Abnehmen, was nicht mehr geht
28.01.2022 WohlenDas Angebot der Haushalthilfe der Pro Senectute boomt – eine Mitarbeiterin erzählt
Viele ältere Menschen möchten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen. Wer es nicht mehr schafft, für seinen Haushalt zu sorgen, der kann ...
Das Angebot der Haushalthilfe der Pro Senectute boomt – eine Mitarbeiterin erzählt
Viele ältere Menschen möchten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen. Wer es nicht mehr schafft, für seinen Haushalt zu sorgen, der kann Unterstützung holen. «Es geht dabei oft um mehr als bloss ums Putzen und Einkaufen», sagt Esther Clausen.
Chregi Hansen
«Wir tragen viel dazu bei, dass die Menschen länger zu Hause bleiben können. Und das ist ein gutes Gefühl», sagt Esther Clausen. Und ja, mit der Zeit entstehe manchmal eine enge Beziehung zu den Kunden und Kundinnen. «Sie erzählen mir sehr viel aus ihrem Leben. Sie sind froh, wenn ich bei ihnen bin.»
Seit bald zehn Jahren ist die gebürtige Walliserin, die schon lange in Wohlen lebt, für die Pro Senectute im Bereich der Alltag- und Haushalthilfe tätig. Sie putzt, räumt auf, geht auch mal einkaufen, kocht oder giesst die Blumen im Garten. Wie oft sie vorbeischaut, wird im Vorfeld abgemacht. «Das ist ganz individuell. Bei einer Anfrage geht Einsatzleiterin Maja Kuhn bei der betreffenden Person vorbei und klärt ab, was an Hilfe gefragt ist und wie oft eine Mitarbeiterin vorbeikommen soll», erklärt Clausen. Meistens geht es um ein bis zwei Stunden Unterstützung pro Woche. «Wir übernehmen einfach das, wozu die betreffenden Personen nicht mehr selber in der Lage sind», macht Clausen deutlich.
Vielfältige Einsätze
Und: «Wir erhalten ganz intime Einblicke in das Leben der Menschen. Umso wichtiger ist Verschwiegenheit», macht Clausen deutlich. Sie sieht sich als Hilfe und nicht als Kontrolle. «Es liegt nicht an uns, etwas am Lebensstil unserer Kunden zu kritisieren oder zu hinterfragen. Eine Ausnahme wäre etwa, wenn ich merke, dass jemand nach und nach verwahrlost», erzählt die 57-Jährige. Dann ist sie zu einer Meldung an die Beratungsstelle verpflichtet. In ihrer Arbeit erlebt sie verschiedenste Situationen. «Es gibt diejenigen, die sich in ein anderes Zimmer setzen, während ich putze. Andere hingegen wollen dabei sein, reden und erzählen. Und wieder andere fangen an, auch etwas im Haushalt zu erledigen.» Und sie weiss: Fast alle Kunden und Kundinnen schätzen ihren Einsatz. «Viele sind alt und gebrechlich und gehen kaum noch aus dem Haus. Für sie bin ich eine Verbindung nach draussen.»
Esther Clausen ist gelernte Fachangestellte Betreuung, hat lange in einer Institution für kognitiv Beeinträchtigte gearbeitet. Sie weiss noch genau, wie sie ihre neue Arbeit gefunden hat. «Ich wollte nicht mehr länger abends und am Wochenende arbeiten und habe mich nach einer neuen Stelle umgeschaut. Da habe ich im Coop auf der Pinnwand das Stellenangebot der Pro Senectute gefunden», lacht sie. Die Arbeit habe sie sofort angesprochen. «Ich kann frei einteilen, wie viel ich arbeiten will und wie viele Kunden ich übernehme», erklärt sie. Wie die meisten der Mitarbeitenden schätzt sie es, in einem Teilpensum tätig zu sein. «Mir ist es wichtig, voll und ganz für die betreffende Person da zu sein. Das wäre schwierig, wenn ich von einem Termin zum nächsten hetzen würde.»
Grosse Dankbarkeit spüren
Das Angebot ist nicht gratis für die Kunden. «Wir sind Angestellte, keine freiwilligen Helferinnen», macht Clausen deutlich. Sie hält die geleistete Zeit fein säuberlich fest, «ganz altmodisch von Hand in einem Rapport», wie sie lachend erzählt. Sie mag die Abwechslung in ihrem Beruf und die vielen Geschichten, die sie erfährt. «Und die meisten Kunden und Kundinnen sind sehr dankbar und lassen einen das auch spüren.» Natürlich gebe es auch solche, die einem weniger sympathisch sind. «Aber es ist ja meist nur eine Stunde. Und wenn es gar nicht geht, dann schaut man eben, dass jemand anderes diesen Haushalt übernehmen kann», erzählt die Mitarbeiterin. Aber solche Fälle seien eine seltene Ausnahme. Mit den meisten ihrer Kunden versteht sie sich sehr gut. «Man kommt sich mit der Zeit näher, weiss genau, was jemandem wichtig ist», sagt sie. Es kommt auch mal vor, dass einer der Kunden sie anruft, ob sie ihm etwas besorgen könne auf dem Weg. «Das stört mich nicht. Aber es muss eine Ausnahme bleiben. Wir machen keine 24-Stunden-Betreuung», macht die Mitarbeiterin deutlich. Sie ist überzeugt, dass sie und ihre Arbeitskolleginnen einen wichtigen Beitrag leisten zum Funktionieren der Gesellschaft. «Viele ältere Menschen tun sich schwer, in ein Altersheim zu ziehen oder in eine andere Form des betreuten Wohnens. Oft braucht es da im Vorfeld einen Lernprozess. Dank uns erhalten sie die nötige Zeit.»
