Der Kampf ist noch nicht zu Ende
27.10.2023 Boswil, Region OberfreiamtSVP-Kantonalparteitag in Boswil – Benjamin Giezendanner mit viel Applaus nominiert
Sie ist die grosse Wahlsiegerin, auch im Kanton Aargau. Satte 42,4 Prozent Wähleranteil erreichte die SVP alleine im Bezirk Muri. Hier gastierte sie nun, um auf die Wahlen ...
SVP-Kantonalparteitag in Boswil – Benjamin Giezendanner mit viel Applaus nominiert
Sie ist die grosse Wahlsiegerin, auch im Kanton Aargau. Satte 42,4 Prozent Wähleranteil erreichte die SVP alleine im Bezirk Muri. Hier gastierte sie nun, um auf die Wahlen zurückzuschauen und um sich für den zweiten Wahlgang um den freien Ständeratssitz zu formieren.
Annemarie Keusch
Sie klatschten, sie lachten, sie umarmten sich, sie gratulierten sich. Die Gesichter der SVP-Kandidatinnen und -Kandidaten waren am Wahlsonntag durchwegs zufrieden. Und das hat sich in den drei Tagen bis zum Kantonalparteitag in Boswil auch nicht verändert. «Es ist geschafft», frohlockt Präsident Andreas Glarner. Er spricht von einem wohlverdienten Sieg, den die Partei eingefahren habe. Der Wähleranteil konnte um fast vier Prozent auf 35,5 Prozent gesteigert werden. Einen Seitenhieb gegenüber dem Bundesamt für Statistik, das wenige Stunden zuvor verkündet hatte, sich verrechnet zu haben, konnte er sich nicht verkneifen: «Ich wähne mich in einer Bananenrepublik. Wenn der Direktor nicht entlassen wird, dann werden wir dies fordern.»
Es ist seine pointierte Sprache, der er sich auch an diesem Abend bedient. «Wären wir abgeschifft, dann würde ich heute zum letzten Mal vor Ihnen stehen. Jetzt müssen Sie mich weiterhin ertragen.» Die Partei dürfe zufrieden sein, der Erfolg habe viele Väter. «Nicht zuletzt die Junge SVP, die ein sensationelles Ergebnis machte und sich ohne Aussicht auf einen Sitz derart engagierte.» Glarner mahnte aber auch, trotz Erfolg demütig zu sein. Das betonte unter Verschiedenes auch ein Parteimitglied: «Bleibt auf dem Boden, das mögen die Leute.»
«Wir müssen uns wehren»
«Wir sind gewählt worden, weil wir den Finger auf die wunden Punkte legen, weil wir Missstände aufzeigen», betont Präsident Andreas Glarner. Die entsprechenden Themen sind vielfältig. «Gegen die steigenden Gesundheits- und Energiekosten haben nur wir Lösungen», ist er überzeugt. «Wenn ein Rentner, der 47 Jahre lang gearbeitet hat, weniger Geld bekommt als jemand, der mit dem Boot kam, dann müssen wir uns wehren.» Solche Sätze formuliert er mehrere. «Wenn es immer teurer wird, noch dümmer zu werden, dann müssen wir uns wehren.» Wenn sich «unsere Frauen» nachts nicht mehr sicher fühlen, wenn Einwanderer die Sozialwerke plündern, wenn aus multikulturell multikriminell werde. «Wir müssen uns wehren. Es braucht mehr SVP. Holen wir uns unsere Schweiz zurück.»
Trotz aller Euphorie, Glarner hinterfragt den absolvierten Wahlkampf auch. «Die Wahlkampfanlässe zum Beispiel waren gut, aber meist waren es interne Veranstaltungen. Es kamen jene, die uns sowieso wählen.» Zudem erwähnt er die Zusammenarbeit mit der FDP. Dass diese den SVP-Kandidaten Benjamin Giezendanner im zweiten Wahlgang um den Ständeratssitz unterstützen würde, das sagte die FDP zu, der offizielle Beschluss am gestrigen Parteitag dürfte Formsache gewesen sein. «Die FDP ist unsere Partnerin. Es gilt mit ihr und der Mitte einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, um Links-Grün zu stoppen.»
