Das Happy End ist absehbar
17.01.2025 WohlenDas «Ciné Freiamt» entsteht: Die beiden Kinomacher führen durch die Baustelle, wo in rund einem Jahr das neues Kino steht
Vielleicht könnte man ihre Geschichte verfilmen: Sascha Heubacher und Alfonso Bruchmann bauen ein riesiges Kino in Eigenregie um. Der Freiämter Heubacher will sich damit einen Traum erfüllen. «Ich glaube, es wäre ein guter Film», sagt er. Das Happy End ist nah, wie ein Besuch auf der Baustelle zeigt.
Stefan Sprenger
Warme Luft dringt durch ein Rohr in den kühlen Raum. Hündin Chica spielt mit einem staubigen Ball. Sascha Heubacher und sein Geschäftspartner Alfonso Bruchmann stehen mitten im Foyer des «Ciné Freiamt». Doch es ist noch eine Baustelle. Von einem Kino ist nur wenig zu erkennen.
Bei Toilette 14 macht es Spass
Vor genau einem Jahr haben sie das Dach abgedichtet, die Aussenisolation fertiggestellt. Ende 2024 haben sie zwei Wochen lang die Decke runtergespitzt. 260 m2. «Ein Knochenjob», sagt Heubacher. Auch der Balkon wurde erstellt, die Fenster und die Haupttür montiert – und die 16 Toiletten eingemauert. Dies sei «ein richtiger Scheissjob» gewesen, wie er sagt. «Aber irgendwann, bei Toilette Nummer 13 oder 14, machte es sogar Spass.»
Vieles haben sie selbst gemacht. Sie haben gemeinsam schon einige Häuser umgebaut und deshalb Erfahrung. Hilfe beim aufwendigen Umbau kriegen sie teilweise von der Baufirma von Pitsch Wyrsch, bekannt als Beizer des «Löwen» in Boswil. «Was wir können, machen wir selbst», sagt Bruchmann. «Als Nächstes sind die Wände dran, der Unterlagsboden wird eingegossen. Und schon bald können wir die 6 km lange Bodenheizung im Kinosaal verlegen», sagt Heubacher.
«Es zehrt manchmal an den Nerven»
«Es ist gross. Es braucht viel Koordination. Und es gab wohl schon bessere Zeiten in der Baubranche», sagt Bruchmann und meint damit die Lieferverzögerungen. Denn sie haben den Grossteil des Materials schon bestellt, «aber vieles lässt auf sich warten». Die Kinobühne, die Schallisolierung, die Teppiche, die Stühle, die gesamte Kinotechnik. Alles ist eingeplant, wird irgendwann in diesem Jahr auf den rund 1200 m2 der Liegenschaft verbaut. «Schritt für Schritt machen wir vorwärts», sagt Heubacher. Schritt für Schritt für den Kinotraum.
Ein guter Film hat Höhen und Tiefen, besteht aus guten und schlechten Zeiten, aus ruhigen und aufwühlenden Szenen. Und die Geschichte von Sascha Heubacher, seinem Geschäftspartner Alfonso Bruchmann und dem «Ciné Freiamt» wäre demnach ein Blockbuster (siehe auch Kasten links). Euphorisch sind sie 2019 gestartet.
Der Villmerger Sascha Heubacher, der als junger Mann selbst im Kino Rex arbeitete, ersteigerte sich die Liegenschaft. Der Ex-Banker, der zudem im Immobiliengeschäft tätig ist, wollte sich damit einen riesigen Traum erfüllen. Die aktuelle Szene ihres Films ist positiv, voller Tatendrang, Aufopferung und Durchhaltewillen.
Der 43-jährige Heubacher ist ein Perfektionist. «Wenn wir es machen, dann richtig und genau. Es soll schliesslich einige Jahrzehnte lang halten.» Man spürt und erkennt, dass er langfristig denkt. Das «Ciné Freiamt» ist kein spontaner Schnellschuss, sondern durchdacht. Doch es benötigt viel Geduld, Willen, Geld. Das Kino in Wädenswil haben sie 13 Jahre lang gemeinsam betrieben. Der 30-jährige Bruchmann, der aus Hedingen im Kanton Zürich stammt, und Heubacher vermieteten jenes Kino im Frühling 2023. «Wädenswil. Wohlen. Hin und her. Das ging nicht mehr», sagen beide.
Es ist ein riesiges Projekt, eine grosse Baustelle, ein dickes Ding. Sie setzen sich täglich kleine Ziele. «Ich kenne niemanden, der ein Kino so umbaut, wie wir es machen. Es ist spannend, das Ganze zu begleiten. Und wir lernen jeden Zentimeter des Gebäudes kennen. Aber es zehrt manchmal auch an den Nerven», sagt Heubacher, der nach seiner Zeit als Banker viele Liegenschaften kaufte, umbaute und dann vermietete. Selbst anpacken und in Eigenregie umbauen sei «schön und macht Spass», aber es habe auch Nachteile. Besonders wenn es 1200 m2 sind. «Das ist schon eine andere Liga.»
Dann wird es tiefgründig
Die beiden stehen mittlerweile auf dem Dach des Gebäudes im 1. Stock. Hier waren neun 2½-Zimmer-Wohnungen geplant. Doch das muss warten. «Im ersten Schritt wollen wir das Kino eröffnen, die Wohnungen folgen in einem zweiten Schritt», sagt Heubacher.
