie viele andere auch: Fehlende Zentrumsqualität und Tendenz zum Schlafdorf. Experimentell-forschend haben sich die Studierenden diesen Fragestellungen angenähert, mit grossem Realitätsbezug, aber auch Raum für Utopien.
Mangel an Treffpunkten
«Wir durften auf unseren Exkursionen mit offenen Augen den Dorfalltag erleben», beschreibt Studentin Martina Taverna. Manche Arnerinnen und Arner gewährten den Studierenden Zugang zu ihren Häusern und standen ihnen Red und Antwort. So nahmen die 16 Projekte Gestalt an, wobei der Prozess und nicht das Produkt im Fokus gestanden habe, so Taverna: «Wir durften experimentieren, mutig sein und auch mal scheitern. Das war Teil des Lernprozesses.» An regelmässigen Versammlungen tauschten sich die Studierenden über ihre Fortschritte aus, wiederholt wurden auch Gastkritiker zugezogen.
Die Identität von Arni sei vor allem durch Geschichten und Erinnerungen geprägt», stellt die Studentin fest. Während das Angebot für Kinder reichhaltig sei, fehle es an Treffpunkten für Jugendliche und Erwachsene. «Arni befindet sich in einer Identitätskrise», hielt Taverna fest: «Das Dorfbild ändert sich, das Zentrum fehlt und in die soziale Infrastruktur wird zu wenig investiert», so ihr Eindruck.
Spannende Ideen
Das thematisieren denn auch die Projekte: «Mut zur Lücke» von Nicolas Schwarz zeigt auf, wie ein informeller Treffpunkt aussehen könnte. Fabian Hug und Roman Schürch haben mit «Sternefoifi» der gastronomischen Seele des Dorfes eine neue Perspektive aufgezeigt. «Arni denkt quer» heisst das Projekt, welches Martina Taverna mit Roxana Puiu erarbeitet hat. Es zielt darauf ab, «den Ortskern aufzuwerten und aus seiner aktuellen Wahrnehmung als reine Ortsdurchfahrt zu lösen». Konkret sollen durch die Neugestaltung der Vorplätze entlang der Hauptstrasse neue Begegnungsräume entstehen, die zum Verweilen einladen. Gemeinschaftsangebote wie ein Café, eine Kletterscheune oder eine Bibliothek sollen zur Belebung beitragen.
Unter dem Titel «Fliegende Klassenzimmer» haben sich derweil Gian Hugi und Lucca Blum mit dem steigenden Schulraumbedarf auseinandergesetzt. Ihr Projekt sieht vor, den bestehenden Bau um eine dreigeschossige Aufstockung zu erweitern. «Durch die kluge Nutzung der vorhandenen Strukturen und die harmonische Einbindung in die Umgebung entsteht ein zukunftsträchtiges Schulgebäude, das den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht wird», beschreiben die beiden Studenten.
Willkommene Inspiration
Das Interesse an der öffentlichen Ausstellung vom Wochenende in der Mehrzweckhalle war gross. Nebst zahlreichen Arnerinnen und Arnern durfte Evelyn Pfister-Meier auch Entscheidungsträgerinnen und -träger aus der Region begrüssen, welche sich von den Ideen der angehenden Architektinnen und Architekten inspirieren lassen wollten.
Und auch wenn sich nicht etwas explizit zur sofortigen Umsetzung aufdränge, so liefern die Projekte doch wertvolle Inputs für künftige Überlegungen, bezüglich Wohnen, öffentlichem Raum und Infrastruktur. «Wir dürfen gewisse Modelle auch behalten und einlagern», so Tobler.