Die Weltenbummlerin
18.07.2023 Waltenschwil, Region OberfreiamtCéline Roth aus Waltenschwil packte ihren Rucksack und verreiste – und kam sehr lange Zeit nicht wieder
Im Februar 2021 haut sie ab auf Weltreise und ist erst jetzt wieder zurück in der Schweiz. Aber nur kurz: «Die Reise geht weiter», sagt ...
Céline Roth aus Waltenschwil packte ihren Rucksack und verreiste – und kam sehr lange Zeit nicht wieder
Im Februar 2021 haut sie ab auf Weltreise und ist erst jetzt wieder zurück in der Schweiz. Aber nur kurz: «Die Reise geht weiter», sagt Céline Roth, 23 Jahre jung. Ihr Motto: «Nimm dir deine Zeit und verschwende sie mit grossartigen Momenten.»
Stefan Sprenger
Die Freiheit ist ihr ins Gesicht geschrieben. «Das Leben sollte man locker sehen», sagt Céline Roth und erzählt ihre nicht ganz alltägliche Reisegeschichte, die schon als kleines Kind beginnt. Als 8-Jährige lebt sie für zwei Jahre in den USA. Ihr Vater Schibi Roth – eine Fussballikone des FCWohlen – durfte berufsbedingt im Bundesstaat Pennsylvania eine Stelle antreten und nahm die Familie mit. Die kleine Céline entdeckt eine andere Welt als in ihrem Zuhause in Waltenschwil. Doch sie schlägt zuerst einen wenig abenteuerlustigen Weg ein. KV-Lehre bei den SBB, Berufsschule BBZ in Wohlen, Fussball beim FCWohlen – und wegen ihres grossen Talents wechselt sie zu den Frauen des FCAarau.
Permakultur, Kinderhilfswerk, Segelschiff, Surfen
Das fühlt sich für sie mittlerweile alles sehr weit entfernt an. 2018 beendete sie ihre Lehre und ging für vier Monate nach Bolivien und Peru. «Als ich zurückkam, wusste ich, dass ich wieder gehen will.» Nicht, weil sie die Schweiz so langweilig und öde findet, aber die grosse weite Welt ist eben sehr spannend und sie wollte möglichst viele Dinge sehen und erleben. Sie arbeitet zwei Jahre als Sachbearbeiterin bei Aargau Verkehr AG (AVA).
Bis zum 4. Februar 2021, ein Donnerstag. Mit gepackten Koffern steht sie am Flughafen. Die Reise geht los. Mit ihrem Ex-Freund reist sie nach Südamerika. Sie packt bei mehreren Hilfsprojekten mit an. Sie hilft bei einem Permakulturprojekt in Mexiko, bei einem Kinderhilfswerk in Ecuador, arbeitet bei einer Tauchschule in Panama oder bei einer «Wildlife»-Organisation in Bolivien. Sie bereist viele Länder, vorzugsweise in Süd- und Mittelamerika. Sie ist wochenlang auf einem Segelschiff unterwegs und entdeckt eine neue Leidenschaft, das Surfen. Ihr Plan: «Ich hatte keinen», sagt sie lachend. Ihre Eltern Schibi und Sandra und die beiden älteren Brüder Joel und Yannik besuchen sie unterwegs. Sie ist total 2,5 Jahre weg. Da stellt sich unweigerlich die Frage: Wie kann sich eine junge Frau solch eine grosse Reise leisten? Sie lacht. «Ersparnisse. Bei der Freiwilligenarbeit war Kost und Logis inbegriffen. Zudem braucht es einen günstigen Reisestil.»
33 Franken pro Tag ausgegeben
Sie besucht beispielsweise nur sehr selten ein Restaurant und schreibt sich all ihre Ausgaben feinsäuberlich auf. Ob für Essen, Ausflüge oder Reisetransport: «Jeden Franken, den ich ausgegeben habe unterwegs, habe ich mir notiert», sagt die junge Frau, die während des Reisens auch stets den Umweltaspekt im Auge behielt. 30 000 Franken in 2,5 Jahren waren es. «Das sind rund 33 Franken pro Tag, die ich ausgegeben habe.»
