Alten Werken Sorge tragen
08.08.2025 Wohlen, Arbeit«Meine eigene Chefin»: Isabelle Rippmann hat sich als Restauratorin selbstständig gemacht
Der Werkhof der Bleichi wird aktuell in ein Kulturzentrum umgebaut. Mit Kultur und Kunst beschäftigt sich auch Isabelle Rippmann, die in diesen Räumen ein ...
«Meine eigene Chefin»: Isabelle Rippmann hat sich als Restauratorin selbstständig gemacht
Der Werkhof der Bleichi wird aktuell in ein Kulturzentrum umgebaut. Mit Kultur und Kunst beschäftigt sich auch Isabelle Rippmann, die in diesen Räumen ein Atelier gemietet hat. Als Restauratorin trägt sie dazu bei, bestehende Werke zu erhalten. Und fühlt sich dabei manchmal wie eine Detektivin.
Chregi Hansen
Seit letztem Herbst führt Isabelle Rippmann ihr eigenes Atelier in Wohlen. Noch kann sie davon nicht leben, nimmt sie auch Aufträge von Museen an oder beteiligt sich an verschiedenen Projekten. «Restaurator ist in der Schweiz kein Boomberuf. Niemand hat auf mich gewartet», ist sie sich bewusst. Und trotzdem hat sie sich den Wunsch erfüllt, selbstständig zu sein. «Hier in der Bleichi finde ich optimale Voraussetzungen. Das hat den Entscheid sicher beeinflusst», sagt sie.
Aktuell ist es ruhig im ehemaligen Werkhof. Die eigentliche Eröffnung des Kulturwerks mit der grossen Konzerthalle als Zentrum ist für den Herbst geplant. Einige Künstlerinnen haben Räume gemietet, ab und zu braut der Verein Bünzwasser sein Bier, die Kunstkommission geht ein und aus. Und eben: Das Atelier von Isabelle Rippmann befindet sich hier. Dass sie ab und zu allein ist, stört sie nicht. «Manchmal bin ich völlig in meine Arbeit versunken. Meine Tätigkeit hat teilweise auch etwas Meditatives», sagt sie. Sie schätzt aber auch den Austausch mit den anderen Nutzern, hat bei der Sanierung tatkräftig geholfen. «Ich freue mich, wenn es hier richtig losgeht», macht sie deutlich.
Erst konservieren, dann restaurieren
Aufgewachsen ist Rippmann in Auw, später hat sie die Kanti in Wohlen besucht. 2018 machte sie an der Hochschule der Künste in Bern ihren Masterabschluss in Konservierung und Restaurierung im Bereich Gemälde und Skulpturen. Doch wie kam sie dazu, sich für dieses spezielle Studium zu entscheiden? «Ich wollte früher immer gestalterisch im künstlerischen Bereich tätig sein. Aber ich interessiere mich auch sehr für die Naturwissenschaften. In meinem Beruf kann ich beides kombinieren», sagt sie schmunzelnd. Denn als Restauratorin muss sie viel über Kunst, die verschiedenen Epochen und Stile wissen, Aber auch gute Kenntnisse über die eingesetzten Materialien haben.
Wenn sie ein neues Bild erhält zum Restaurieren, dann macht sie sich wie eine Detektivin an die Untersuchung. Wie ist es gemalt, welche Farben wurden eingesetzt, wie ist der Pinselstrich, welche Schäden sind vorhanden? Und wurde es allenfalls schon einmal restauriert und wenn ja wie? «Es gilt in unserem Beruf heute der Grundsatz: Mache so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig», erklärt sie. Erstes Ziel sei immer, das noch original Vorhandene zu erhalten. Beispielsweise Farbe zu sichern, die abzublättern droht. Oder das Werk von Jahrhunderte altem Schmutz zu befreien. Erst kommt also das Konservieren, dann das Restaurieren. «Früher war das anders. Da wurde viel Grossflächiger ausgebessert und auch übermalt», weiss die Expertin. Heute sei man meist zurückhaltender, sind die Eingriffe geringer. Natürlich, falls irgendwo einige Farbpunkte fehlen, so werden diese retuschiert. «Aber ich würde nicht ein ganzes Gesicht neu malen», so Rippmann. Ausser, der Kunde oder die Kundin wünscht dies explizit. Dann muss man eine Lösung finden. «Oft bleibt meine Arbeit unsichtbar.»
