Diesen Vorwurf lässt er gelten
28.04.2023 Kelleramt, OberlunkhofenAlt-Bundesrat Ueli Maurer war zu Gast am Wahlkampfauftakt von Christoph Hagenbuch
Versorgungssicherheit. Zu diesem Schlagwort referierte Alt-Bundesrat Ueli Maurer im Gewölbekeller des Restaurants Bauernhof in Oberlunkhofen. Er ist überzeugt: «Es kann in ...
Alt-Bundesrat Ueli Maurer war zu Gast am Wahlkampfauftakt von Christoph Hagenbuch
Versorgungssicherheit. Zu diesem Schlagwort referierte Alt-Bundesrat Ueli Maurer im Gewölbekeller des Restaurants Bauernhof in Oberlunkhofen. Er ist überzeugt: «Es kann in Bundesbern nicht zu viele Landwirte haben.»
Annemarie Keusch
Sitzen können an diesem Abend im Restaurant Hotel Zum Bauernhof in Oberlunkhofen längst nicht alle. Was Alt-Bundesrat Ueli Maurer zum Thema Versorgungssicherheit zu sagen hat, das scheint zu interessieren. Angefragt wurde Maurer von Christoph Hagenbuch, der mit diesem Anlass seinen Wahlkampf für einen Nationalratssitz lanciert. Warum er Maurer einlud? «Aus drei Gründen. Erstens, weil er in all den Jahren als Politiker demütig und bodenständig geblieben ist. Sollte mir die Bodenhaftung mal abhandenkommen, dann hoffe ich, dass mein Umfeld mich auf den Boden zurückholt.» Zweitens sei Maurer überdurchschnittlich intelligent und bauernschlau in einem. «Ein kleines Beispiel ist sein riesiges Namensgedächtnis.» Hagenbuch erzählt von seiner ersten Begegnung mit Maurer, damals noch beim Zürcher Bauernverband. «Eineinhalb Jahre später wusste er meinen Namen noch.»
Eigene Meinung erlauben
Und drittens habe es sich Maurer in all den Jahren in der Politik immer erlaubt, eine eigene Meinung zu haben und diese auch zu vertreten. «Dafür braucht es ein eigenes Denken und Rückgrat. Mit dem Strom zu schwimmen, wäre einfacher», ist Hagenbuch überzeugt. Es macht den Anschein, als wäre Maurer eine Art Vorbild für den Oberlunkhofer.
Deckungsgleich sind ihre Meinungen jedenfalls, wenn es um das Thema Versorgungssicherheit geht. «In der Not ist ein Sack Kartoffeln mehr wert als eine Tausendernote», sagt Hagenbuch und plädiert dafür, die Pf lichtlager wieder aufzustocken. Und auch Maurer sagt, dass die Kurzfristigkeit ein grosses Problem der aktuellen Politik sei. «Dass wir nicht mehr lang- und mittelfristig denken, diesen Vorwurf an die Politik muss ich gelten lassen», sagt der Alt-Bundesrat. Dabei gehe es nicht nur um Lebensmittel.
Mehr als Blumen und Bienen
Energie, Essen, Medikamente – Ueli Maurer sprach über Versorgungssicherheit
Nachhaltig sein bedeute auch längerfristig zu denken. Davon ist Alt-Bundesrat Ueli Maurer überzeugt. «Gerade die Landwirtschaft müsste jederzeit bereit sein, das zu produzieren, was es für die Versorgung des Landes braucht», sagt er am Wahlkampfauftakt von Nationalratskandidat Christoph Hagenbuch in Oberlunkhofen.
Annemarie Keusch
Es ist eine Begegnung, die auch bei Ueli Maurer Eindruck hinterlassen hat. «Kürzlich zeigte mir eine Frau Rationierungsmarken, die sie 1948 brauchte, um Lebensmittel zu erhalten. Notabene auch noch drei Jahre nach dem Krieg.» Gerade jetzt, wo in Europa wieder Krieg herrscht, mache das Eindruck. «Es sind jene Momente, in denen sich viele wieder bewusster werden, was Versorgungssicherheit ist», sagt Maurer. Es ist ein Bewusstsein, das in den letzten Jahren verschwand. «Die Kurzfristigkeit ist eine Schwäche der heutigen Politik», ist der Alt-Bundesrat überzeugt. Dass teilweise schnell entschieden werden müsse, das sei nötig. «Aber dafür braucht es ein Konzept mit langfristigen Perspektiven.»