Und als die Wintersonne den beiden ins Gesicht scheint, wird das Gespräch tiefgründiger, weicht von der Baustelle weg zum persönlichen Befinden. «Wir arbeiten gerne hier», sagen die beiden. «Die Work-Life-Balance stimmt», sagt Heubacher und erklärt: «Früher auf der Bank, im Immobiliengeschäft, dazu das Kino in Wädenswil. Es war ein riesiger Stress. Das tue ich mir nicht mehr an. Heute haben wir es so schön wie nie zuvor. Wir haben uns sogar einen Hund zugetan. Und wir sind körperlich dank den Umbauarbeiten wohl so fit wie noch nie.» Der Traum vom eigenen Kino wird durch seine bestehenden Immobilien finanziert. Sein Antrieb ist die Vision, dass er in seiner Heimat ein Kino, eine Begegnungsstätte, einen Ort der Freude errichten kann. «Wir wollen das. Wir wollen uns den Traum erfüllen. Wir sind niemandem Rechenschaft schuldig. Wir gehen unser Tempo», sagt Heubacher. Bruchmann meint: «Wir gehen jeden Tag gerne hierher und arbeiten motiviert weiter. Und das ist schon sehr viel wert.» Sie wollen zusammen etwas aufbauen, was den Menschen etwas bringt. «Ein toller Abend im Kino ist etwas Herrliches. Und das Freiamt braucht ein Kino», sagt Heubacher. Dies bewies auch eine Umfrage 2024, wonach 60 Prozent der Befragten in Wohlen am meisten ein Kino vermissen. «Das freut uns und gibt Antrieb.»
Die Baustellenführung geht sodann ins Erdgeschoss. 12 Parkplätze in der Tiefgarage. Toiletten. Umkleideraum. Dazu Küche, Lager- und Produktionsräume für die kulinarische Seite des Kinos. «Der Kinobesuch soll ein Event sein, dazu gehört auch gutes Essen zu erschwinglichen Preisen.» Die beiden haben sich auch dazu schon viele Gedanken gemacht. Wird ihr Kinokonzept funktionieren? Heubacher sagt: «Wenn wir es gut machen, habe ich keine Zweifel.» Er fügt lachend an: «Also wenn jeder, der bei mir nachfragt, wann das Kino fertig ist, dann auch ins Ciné Freiamt kommt, wird es bestens laufen.» Wann eröffnet das Kino? Heubacher: «Wenn wir Glück haben Ende 2025. Sonst 2026.»
Zum Schluss geht es in drei grosse Räume. Die Kinosäle, die einmal für 140, 100 und 50 Menschen Platz bieten werden. Hier werden die Filme gezeigt, die das Publikum im neuen Freiämter Kinotempel begeistern sollen.
«Ich sei wahnsinnig haben einige gesagt, als ich am Anfang von den Plänen erzählt habe», sagt Heubacher. Seine Geschichte rund um dieses Kino wäre jedenfalls filmreif. Weil es Höhen und Tiefen hat und von einem Menschen handelt, der schon ein bisschen wahnsinnig ist, weil er so viel Mut und Risikobereitschaft aufbringt, um sich seinen Traum zu erfüllen. Doch das Happy End scheint aktuell nah und absehbar zu sein. Und zu jedem guten Film gehört ein Happy End.
Sechs Jahre mit Höhen und Tiefen
2018 ersteigerte Sascha Heubacher für 1,25 Millionen Franken die Liegenschaft an der alten Bahnhofstrasse 1. Der Villmerger, der einst im Kino Rex arbeitete, verfolgte daraufhin einen grossen Traum. Er wollte das Gebäude umbauen, der Region ein Kino schenken. Aus dem Kino Rex soll «Ciné Freiamt» werden. Drei Kinosäle, ein Foyer, ein Bistro und neun 2½-Zimmer-Wohnungen.
Baustart im Frühling 2019
Nach der Ersteigerung folgten viele Abklärungen und die Umbaubewilligung im Frühling 2019. In den ersten rund 2 Jahren standen Ausräumarbeiten an. Im Frühsommer 2021 folgten spektakuläre Arbeiten am Dach. Elf Dachträger, alle 7 Tonnen schwer und 17 Meter lang, wurden demontiert. Die alte Decke des Kino Rex hielt über 60 Jahre lang, ist aber nicht mehr brauchbar und es benötigte ein neues Dachkonstrukt. Heubacher packte schon damals selbst an und war quasi Bauleiter. Damals hoffte er auf eine Teileröffnung im Herbst 2021. Im Frühling 2022 sollte das «Ciné Freiamt» vollumfänglich fertig sein. Er hielt es sich aber offen – auch wegen Corona.
Verzögerungen im Jahr 2022
Ende 2021 und 2022 hatte Heubacher eine kurze Zeit lang gesundheitliche Probleme. Zudem befand sich seine Firma, die Ciné Immo aus Zug, in Liquidation. Auch beim Baumaterial kam es zu Verzögerungen. Es folgte der Baustopp. Es ging nicht mehr weiter. Heubacher sagte aber jederzeit: «Das Kino kommt, wir ziehen das durch. Es dauert eben etwas länger.» Er hält Wort. Der Konkurs seiner Firma wird im Februar 2023 abgewendet. Er sagte damals: «Die Steine, die uns in den Weg gelegt wurden, sind weggeräumt. Es kann weitergehen.» Im April 2023 vermietete er sein Kino in Wädenswil «um sich voll um das Kino in Wohlen zu kümmern». Das tat er. Im Frühling 2024 gingen die Arbeiten auf der Kino-Baustelle weiter. Ein Re-Start. Mittlerweile sind Fenster und Haupttür montiert. Und voraussichtlich 2026 soll «Ciné Freiamt» eröffnen. --spr