Lange in Deutschland gelernt und gearbeitet
Trotz ihres jungen Alters kann die Freiämterin, die heute in Bremgarten lebt, auf viel Erfahrung zurückgreifen. Schon vor dem Studium hat sie verschiedene Praktika absolviert, ist dafür sogar nach Deutschland gezogen. Studiert hat sie sowohl in Dresden wie auch in Bern. «In Dresden gibt es viele grosse Museen und Galerien und damit auch entsprechend viel Arbeit und Wissen», sagt sie. Auch während des Studiums hat sie in ganz verschiedenen Ateliers gearbeitet und sich weiter entwickelt. Nach dem Masterabschluss ging sie wieder für eine Zeit zurück nach Deutschland, arbeitete beispielsweise während mehr als drei Jahren als Restauratorin im Augustinermuseum in Freiburg. «In der Schweiz ist es nicht einfach, eine Stelle zu finden. Viele Restauratoren arbeiten selbstständig», erzählt Rippmann. Zuletzt war sie im Atelier von Michael Kaufmann in Muri tätig. Nun also der Schritt in die Selbstständigkeit.
In ihrer Arbeit hat sie viel mit Kunstwerken zu tun. Sieht sie sich selber auch ein wenig als Künstlerin? «Nein, das bin ich nicht», antwortet sie sofort. Aber sie sei auch keine reine Handwerkerin. Ihre Tätigkeit liegt irgendwo dazwischen. Und erfordert vor allem gute naturwissenschaftliche Kenntnisse. «Manchmal ist man am Tüfteln, um das richtige Material zu finden oder um zu wissen, was wie reagiert. Man muss kreativ sein, auch beim Einsatz der Werkzeuge. Es kommt vor, dass ich bei der Arbeit medizinische Geräte nutze», erzählt sie. Diese Kombination kommt ihr entgegen. Sie malt zwar selber in der Freizeit, aber ohne den Drang, diese Werke auszustellen.
Offen sein für Neues
Das Interesse an der Kunst und den Anspruch, Vorhandenes zu bewahren, wurden ihr schon früh eingepflanzt. Eine Tante von ihr war Künstlerin, lebte in einem alten Haus mit vielen alten Möbeln und Gegenständen. «Das hat mich sicher geprägt», so Rippmann. Man soll das Vorhandene wertschätzen und nicht immer gleich ersetzen, so ihre Devise. In der Arbeit wird sie mit den verschiedensten Kunstwerken aus unterschiedlichen Epochen konfrontiert. «Es braucht eine gewisse Liebe zu den Werken. Und man muss offen sein für Neues. Es spielt auch keine Rolle, wie wertvoll ein Werk ist. Wenn ein emotionaler Bezug besteht, kann sich eine Restaurierung lohnen, wenn es finanziell wenig Sinn macht», sagt sie.
Selber hat sie sich auf Leinwandgemälden, Tafelbildern auf Holz oder Metall, Zierrahmen und Skulpturen spezialisiert. Neben den eigentlichen Ausbesserungsarbeiten wird jeweils auch eine Dokumentation erstellt mit den Resultaten der Voruntersuchung, den durchgeführten Massnahmen sowie der verwendeten Materialien. «Ich bespreche mit den Kunden immer ganz genau, was sie sich wünschen und was ich ihnen anbieten kann.»
Doch wer kommt in ihr Atelier. «Es sind die verschiedensten Menschen», sagt sie. Liebhaber der Kunst, aber auch Nachkommen, die ein altes Werk vererbt bekommen oder im Nachlass gefunden haben. Aber auch Museen und Galerien. «Gerade Museen sind mit viel anderem beschäftigt, die vergeben solche Arbeiten oft auswärts», weiss sie aus Erfahrung, war sie doch schon für verschiedene Institutionen tätig.
Viel gelernt durch den Schritt in die Selbstständigkeit
Noch steht sie ganz am Anfang, doch nach und nach kommen mehr Aufträge herein. «Es braucht Zeit, sich einen Namen zu machen. Man muss sich erst ein Netzwerk aufbauen.» Mit dem Start ist sie zufrieden. Und es stört sie nicht, dass mit einem eigenen Geschäft auch zusätzliche Aufgaben auf sie zukommen, etwa im administrativen und finanziellen Bereich. «Das kann man alles lernen», sagt sie schmunzelnd.