Auf der fernen Insel
22.12.2023 Rudolfstetten, MutschellenBeat Stocker aus Rudolfstetten-Friedlisberg eröffnete vor 1,5 Jahren in der Karibik ein kleines Hotel
Rund 2,5 Flugstunden von Miami und 100 Kilometer von der südamerikanischen Küste entfernt liegt die Insel Bonaire. Hier betreibt Beat Stocker aus ...
Beat Stocker aus Rudolfstetten-Friedlisberg eröffnete vor 1,5 Jahren in der Karibik ein kleines Hotel
Rund 2,5 Flugstunden von Miami und 100 Kilometer von der südamerikanischen Küste entfernt liegt die Insel Bonaire. Hier betreibt Beat Stocker aus Rudolfstetten zusammen mit seiner Partnerin Corinne Harder das Hotel «Sonrisa» mit zwölf Zimmern. Das Paar möchte nirgendwo anders sein.
Roger Wetli
«Eigentlich hatten wir uns gemeinsam nach einem Hotel in der Schweiz umgesehen, welches wir übernehmen könnten», schmunzelt Beat Stocker in die Kamera seines Laptops. «Wir fanden aber nichts Passendes und sahen schliesslich auf der Insel Bonaire dieses kleine Hotel zum Verkauf ausgeschrieben. Da haben wir nach reif licher Überlegung zugeschlagen.» Stocker und seine Partnerin kannten die Karibikinsel von verschiedenen Tauchferien. Im Frühling 2022 füllten sie einen Umzugscontainer mit Waren und zogen nach Bonaire. Heute sagen beide: «Wir sind definitiv angekommen und fühlen uns sehr wohl.»
Wochenende kaum spürbar
Der 54-jährige Beat Stocker wuchs in Dietikon auf und wohnte zuerst 13 Jahre in Berikon und anschliessend 5 Jahre in Rudolfstetten-Friedlisberg. Von hier aus siedelte er schliesslich auf die Insel um. Stocker sieht sich als Allrounder, der zuvor bereits selbstständig war. Corinne Harder stammt aus der Ostschweiz und arbeitete in der Migrosbäckerei Jowa. «Im Hinblick auf eine Pacht oder den Kauf eines Hotels in der Schweiz machte ich das Schweizer Wirtepatent. Dieses nützt mir jetzt sehr viel», ist Stocker dankbar. Ihn stört es nicht, dass er als Hotelbetreiber nun dauerhaft sieben Tage die Woche arbeitet. Er merke eigentlich gar nicht, wann gerade Wochenende sei. «Einzig der Verkehr auf Bonaire wirkt anders, wenn viele Einheimische frei haben.»
Ihr Hotel Sonrisa liegt am Rande der Hauptstadt von Bonaire. 3500 Einwohner leben in der Ortschaft. Das Stadtzentrum ist in rund zehn Minuten zu Fuss erreichbar. Das hat für das Paar grosse Vorteile: «Auf Bonaire gibt es keinen öffentlichen Verkehr. Wer weiter weg will, muss ein Auto mieten», gibt Beat Stocker Einblick. «Wir tischen unseren Gästen jeden Morgen Frühstück auf, kochen aber nur an drei Abenden pro Woche. Für die anderen vier Abendessen empfehlen wir verschiedene Restaurants in der Umgebung.»
Maximal 24 Gäste
Stocker schätzt die Überschaubarkeit seines Hotelbetriebs. Trotz der zwölf Zimmer und dem Platz für maximal 24 Gäste könnten sie gut vom Einkommen leben. Mittlerweile beschäftigen die beiden vier Mitarbeiter. Aber nicht nur die Hotellerie bieten sie an. Das Paar verfügt über eigene Mietautos, organisiert Ausflüge und Tauchkurse. Es kocht, kümmert sich um die Administration und Infrastruktur und baute auf der Parzelle nebenbei in Eigenregie sein eigenes Haus mit zwei weiteren Gästezimmern. «Es wird für uns bald etwas ruhiger», lächelt Stocker. «Als wir hier ankamen, bewohnten wir eines der Hotelzimmer selbst und renovierten die Zimmer und das Hotel generell. Das alles quasi neben dem Gästebetrieb.»