Zufriedener Gemeindeammann
Bereits zum zweiten Mal innert 1658 Tagen, wie er ausrechnete, durfte Gemeindeammann Michael Weber seine Partei für einen Kantonalparteitag in Boswil begrüssen. «In einer kleinen Hochburg der SVP», sagte er stolz. Das imposante Resultat helfe, «unser Land gegen das linke Geschwafel zu verteidigen». Er wünsche den Gewählten, dass sie ihre politischen Ziele nicht aus den Augen verlieren und ihren Weg gehen in den nächsten vier Jahren im Parlament, auch wenn dieser zeitweise beschwerlich werde.
Obwohl die Nationalratswahlen gewonnen sind, lehnt sich die SVP noch nicht zurück. Schliesslich steht am 19. November der zweite Wahlgang in den Ständerat auf dem Programm. Ihr Kandidat Benjamin Giezendanner holte im ersten Wahlgang mit Abstand am zweitmeisten Stimmen. «Nur mit ihm ist unser Kanton würdig vertreten», ist Andreas Glarner überzeugt. Marianne Binder sei in Geiselhaft der Linken. Jener Linken, die Giezendanner als rechtskonservativ verschreien würden. «Ist es rechtskonservativ, wenn man morgens aufsteht und arbeitet? Wenn man die Sorgen und Nöte der Menschen kennt, weil man ihnen Arbeit gibt?» Die Fragen stellt Präsident Glarner rhetorisch. Auch Giezendanner selber gibt sich kämpferisch. Er spricht von der grossen Unterstützung, die er erfahren durfte, von der Erleichterung, die er am Wahlsonntag verspürt habe. «Aber ich war auch erschreckt, als aus dem lauen Ständeratswahlkampf am Sonntag plötzlich ein feministischer Orkan wurde.» Wenn er in den Spiegel schaue, dann sehe er keinen alten, weissen Mann, sondern einen Familienvater, der mitten im Leben stehe.
Gallati ruft zu Mobilisierung auf
Es gibt verschiedene Themen, die Giezendanner so ganz anders sieht als Gegenkandidatin Marianne Binder. «Ich würde ihr gerne ganz viele Bälle zuwerfen», sagt er. Jenen der Energiepolitik und der gescheiterten Energiestrategie zum Beispiel. «Wenn man damals alles gesagt hätte, dann würden wir in Bözberg kein Gaskraftwerk brauchen.» Auch in Sachen Asyl und Fachkräftemangel hat er Fragen. «Im letzten Jahr kamen 160 000 Personen aus EU- und EFTA-Ländern zu uns, 80 000 Personen gingen. Gleichzeitig ist der Arbeitskräftemangel vielerorts die grösste Herausforderung. Wo sind diese Leute?» Qualitative Einwanderung, Leute, die arbeiten wollen, das brauche das Land.
Darauf, dass es durchaus knapp werden könnte, stellt sich die SVP trotz zugesagter Unterstützung der FDP ein. Davon geht auch Landammann Jean-Pierre Gallati aus. «Die Gegenkandidatin ist eine gute, bekannte und aktive Politikerin. Holen Sie alle hinter dem Ofen hervor und motivieren Sie sie, zu wählen», appellierte er an die Parteimitglieder. Eine einzige Stimme könne den Unterschied machen.
Schwung nutzen
Die SVP blickt aber nicht nur ein paar Wochen nach vorne, sondern bereits ein Jahr, wenn im Herbst 2024 die Gesamterneuerungswahlen von Grossrat und Regierungsrat anstehen. «Wir sind am Aufgleisen», sagt Andreas Glarner. Die Arbeit in den Bezirken habe angefangen. «Der Bürger muss einen Nutzen sehen, damit er uns wählt.» Darum sei es wichtig, das Geleistete im Grossrat in den Vordergrund zu stellen. «Das Polizeigesetz etwa mit fixen Radaren. Das ist Abzockerei. Der Bürger will sehen, dass wir dagegen kämpfen.» Dafür sei die Partei auf allen Stufen gefragt. «Die Kantonalpartei kann den Teppich auslegen, aber die grosse Arbeit steht in den Bezirken an.» Schon jetzt kündet Glarner an: «Unser Wahlkampf wird eher laut als leise. Wir wollen den Schwung nutzen.»