Der Mann, der vom Himmel fiel
30.12.2022 Fussball, SportBesondere Momente im Redaktionsalltag: Piu und der filmreife Aufstieg des FC Muri (11. Juni 2022)
Stefan Sprenger
Drama. Thriller. Horror. Und am Ende ein schnulziger Liebesfilm. Der 11. Juni 2022 war für mich der sportliche Blockbuster in ...
Besondere Momente im Redaktionsalltag: Piu und der filmreife Aufstieg des FC Muri (11. Juni 2022)
Stefan Sprenger
Drama. Thriller. Horror. Und am Ende ein schnulziger Liebesfilm. Der 11. Juni 2022 war für mich der sportliche Blockbuster in diesem Jahr. In der Hauptrolle einer meiner Lieblingsdarsteller: Fabrício Nascimento Nogueira. In seiner Heimat Brasilien wurde er «Bill» genannt. In der Schweiz kennt man ihn als «Piu». Seit über 10 Jahren kenne ich ihn. Aber so wie an diesem besonderen Tag habe ich ihn noch nie erlebt.
Eines vorneweg: Ich mag ihn. Sehr sogar. Piu ist immer ehrlich, immer herzlich. Er trägt den Fussball im Herzen – und sein Herz auf der Zunge. Sein Humor ist grandios. Und auch das Drehbuch seines Lebens kann man sich immer wieder reinziehen. 1997 war es, als dieser tolle Fussballer aus seiner Heimat in der Nähe von São Paulo weggeht und nach Europa wechselt. Erst bei Waldhof Mannheim in Deutschland, dann zieht es ihn in die Schweiz. 2002 steigt der FC Wohlen erstmals in die Nationalliga B auf. Piu kommt. Ein Brasilianer auf den Niedermatten. Ein Glücksgriff. Sportlich und menschlich. «Der Mann, der vom Himmel fiel», hiess also der erste Akt von Piu. Im ersten Heimspiel des FC Wohlen in der neuen Liga trifft Wohlen auf den Kantonsrivalen Baden. Stürmer Piu erzielt ein Tor beim 2:1-Sieg. Eine Liebesgeschichte beginnt. Zwei Mal wechselt er zu Kriens, doch er kommt immer wieder zurück zum FC Wohlen. Hier beendet er auch seine Karriere 2011. Die Knie machen nicht mehr mit. Vielleicht auch, weil Piu immer wie ein «Terminator» in die Zweikämpfe geht.
Endzeit-Thriller auf der Brühl
Piu und das Freiamt, sie wurden «ziemlich beste Freunde». Und auch ich freunde mich neben dem Platz mit ihm an. Es geht gar nicht anders. Erst erlebe ich ihn als Stürmer beim FC Wohlen, dann als Trainer beim FC Mutschellen. Ich bin auch dabei, als er 2019 von «seinem» FC Wohlen keine Zeit und keinen Glauben erhält – und entlassen wird. Für einmal wird dieser lebensfrohe Mensch stumm. «Das Schweigen des Piu.»
Umso glücklicher ist er an diesem 11. Juni 2022. Und auch ich bin superhappy, dabei gewesen zu sein. Denn es war kein normales Fussballspiel. Es war ein actiongeladenes Abenteuer. Der FC Muri mit Cheftrainer Piu hat in einer Finalissima die grosse Chance, den Aufstieg zu packen. «Piu und der FC Muri – die Jäger des verlorenen Schatzes.» 900 Menschen sind dabei. Es ist das letzte Spiel auf der Brühl. Beim diesem Brühl-Endzeit-Thriller will Piu zur Legende werden. «I am Legend.»
«Psycho» für Fussballfans
Steven Spielberg hat schon vor dem Anpfiff ein spannendes Drehbuch verfasst. Muri benötigt einen Punkt, dann ist der Aufstieg perfekt. Gegner Dietikon kann mit einem Sieg aber ebenfalls den Aufstieg schaffen. Und das Drama beginnt nach wenigen Minuten. Bayazi trifft für Muri. Dietikon gleicht aus. Muri-Captain Hohl erzielt die erneute Führung von der Mittellinie. Wieder schaffen die Dietiker den Ausgleich. 2:2. Gespielt sind erst 26Minuten. Ich stehe neben der Trainerbank und beobachte Piu. Er jubelt. Er zittert. Er ärgert sich. Er spielt nervös an seiner Kappe rum. Tausend Emotionen. Auf dem Platz geht es hin und her. Ein Krimi. Ein Thriller. «Psycho» für Fussballfans.
So geht das bis in die 96. Spielminute. Es steht immer noch 2:2. Und jetzt droht der schlimmste Horrorfilm der Murianer Fussballgeschichte. Die «Nightmare on Brühl». Dietikon-Joker Sylla setzt wenige Meter vor dem Tor zum Kopfball an. Wenn der Ball reingeht, ist auf einen Schlag alles anders und Dietikon würde in der letzten Sekunde der Meisterschaft die Geschehnisse umdrehen – und aufsteigen. Muri würde ins Tal der Tränen stürzen. Für einen Mo-