Dass sich dies in den letzten Jahren verändert hat, das weiss Maurer. Drei Jahrzehnte lang politisierte er in Bern. «Es ist alles kurzfristiger geworden, wie überall auf der Welt», sagt er. Dass die Langfristigkeit fehle, werde in ganz verschiedenen Bereichen sichtbar. «Etwa bei den Finanzen, konkret bei der AHV», sagt er. Vor allem aber ging er an diesem Abend auf die Versorgungssicherheit ein. «Wir von der SVP haben diese immer gepflegt und wurden dafür ausgelacht.» Und auch hier nannte er verschiedenste Bereiche, etwa die Armee. «Jetzt mit dem Krieg in der Ukraine sprechen viele davon, die Bestände, die Armee zu vergrössern. Aber das braucht politische Vorlaufzeit, 10 bis 15 Jahre.» Dabei sei die Sicherheit, zu der die Armee beitrage, doch die wichtigste Vorsorge.
Schweiz war einst Vorreiterin
Aber auch im Bereich der Energie ist die Versorgungssicherheit nicht mehr selbstverständlich. Allgemein ist für Maurer klar: «Wir müssen bereit sein, um in ausserordentlichen Situationen reagieren zu können. Diesbezüglich war die Schweiz einst Vorreiterin, etwa was Pflichtlager betrifft. Dahin müssen wir zurück.»
Er meint Medikamente, er meint aber vor allem auch Nahrungsmittel. Dass der Bedarf für vier Monate gedeckt werden kann, so viel Weizen muss aktuell gelagert werden. Zu wenig, findet Maurer. Allgemein ist er davon überzeugt, dass der Begriff der Nachhaltigkeit neu definiert werden müsse. «In den letzten 20 Jahren ging es primär um Blumenwiesen und Bienen. Aber die Landwirtschaft muss auch bereit sein, ihre Produktion rasch zu erhöhen, um die Bevölkerung des Landes zu ernähren. Auch das ist nachhaltig, nicht nur Umweltthemen.» Dass dies nicht einfach kombinierbar ist, das habe er mit eigenen Augen gesehen, als er letzten Sommer auf der Veloreise nach Prag in den Feldern Bayerns unterwegs war. «Die Weizenfelder sahen nicht gut aus, die Pflanzen waren ausgefranst.» Im Gespräch mit einem Landwirt wurde klar, dass viele Landwirte auswärts arbeiten und ihnen die Zeit fehlt, ihre Felder richtig zu bestellen. Ein gefährlicher Trend.
Nachhaltig handeln heisse längerfristig denken. Und damit meint Maurer auch Wissen, das mehr und mehr verloren geht. «Wenn der Bauernstand weiter geschröpft wird, dann ist er in zehn Jahren nicht mehr bereit, so viel zu produzieren, wie es im Ernstfall in unserem Land bräuchte.» Dass der Wiederaufbau viel mehr koste, als etwas aufrechtzuerhalten, das liege auf der Hand. «Ob es nun um die Armee, die Energie oder Lebensmittel geht.»
Weg zurück in normale Welt
Für Maurer ist Nachhaltigkeit ein Gesamtprojekt, zu dem auch die Versorgungssicherheit gehören muss. Eines, an dem das Parlament laufend arbeitet. Im Herbst wird entschieden, wer dabei mit am Tisch sitzt. «Es kann nicht zu viele Landwirte in Bundesbern haben», findet Maurer. Menschen, die mitdenken, als Unternehmer handeln, Verantwortung übernehmen, vorausschauen. «Wir müssen wieder pragmatischer werden», findet Maurer. Und rät darum, jene Personen auf Wahllisten zu schreiben, die Gesetze abschaffen und nicht neue schaffen wollen.
Auftritte wie jener in Oberlunkhofen, für Maurer ist es «der Weg in eine normale Welt». Näher sein zu können an den Menschen, ihnen zu begegnen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, das gefalle ihm. «Ich sitze nicht mehr im Glashaus in Bern.» Stattdessen steht er im Gewölbekeller des Restaurants Hotel Zum Bauernhof und prostet seiner Wählerschaft zu.