Die eigenen Grenzen ausloten
11.07.2023 Region Oberfreiamt, Waltenschwil3026 Kilometer zu Fuss
Waltenschwilerin wanderte durch Neuseeland
Sie durchwanderte ein ganzes Land hauptsächlich zu Fuss: Mit einem Rucksack voller Erfahrungen blickt Maureen Füglistaler auf ein Abenteuer zurück.
...3026 Kilometer zu Fuss
Waltenschwilerin wanderte durch Neuseeland
Sie durchwanderte ein ganzes Land hauptsächlich zu Fuss: Mit einem Rucksack voller Erfahrungen blickt Maureen Füglistaler auf ein Abenteuer zurück.
Weihnachtswoche 2022. Gediegen lässt sich eine Gruppe auf dem Whanganui River auf der Nordinsel Neuseelands treiben. Unter ihnen Maureen Füglistaler aus Waltenschwil. Beschwerliche Wochen sind vorausgegangen. Ein Zyklon brachte wochenlange Regenfälle mit sich, während die 33-Jährige ihre Route vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Neuseelands angetreten hat.
Rund 23 Kilometer legte sie im Schnitt pro Tag zurück. Insgesamt 129 Tage dauerte die Wanderung. 10 Tage am Stück war sie nur mit Proviant und Zelt ausgestattet unterwegs. «In diesen Momenten erlebt man echtes Abenteuer.» Dabei verfolgte sie ein Ziel: sportlich an ihre Grenzen zu kommen. --cbl
Die Waltenschwilerin Maureen Füglistaler erlebte auf der anderen Seite der Welt ein besonderes Abenteuer
Auf 3026 Kilometern wanderte Maureen Füglistaler vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Neuseelands. «Eine geile Erfahrung», resümiert sie. Und das, obwohl sie nicht ganz das gefunden, wonach sie eigentlich gesucht hat.
Celeste Blanc
Regenfälle, Überschwemmungen, Erdrutsche. Ein Zyklon, der über das Land fegt und ein Jahrhundertunwetter mit sich bringt. Wie extrem die Wetterverhältnisse in Neuseeland waren, darüber berichteten diesen Winter auch die hiesigen Nachrichten. Und dort, gut 18 700 Kilometer von der Heimat entfernt, wanderte Wandervogel Maureen Füglistaler einmal durch das ganze Land. «Es waren nicht umbedingt die idealen Voraussetzungen», meint sie lachend.
Die 33-Jährige strahlt Gelassenheit pur aus. Nichts kann die Laune der langjährigen Fussballerin des FC Wohlen trüben. Nicht einmal, als es während ihrer Wanderschaft praktisch zwei Monate durchregnete.
Worauf es wirklich ankommt
Füglistaler geht gerne an ihre Grenzen. Schon vor zehn Jahren verbrachte sie sechs Monate in Asien. Nebst einer Anstellung als Fussballcoach in einer Schule in Shanghai wanderte sie durch verschiedene Länder, darunter auch Nepal. «Mir gefällt, einfach zu sein», erklärt sie. Also im Hier und Jetzt präsent zu sein und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. «So viel wird heute in unserer Gesellschaft erwartet. Es gilt, Anstandsregeln zu befolgen und sich gesellschaftlichen Normen anzupassen.» Das brauche es natürlich, weiss die junge Frau. «Aber wenn man so rudimentär unterwegs ist, wird einem wieder bewusst, worauf es wirklich ankommt und wie wenig es eigentlich im Leben tatsächlich braucht.»
Deshalb entschied Füglistaler letztes Jahr, sich noch einmal auf Fernwanderung zu begeben. Auf ihrer Liste standen der Jakobsweg nach Santiago de Compostela in Spanien oder der Pacific Crest Trail (PCT) in Kalifornien. Ungeeignet für die Jahreszeit, in der sie los wollte. Im Spätherbst sollte die Wanderung starten und so stiess sie bei Recherchen auf den «Te Araroa»-Wanderweg, der einmal quer durch Neuseeland führt.