Esther Clausen liebt den Kontakt zu den Menschen. Inzwischen gebe es auch immer mehr Migranten und Migrantinnen, die im Alter nicht in ihre Heimat zurückkehren, sondern hier bleiben und Hilfe nötig haben. «Diese Aufträge übernehme ich gerne, da kann ich mein bescheidenes Italienisch verbessern», schmunzelt sie. Sie muss auch lernen, mit den Eigenheiten ihrer Kunden umzugehen. «Die meisten wollen nicht, dass ich den Kühlschrank putze. Was sie darin haben, geht mich nichts an», erzählt Clausen. Und hat keine Mühe, das zu akzeptieren. «Diese Menschen sind nicht bevormundet: Es ist nicht meine Aufgabe, ihnen zu sagen, was sie zu tun haben.» Das würde auch nicht ihrem Stil entsprechen. Sie akzeptiert die Menschen so, wie sie sind. «Diese Unterschiede sind doch gerade das Spannende», meint sie zum Schluss.
Zunahme vor allem auf dem Mutschellen
Zu der Alltag- und Haushalthilfe der Pro Senectute
Maja Kuhn ist bei der Pro Senectute Bezirk Bremgarten für die Koordination der Einsätze im Bereich der Alltag- und Haushalthilfe zuständig. Und wird momentan überrollt von Anfragen. «Wir unterstützen derzeit rund 400 Haushalte, Tendenz steigend», berichtet sie. Vor allem aus dem Raum Mutschellen kommen so viele Anfragen, dass es schwierig wird, alle Wünsche zu erfüllen. «Aber irgendwie geht es immer.»
Am meisten gefragt sei die Hilfe im Bereich der Reinigung. «Viele ältere Menschen sind froh, wenn einmal pro Woche oder alle zwei Wochen jemand vorbeikommt und für Ordnung sorgt», erzählt die Leiterin. Aber die Pro Senectute versteht sich nicht als Reinigungsfirma – genauso wichtig sei der Kontakt zu den Kunden und Kundinnen. «Dank unserem Angebot können viele Menschen länger zu Hause leben. Dafür sind sie dankbar, und das zeigen sie uns auch.» Und wenn die Hilfe im Haushalt aus gesundheitlichen Gründen oder wegen des Alters notwendig ist, wird ein Teil der Kosten durch die Krankenkasse übernommen.
Teilweise jahrelang helfen
Auf 42 Frauen kann sich Kuhn bei der Einteilung stützen. «Bis vor Kurzem hatten wir auch einen Mann, leider hat er uns wieder verlassen», erzählt sie. Die meisten Mitarbeiterinnen arbeiten Teilzeit. Pro Senectute sucht dringend nach Verstärkung. Einsteigerinnen werden geschult und erhalten regelmässig Weiterbildung. «Sie müssen Freude haben am Kontakt mit den Menschen und sich nicht scheuen, an fremden Orten sauber zu machen», erklärt Maja Kuhn die Anforderungen. Nicht angeboten werden alle Formen von Pflegedienstleistungen, dafür bleibt die Spitex zuständig. Diese bietet ebenfalls eine Form der Haushalthilfe an. «Die Spitex kommt bei kurzfristigen Einsätzen zum Zug, beispielsweise nach einem Spitalaufenthalt. Unser Engagement ist hingegen längerfristig. Wir haben Kunden, die betreuen wir seit zwanzig Jahren», erklärt die Einsatzleiterin.
Wichtig sei es, im Vorfeld genau zu klären, was gemacht werden soll. Das passiere oft gemeinsam mit den Angehörigen. «Oft wohnen sie weiter weg und können ihre Eltern nicht regelmässig besuchen. Sie sind froh, wenn wir vor Ort sind», so Kuhn. Die Mitarbeitenden haben denn auch die Pflicht, mögliche Probleme, etwa Demenz oder Verwahrlosung, an die Beratungsstelle zu melden. «Dadurch können sie sich entlasten und wir von der Beratungsstelle kümmern uns darum», macht Kuhn deutlich. Manchmal bleibe eben der Wechsel in ein Heim unvermeidlich. «Aber unser Ziel ist es, dass die Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben können. Dafür setzen wir uns ein», sagt Maja Kuhn. --chh