Der Rudolfstetter wirkt tiefenentspannt, während er von diesen intensiven Anfangsmonaten erzählt. «Den Druck, den man in der Schweiz verspürt, lassen wir hier gar nicht zu», betont er. Dazu trägt sicher auch das Klima bei. Denn auf Bonaire verharren die Temperaturen das ganze Jahr zwischen 28 und 32 Grad Celsius. Die Tag-Nacht-Unterschiede sind dabei minim. «Zum Glück weht immer der Wind, sonst wird es aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit fast ein wenig zu warm, um zu arbeiten. Aktuell regnet es manchmal am Morgen. Sonst ist es meist trocken», so der Hotelbetreiber. Die Speisen werden deshalb meist draussen aufgetischt. Auch die Küche ist so angeordnet, dass der Wind optimal durchzieht. Beat Stocker betont, dass ihr Umzug nach Bonaire keine Kurzschlussreaktion gewesen sei. «Wir haben uns das gut überlegt.» Die Insel gehört politisch als «Besondere Gemeinde» zu Holland. Entsprechend ist Niederländisch eine Hauptsprache, welche seine Partnerin und er nach und nach lernen. Ebenso oft wird Englisch gesprochen. «Dank der Nähe zu Holland müssen wir hier keine Angst vor einem plötzlichen politischen Umsturz haben. Zudem gibt es in unserer Gegend praktisch keine Unwetter. Die Hurrikans ziehen viel weiter im Norden durch.»
Fondue unter tropischer Sonne
Die Gäste von Corinne Harder und Beat Stocker stammen aus der ganzen Welt. Die beiden freuen sich aber auch immer wieder über Besuch aus der Schweiz. Aus ihrer Heimat haben sie die penible Sauberkeit mitgenommen. «Der Wind weht immer wieder etwas rein. Seit einiger Zeit beschäftigen wir einen jungen leicht geistig beeinträchtigten Mann dafür. Er durfte zuvor nie arbeiten und erledigt jetzt für uns kleinere Aufgaben. Er ist mit Herzblut dabei. Da er auch unsere Mietautos putzt, gehören sie wohl zu den saubersten auf Bonaire», ist Stocker dankbar.
Wer Bonaire besucht und dabei tiefe Preise erwartet, täuscht sich. «Das Leben ist hier teurer als in Deutschland und etwas günstiger als in der Schweiz», stellt Beat Stocker fest. «Ausser Eiern müssen sämtliche Lebensmittel auf die Insel transportiert werden. Der Hafen ist klein. Deshalb werden Waren aus Containern auf der grösseren Nachbarinsel Curaçao umgeladen. Viele Lebensmittel stammen aus Holland. Eine Container-Lieferung dauert zwischen zwei und drei Monate.» Nicht immer sei gerade alles verfügbar. Improvisation sei etwa dann gefragt, wenn es aus nicht nachvollziehbaren Gründen plötzlich keine Bananen mehr zu kaufen gebe. Aktuell erhalte man gerade kein Nutella. Entsprechend lagert das Paar grössere Mengen Lebensmittel im Hotel. Da findet man auch den extra aus der Schweiz importierten Fondue-Käse. Jeweils am Sonntag tischen sie diesen in aus der Schweiz mitgebrachten Caquelons auf. «Bei uns gibt es also Fondue in tropischer Atmosphäre», strahlt Beat Stocker. «Das hat sich mittlerweile auf der Insel herumgesprochen. Es kommen an diesen Abenden auch viele Einheimische.» Allen Angestellten in der Küche haben Corinne Harder und Beat Stocker zudem beigebracht, wie macht Spätzle macht. «Und die zwei bis drei Brotsorten, die wir jeden Abend backen, finden ebenfalls grossen Anklang», ist der Rudolfstetter glücklich.
Was in der Schweiz geschieht, verfolgt er nicht mehr richtig. Generell habe er den Medienkonsum heruntergefahren, die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen nur am Rande wahrgenommen. «Und die Abstimmungsunterlagen erhalten wir frühestens am Donnerstag vor der Abstimmung. Das reicht dann nicht mehr, um mitzumachen. Manchmal bringt sie die Post aber auch erst, wenn alles bereits vorbei ist», nimmt es Beat Stocker gelassen. Kontakte zu Freunden in ihrem Heimatland würden sie regelmässig pflegen. «Wobei uns ein paar bereits hier besucht haben.»
Geschäftsplan bis zur Pensionierung
Auf Bonaire bleiben möchten Corinne Harder und Beat Stocker sicher bis zur Pensionierung. «Unser Geschäftsplan ist auf diesen Zeitrahmen ausgerichtet», gibt der Hotelier Einblick. «Es kommen viele Gäste. Wir sind immer mal wieder ausgebucht. Es läuft sehr gut. Wir bieten ein Rundumpaket im privaten Rahmen an.» Und dass sie vieles selber bauen und reparieren würden, sei ein grosser Vorteil. Übermorgen wird das Paar Weihnachten feiern unter tropischer Sonne. Die Strassenlampen und Kreisel im Ort seien üppig geschmückt. «Wir selber dekorieren unser Hotel eher dezent, was von den Gästen sehr geschätzt wird.» Auch dann werden sie wohl unter freiem Himmel sein. «Das Leben spielt sich hier generell draussen ab. Und es gibt hier weder Krokodile noch Schlangen. Es werden nur ab und zu mal wenige Quallen beim Tauchen gesichtet. Wir haben also nichts zu befürchten», ist Beat Stocker tiefenentspannt.