Proviant für einen Monat vorschicken
So führte sie das Abenteuer an das andere Ende der Welt. Füglistaler kündete ihre Wohnung in Wohlen und nahm unbezahlten Urlaub. 3026 Kilometer wanderte sie vom nördlichsten Punkt Cape Reinga zum südlichsten Punkt Bluff. Dafür durchlief sie einmal beide Inseln. «Unterschiedlicher könnten diese nicht sein», erzählt die Autolackiererin, die seit 15 Jahren bei der Carrosserie & Spritzwerk Heinrich in Wohlen angestellt ist. Die Nordinsel imponiere durch ihre Vielfalt – hier wechseln sich Dschungel, Wüstenabschnitte, kilometerlange Strände und Vulkanlandschaften ab. Zudem passiere man immer wieder eine Ortschaft und Zivilisation. «Die Südinsel hingegen ist ein absoluter Aussteigerort.» Das stellte sie planerisch vor eine Herausforderung. Da nur wenig Einkaufsmöglichkeiten bestehen, musste man sich von der Stadt Wellington Proviant für über 30 Tage an verschiedene Orte im Voraus senden. «Ich habe mich praktisch nur von Ramen-Nudeln ernährt.»
Für die Fussballerin, die nun wieder im alten Heimatdorf Waltenschwil wohnt, hielt die Wanderung viele lehrreiche Momente bereit. Fokussieren auf das, was wichtig ist. Nicht allen Sorgen aus dem Alltag zu viel Wichtigkeit beimessen. «Vor allem aber habe ich gelernt zu essen, was es gibt, und da nicht heikel zu sein», sagt sie. Füglistaler lacht. Zu viele Anekdoten kommen ihr bezüglich des Essens in den Sinn. So erzählt sie von einem Wanderkollegen, der eine Zitrone im Rucksack mittrug. «Wie Hyänen haben wir uns auf die Frucht gestürzt. Für 10 Personen gab es nur einen Schnitz. Aber wir waren froh, wieder einmal in etwas Frisches zu beissen.» Dass die Zitrone dabei nicht mehr die Frischeste war, habe ganz und gar nicht gestört.
Viel Menschlichkeit gespürt
Mit einer mehr oder weniger festen Gruppe bestritt Füglistaler die Reise. Mal gingen die Wege auseinander, an anderen Orten kreuzten sie sich wieder. Auch allein war die junge Frau unterwegs. «Das war gar kein Problem», betont sie. Denn nicht nur eine gute Vorbereitung und Planung helfen, auf der langen Route sicher durch das Land zu kommen. Auch die «Trail Angels» (dt: Strecken-Engel), eine Gruppierung von Freiwilligen, stehen den Wanderern zur Seite. Sie stellen ihnen fortlaufend Informationen über digitale Kanäle zur Verfügung, bieten Übernachtungsmöglichkeiten an, helfen in der Not weiter und offerieren teilweise sogar Verpflegungen. Einer sei sogar einmal die Woche auf einen Berg gewandert, um in der Trail-Wanderhütte frisches Wasser und Snacks zu deponieren. «Die Fürsorge für die Mitmenschen war schon ein überwältigender Teil der Reise.»
Nicht gefunden, wonach sie gesucht hat
Tolle Menschen, schöne Natur – Füglistalers Abenteuer war gespickt mit einzigartigen Momenten. Und sie ist dankbar, dass alles gut gegangen ist. Denn eine solche Wanderung kann auch ihre Gefahren bergen. «Da ist gesunder Menschenverstand gefragt», weiss sie. Vor allem die Wetterlage konnte zu heiklen Situationen führen. Beispielsweise, als ein Gewitter aufzog, als man eine Bergetappe machen wollte. «In diesen Momenten muss man sich einfach eine neue Route suchen.» Sie selbst musste mehrere Male einen anderen Weg gehen und somit zusätzliche Kilometer in Kauf nehmen. «Und natürlich dankbar für das Glück sein, das einen auf dem Weg begleitet hat.»
Die sportliche Herausforderung, die sie gesucht hat, habe sie aber nicht gefunden. «Ich wollte den Moment erleben, in dem ich an meine Grenzen komme. In dem ich mich hätte überwinden müssen.» Dazu sei es während der ganzen vier Monate aber nur einmal gekommen. Und zwar am 99 Miles Beach, wo die Strecke entlang eines Strandes führte. Mehrere Kilometer auf Sand zu marschieren, das haben sogar ihre trainierten Beine gemerkt. «Und als die Blasen dazukamen, musste sogar ich mal fluchen.»