300 Jahre nach seinem Tod
12.09.2023 Region OberfreiamtIn einer neuen Ausstellung sprechen 20 Charaktere über das Leben des Abtes Plazidus Zurlauben
«Von Söldnern, Geld und Macht» heisst die Ausstellung zum 300. Todestag des Abtes Plazidus Zurlauben. Sie beleuchtet seine Familiengeschichte, lässt aber ...
In einer neuen Ausstellung sprechen 20 Charaktere über das Leben des Abtes Plazidus Zurlauben
«Von Söldnern, Geld und Macht» heisst die Ausstellung zum 300. Todestag des Abtes Plazidus Zurlauben. Sie beleuchtet seine Familiengeschichte, lässt aber auch die einfachen Leute um ihn herum sprechen. Die Vernissage fand beim Schloss Horben statt, samt Einblick in die ehemalige Sommerresidenz des Abtes.
Annemarie Keusch
Es ist eine der Geschichten. Eine eines einfachen Mannes. Bonaventura Suter hiess er, war Barbier im Kloster. Brigitte Zimmermann, die zusammen mit Thomas Frei die Ausstellung kuratiert, befasste sich mit seinem Alltag. «Alle vier Wochen hat er die Tonsur der Mönche schön herausgeputzt, die Bärte alle zwei Wochen», weiss sie. Ein gottesfürchtiger Mann sei er gewesen, jeden Tag ging er zur Messe. Aber, was Zimmermann besonders fasziniert, Suter war sich schon vor 200 Jahren bewusst, dass Bildung der Schlüssel zum Erfolg ist. Vor seinem Ableben brachte er tausend Gulden in eine Stiftung ein. Mit diesem Geld wurde ein Schulmeister engagiert, der Sommer und Winter Mädchen und Knaben unterrichten soll. «Gleich in zweierlei Hinsicht speziell», weiss Brigitte Zimmermann. Damals fiel der Unterricht im Sommer bei schönem Wetter aus, weil die helfenden Hände auf den Feldern gebraucht wurden, und Bildung war primär Knaben vorbehalten.
Bonaventura Suter sei es zu verdanken, dass 1735 der Schulbetrieb in Muri aufgenommen wurde als eine der ersten Gemeindeschulen im Aargau. «Notabene hundert Jahre bevor die Schulpflicht eingeführt wurde.» Für Zimmermann ist der Barbier ein Beispiel dafür, dass auch vermeintlich einfache Leute Visionen und Weitsicht hatten.
Hinterliessen kaum Primärquellen
Umso wichtiger war es ihr und Thomas Frei, dass in der neuen Ausstellung rund um das Leben und die Familie von Abt Plazidus Zurlauben auch solche Leute zu Wort kamen. «Seine Biografie kann man nachlesen, sein pastorales Wirken ebenso, wir konzentrierten uns auf Menschen aus seinem Umfeld», erklärt Thomas Frei. Menschen, die in der Geschichtsschreibung weniger Platz finden. Warum? «Weil die einfachen Leute bis ins 19. Jahrhundert oft weder lesen noch schreiben konnten, hinterliessen sie keine Primärquellen», erzählt Brigitte Zimmermann. Die 20 Figuren, die über ihre Verbindung zum Kloster und zu Abt Plazidus Zurlauben berichten, seien auf wissenschaftliche Arbeiten und Kommentare von Historikern gestützt.
18 dieser Figuren, die abstrahiert gezeichnet wurden, stehen auf dem Klosterareal in Muri – von der Kirche bis zum Kreuzgang. Eine Figur, Plazidus Zurlauben persönlich, begrüsst die Interessierten beim Schloss Horben, eine weitere Figur ist in der Kantonsbibliothek in Aarau stationiert und eine andere beim Sentenhof. Ob mit einem Audio-Guide oder per QR-Scanner vom Mobiltelefon kann deren Geschichte gelauscht werden. Bis am 12. November ist die Ausstellung «Von Söldnern, Geld und Macht» geöffnet. Nach dem Unterbruch wegen der Weihnachtsausstellung ist sie vom 23. Januar bis 21. April erneut zugänglich.