Seit ein paar Wochen ist sie wieder zu Hause. «Es war wie immer, ich habe mich schnell wieder sehr wohlgefühlt.» Ob Familie oder Freunde: Alle haben sie wieder herzlich empfangen. «Ich war aus den Augen meiner Liebsten, aber nie aus dem Sinn.» Sie hat bei ihrem alten Arbeitgeber einen temporären Job, dem sie aktuell nachgeht. Für sie spannend: «Bei der Arbeit scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, alles ist noch genau gleich, bei mir geschah in diesen 2,5 Jahren so viel.» Das sei «schön und irgendwie komisch zugleich».
Erst mit Ex-Freund, dann alleine
Das Reisen hat ihr viel gegeben. Sie durfte viele neue Menschen, Kulturen und Begebenheiten kennenlernen. Das alles war ihr unterwegs sehr wichtig. Zudem hat sie das Schreiben und das Zeichnen für sich entdeckt. Und die Erkenntnis, wie gut es ihr geht. «Es ist ein Privileg, in der Schweiz zu leben. Hier haben wir kaum Probleme. Aber trotzdem nerven wir uns so schnell wegen Kleinigkeiten.» Céline Roth lernte in jener Zeit Spanisch, das war ihr sehr wichtig, denn so konnte sie mit den Einheimischen viel besser kommunizieren und es war ein tieferes Verständnis für Kultur und Menschen vorhanden. Anschluss und neue Freunde hat sie jeweils sehr schnell gefunden. Positiv, ehrlich und authentisch, wie sie ist, erstaunt das nicht. «In Südamerika sind die Menschen sehr offen und freundlich, das hat mir sicherlich auch geholfen», meint sie. Ihr sei es meist sehr gut gegangen unterwegs. «Aber es gab auch schwierige Momente, das gehört dazu. Bei schlechten Dingen versuchte ich, es als Lernprozess zu sehen.» Die ersten rund 1,5 Jahre ihrer Reise machte sie gemeinsam mit ihrem damaligen Freund. Dann trennten sich die Wege. «Im Guten», wie sie sagt. Danach war sie allein unterwegs. «Das war anders, ich hatte mich daran gewöhnt, dass mein Freund und ich alles gemeinsam machen. Und jetzt erlebte ich nochmals etwas anderes, ich durfte allein entscheiden und fühlte mich noch freier.» Als allein reisende Frau habe sie nie ein schlechtes Gefühl gehabt. «Solange man nicht blauäugig und naiv ist, geschieht einem nichts.»
«Wenn man etwas wirklich will, dann erreicht man es»
Und doch trauen sich sehr wenige Menschen solch eine spontane und freie Reise zu, obwohl es sich doch viele wünschen. Wieso ist das so? «Wenn man etwas wirklich will, dann erreicht man es. Man sollte positiv sein, locker, flexibel. Man darf sich nicht auf ein Ziel versteifen, sonst lässt man neue Wege gar nicht erst zu.» Ihre positive Grundeinstellung nach dem Motto «das klappt dann schon», hat immer funktioniert. So ist sie, so bleibt sie.
Vor wenigen Wochen kam sie zurück in die Schweiz. Doch es ist keine Rückkehr, sondern mehr ein Zwischenhalt. «Ich gehe in zwei Monaten weiter», sagt sie und strahlt voller Vorfreude. Australien wird es dieses Mal. Dort will sie surfen und bei Hilfsprojekten mithelfen. «Never change a winning Team», hat sie im Fussball gelernt – das gilt auch für ihre Art zu reisen. Wann kommt sie zurück? «Ich werde reisen, bis ich genug habe oder mich etwas so stark verankert, dass ich nicht mehr weg will.» Sie macht einfach das, was sie glücklich macht. «Dann kommt alles gut, man muss aber auch etwas dafür tun. Von nichts kommt nichts.»