«Das sind Killer, keine Kuscheltiere»
20.05.2025 Region Oberfreiamt, NaturDer jüngste Anlass auf dem Freiämter Sagenweg stand ganz im Zeichen der Eulen
Zur «Eulenzeit» sind sie in Massen gekommen, die Kultur-, Geschichts- und Naturfans aus der Region. Der Geburtstag des Themenwegs wurde ...
Der jüngste Anlass auf dem Freiämter Sagenweg stand ganz im Zeichen der Eulen
Zur «Eulenzeit» sind sie in Massen gekommen, die Kultur-, Geschichts- und Naturfans aus der Region. Der Geburtstag des Themenwegs wurde diesmal mit dem Museumstag kombiniert.
Thomas Stöckli
Nach dem Rundgang dürfen die gefiederten Nachtjäger bestaunt und vorsichtig angefasst werden. Vorsichtig. Schleiereule Loki zeigt, wenn sie genug hat. Blitzschnell schiesst ihr Kopf vor. Und doch zwickt sie die Hand mit ihrem Schnabel nur ganz leicht, ohne die Haut zu verletzen. Eine Warnung, kein Angriff.
Mit Hunden Abstand halten
«Eulen sind Killer, keine Kuscheltiere», hat Marcel Richener, der mit Gabriela Hediger unter «Eulenzeit» die faszinierenden Tiere Interessierten näherbringt, gleich zu Beginn der Veranstaltung betont. Der Uhu etwa steht als weltweit grösste Eulenart bei uns ganz oben in der Nahrungskette: «Er hat keine natürlichen Feinde», so der Eulenkenner. Einen Uhu hat das «Eulenzeit»-Team zwar nicht mitgebracht, aber vier Vertreter der anderen insgesamt acht in der Schweiz heimischen Eulenarten. Nebst der bereits beschriebenen Schleiereule den Waldkauz Ares, die Waldohreule Xenon und den Steinkauz Mimi.
Selbst die kleinste einheimische Eulenart, der Sperlingskauz, könne eine Ratte oder eine Amsel töten, veranschaulichte Richener. Entsprechend empfahl er, mit Hunden Abstand zu halten vor den majestätischen Federtieren. «Ich habe weniger Angst um die Eulen als um die Hunde», hielt er fest.
In Gefangenschaft können Uhus, die Methusaleme unter den Eulen, über 30 Jahre alt werden. Marcel Richener weiss von einem Exemplar im Greifvogelpark Buchs, das 45 Jahre alt wurde. In freier Wildbahn sieht das allerdings anders aus. Da liege die Lebenserwartung bei rund fünf Jahren, wobei die meisten Tiere bereits im ersten Jahr sterben. «Friede, Freude, Eierkuchen gibt es nicht in der Natur», so Richener.
Beeindruckende Erfolgsquote auf der Jagd
Auf dem Rundgang erleben die Teilnehmenden, wie die Eulen hecheln, um ihre Körpertemperatur um 41 Grad zu regulieren. Sie erfahren, dass die Nachtjäger im Gegensatz zu anderen Vogelarten ihr Gefieder nicht wachsen. Als Nachteil davon können sie bei Starkregen nicht jagen, dafür ermöglicht ihnen dies, praktisch lautlos zu fliegen. Gepaart mit dem guten Gehör – «die Schleiereule kann eine Maus auf 300 Meter Entfernung hören und auf zwei Zentimeter genau orten», so Richener –, macht sie dies zu gnadenlosen Jägern, «mit einer Erfolgsquote von über 90 Prozent», sagt er und schiebt zur morbiden Erheiterung ein «Aus die Maus» nach. Trotz des guten Gehörs muss man auf Schallempfindlichkeit keine Rücksicht nehmen. «Schleiereulen können selbst in Kirchtürmen leben», veranschaulicht er. Gegen das Dröhnen der Glocken und ander Lärmquellen können sie sich schützen, indem ihre Vibrationsfedern in den Ohren zuklappen.
Geschichten und Natur
Der Rundgang führt von der Weggabelung bei den irrlichtenen «Brennenden Männern» von Bildhauer und Sagenweg-Mitinitiant Rafael Häfliger über den hochmütigen «Stifeliryter» von Bildhauer und dem anderen Mitgründer Alex Schaufelbühl bis hin zum selbstgefälligen «Zwerg von Muri» von Plastikerin Silja Coutsicos. Es sind drei von insgesamt zwölf Skulpturen und Installationen zu jahrhundertealten Überlieferungen, die der Bevölkerung Wurzeln verleihen, ihr historisch-geografisch ebenso wie moralisch-ethisch Orientierung geben. Dies unweit des Erdmannlisteins, des «Epizentrums der Sagen schlechthin», wie es Schaufelbühl bezeichnet.
Daniela Mettler wurde dem inspirierenden Umfeld mit spannenden Geschichten gerecht, vom gfürchigen Kobold in der Fuchshöhle, der selbst Wolf und Bär vertreibt, ehe ihn die kleine Ameise in die Flucht schlägt, vom Zaunkönig, der den Adler überlistet, und vom Besuch einer Zwergenhochzeit, der einen Jungen zwar die Beerenernte kostet, ihm dafür aber lebenslangen Reichtum beschert. Und fast alle Geschichten hatten einen Bezug zu Eulen, den Marcel Richener dann seinerseits aufgriff, um dem interessierten Publikum weitere informative Details über die Vögel zu vermitteln. Etwa, dass die markante Musterung der Schleiereule tatsächlich durch Federn mit je einem Punkt, analog dem Pfauenauge, gebildet wird.
Magisches Erlebnis
Die ursprüngliche Intention der Sagenweg-Initianten, ein Walderlebnis zu ermöglichen, ist aktueller denn je. «Die Kinder sollen hier das Magische erleben dürfen», bringt es Schaufelbühl auf den Punkt und gerät ins Schwärmen über Moosteppiche sowie Vogelstimmen. «Es gibt so viele Sinne, die hier angeregt werden», sagt der Bildhauer und philosophiert über den Leerraum, der mit ganz viel Überraschendem gefüllt werden kann. Von einer Atmosphäre, welche sich den Leuten öffnet und ihnen ermöglicht, die Skulpturen nachhaltiger zu erleben als in einem Atelier, einem Museum oder an einer Freiluftausstellung in urbanem Umfeld.