Auch richtig geheiratet
Die Vernissage der Ausstellung fand beim Schloss Horben statt. Laut Kurator Thomas Frei der Dreh- und Angelpunkt von Plazidus Zurlaubens Leben. Er ging als der Abt in die Geschichte ein, der die Klosterkirche erweitern liess zur jetzigen Form und der das Schloss Horben bauen liess, damals noch als einfachen Holzbau. Wie er es schaffte, zu so viel Geld zu gelangen? Thomas Frei erklärt: «Die Familie Zurlauben aus Zug machte viel Geld damit, dass sie primär Söldner nach Frankreich vermietete.» Aber auch das Salzmonopol diente als Einnahmequelle. Zudem stellten sie über mehrere Generationen Ammänner und Amtsschreiber in der Stadt Zug, aber auch in den Freien Ämtern. «Diese spielten sich gegenseitig in die Hände», weiss Frei.
Dem Zufall wurde nichts überlassen, auch bei Heiraten nicht. Und auch klerikal hinterliess die Familie Spuren. Drei von Zurlaubens Geschwistern und Onkeln waren gleichzeitig wie er Äbte und Äbtissinnen in anderen Klöstern. Auch sie waren eingebunden in die Familiengeschäfte, stellten Einzugsgebiete für das Werben von potenziellen Söldnern zur Verfügung. Themen wie die schweizerische Neutralität werden am Rande beleuchtet und Frei berichtet über die politische Grosswetterlage und davon, dass Plazidus Zurlauben während des Zweiten Villmergerkrieges, «als die Berner im Freiamt Ordnung machen wollten», nach Rotzloch flüchtete, einem dunklen, kalten Ort in einem Seitenarm des Vierwaldstättersees, und später gar ins Ausland. «Es war zu dieser Zeit viel mehr im Spiel als das Kloster Muri, das neu zu bauende Oktogon und das viele Geld», betont Frei.
Einst in Besitz einer Murianer Familie
Für Robert Häfner, Präsident von Murikultur, ist die neue Ausstellung eine Freude. «Plazidus Zurlauben war ein besonderer Abt, weil er auch auf dem politischen Parkett der Eidgenossenschaft und von Europa Spuren hinterliess.» Nun wird sein wirtschaftliches und politisches Wirken neu beleuchtet und das seiner einf lussreichen und weit verzweigten Zuger Familie ebenso. Hier beim Schloss Horben, wo man vor 290 Jahren mit etwas Glück Abt Zurlauben in seiner Sommerresidenz hätte begegnen können, freute er sich, die Ausstellung zu eröffnen.
Genauso interessant wie die Einführung in diese war der zweite Teil der Vernissage. Einblicke in das Schloss Horben sind selten, weil es in Privatbesitz ist. Seit mittlerweile 110 Jahren ist es in Besitz der Familie Borsinger. «Länger, als es damals in den Händen der Benediktiner war», weiss Nicolas Borsinger, der die Gäste empfing. 1739 sei das Schloss in seinem heutigen Umfang gebaut worden, 1913 kam es in Besitz seiner Familie. «Nach der Klosteraufhebung wurde es als Staatsgut verkauft, vor uns war es im Eigentum der Familie Weber aus Muri», weiss Borsinger. Und er weiss vom einstigen Nationalrat Leo Weber, dass dessen Grossvater hier einst einen Kurort aufbauen wollte. «Doch es ging ihm finanziell schlecht, zudem war der Zustand des Gebäudes schlecht. Weil es aber als politische Provokation empfunden wurde, wenn er das Schloss der Kirche zurückgegeben hätte, riet ihm der Bischof, eine reiche, katholische Familie zu suchen, die das Gut retten wollte.» Sein Urgrossvater hörte davon und kaufte das Schloss. «Zwölf Monate später brach der Erste Weltkrieg aus, das Ende des Familienvermögens», weiss Borsinger, dessen Vorfahren als Hoteliers in Baden reich wurden.
Im Winter unbewohnbar
«Ganz nah am Paradies», sagt Nicolas Borsinger. So sei es hier im Schloss Horben an schönen Tagen. Der Ausblick über den Zugersee, die Ruhe. «Ich habe auf vier Kontinenten gelebt, aber keinen schöneren Platz gefunden.» Aber es sei nicht immer so. Weil im ganzen Haus nur ein Kachelofen steht, sei es im Winter unbewohnbar. Zudem spricht Borsinger von einer Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit, von einer enormen Verantwortung. Mit seinem Einblick sorgte er aber vor allem für eins: viel Faszination.