BRIEF AUS FLORIDA
31.10.2023 Kelleramt, Kolumne, MeinungenJoe Huber, Fort Myers.
Gleiche Gründe
Als hätten wir nicht schon genug andere Probleme, scheint in Amerika ein neuer Nationalsport zu entstehen: das Streiken. Die Hollywood-Sippe kann von mir aus ...
Joe Huber, Fort Myers.
Gleiche Gründe
Als hätten wir nicht schon genug andere Probleme, scheint in Amerika ein neuer Nationalsport zu entstehen: das Streiken. Die Hollywood-Sippe kann von mir aus für immer streiken, denn die tragen gar nichts zur Verbesserung der Welt bei, ganz im Gegenteil. Sie sind mit der Produktion von Mord- und Totschlag-Filmen ein nicht unwesentlicher Grund für diese vielen sinnlosen Massenschiessereien. Wenn jemand halt den ganzen Tag ständig Ballerfilme im TV und im Kino zu sehen bekommt, muss man sich nicht wundern, wenn so einer durchdreht, zur Nachahmung dieser Gräueltaten angestachelt wird und dann selber zur Waffe greift.
Den schon seit Wochen andauernden Streik der Autofabrik-Arbeiter-Gewerkschaft muss man eher ernst nehmen. Zurzeit haben zwar nur rund 20 Prozent aller Arbeiter die Werkzeuge niedergelegt, wenn sie aber mit ihren Forderungen nicht durchkommen, macht der Rest ziemlich sicher auch mit und das hätte wirtschaftlich katastrophale Folgen. Schliesslich wäre es einer der wichtigsten Industriezweige Amerikas, der nichts mehr produziert. Die Forderungen sind happig: 40 Prozent mehr Lohn über die nächsten vier Jahre und Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit auf 32 Stunden. Ich denke, die wissen, dass die das nicht kriegen, aber man muss irgendwo mal anfangen, runtergehen kann man schon, aber nicht rauf.
Trotz diesen unrealistischen Forderungen scheint ein ziemlich grosser Teil der Bevölkerung hinter den Streikenden zu stehen, was im kapitalistischen Amerika überrascht. Wenn man aber bedenkt, dass die Arbeiter während der grossen Finanzkrise 2007/08 auf Lohnerhöhungen verzichtet hatten, weil es damals so ziemlich allen mies ging und sie jetzt in den letzten Jahren wegen der Inflation nun jeden Monat weniger Geld zum Leben zur Verfügung haben, dann darf man sich über diese Aktion überhaupt nicht wundern. In der gleichen Zeitperiode haben natürlich die CEOs der drei grossen Autofirmen tüchtig abgesahnt und so zur Vergrösserung der berühmten Schere zwischen Arm und Reich beigetragen. Sobald der Streik auf einer Seite – oder auch auf beiden – ans Eingemachte geht, wird man sich dann irgendwo einigen.
Ich hatte bei meinem Heimaturlaub im August und September natürlich viele Leute getroffen und fast bei jedem Gespräch wurde im Hinblick auf die nun abgehaltenen eidgenössischen Wahlen ziemlich stark politisiert. Und auch fast bei jedem Gespräch kam ein klarer Rechtstrend durch. Aufgrund dessen habe ich diesen Rutsch erwartet, sonst hätte ich mich gefragt, ob ich wohl mit den falschen Leuten gesprochen oder ob sie alle gelogen respektive das eine gesagt und das andere gemacht haben. So wie 2016 hier in Amerika, als fast alle Leute sagten, sie würden auf keinen Fall Trump wählen und er dann doch gewählt wurde.
Da ich all diese Köpfe gar nicht kannte, nahm ich an den eidgenössischen Wahlen nicht (mehr) teil, ich habe mehr als genug damit zu tun hier in Amerika. Die Gründe, die zu solchen Rechtsrutschen führen, sind aber an beiden Orten genau die gleichen.
Der in Jonen aufgewachsene Joe Huber wohnt seit 1986 in den USA. Lange Zeit in New York, nun in Fort Myers, Florida. Regelmässig berichtet er von seinem Leben und hält seine Gedanken als Auslandschweizer fest.