Ganz nah bei den Kunden
16.07.2021 WohlenDie Wohlerin Ursula Huber wurde mit der Aarauer Buchhandlung Kronengasse ausgezeichnet
Sie ist eine Quereinsteigerin. Und kommt trotzdem bereits zu Titelehren. Zusammen mit Geschäftspartnerin Ursina Boner gewinnt Ursula Huber die Auszeichnung «Buchhandlung des ...
Die Wohlerin Ursula Huber wurde mit der Aarauer Buchhandlung Kronengasse ausgezeichnet
Sie ist eine Quereinsteigerin. Und kommt trotzdem bereits zu Titelehren. Zusammen mit Geschäftspartnerin Ursina Boner gewinnt Ursula Huber die Auszeichnung «Buchhandlung des Jahres». Verdient: denn das Aarauer Geschäft zeigt sich immer wieder sehr innovativ.
Chregi Hansen
«Den Besuch eines Fitnesscenters können wir uns sparen», lacht Ursula Huber, während sie den Besucher durch die Geschäftsräume führt. In einem schmalen Eckhaus mitten in der Aarauer Altstadt belegt die Buchhandlung Kronengasse fünf Etagen. Noch weiter oben wohnt ein 90-jähriger Senior. «Unser Laden ist quasi sein Eingang. Aber wir haben es gut zusammen. Wir bringen ihm auch regelmässig die Post hoch», erklärt die Mitinhaberin.
Dass sie je in einer Buchhandlung arbeiten würde, hätte sich die Wohlerin wohl kaum vorstellen können. Die Tochter von Alt-Oberrichter Werner Huber hat Geschichte und Journalistik studiert und war in der Öffentlichkeitsarbeit und im Marketing für verschiedene Organisationen tätig. Es war ihre Freundin Ursina Boner, die sie in die Buchbranche lockte. Diese ist gelernte Buchhändlerin und hat früher schon in der Kronengasse gearbeitet. Vor vier Jahren konnte Boner das Geschäft übernehmen – und holte sich Huber als Partnerin dazu. «Ich habe schon immer viel gelesen, daher fiel mit der Entscheid relativ leicht», sagt die 49-jährige Wohlerin, die heute in Wettingen lebt.
Schon Nomination allein wäre Auszeichnung genug
Vor rund vier Jahren starteten die beiden. Und nun also bereits die Auszeichnung als Buchhandlung des Jahres. Die Inhaberinnen strahlen. «Wir sind stolz», gestehen sie. Eigentlich sei die Nomination allein schon Auszeichnung genug, erzählt Boner, «denn diese wird von einer Jury aus Fachpersonen vorgenommen. Also von Leuten, die sich auskennen.» Die Wahl selber ist dann ein Publikums-Voting. «Es scheint, dass sich unsere Kunden stark an der Wahl beteiligt haben», erklärt Huber. «Und sie haben sich anschliessend auch sehr mit uns gefreut. Unsere Schubladen und Gestelle sind voll von der geschenkten Schokolade und den vielen Blumen», lacht die Wohlerin.
Nominiert wurde die Buchhandlung Kronengasse für die Idee, den notwendigen Umbau über ein Crowdfunding zu finanzieren. «Das ist etwas Neues für unsere Branche und könnte wegweisend sein», weiss Huber. Sie selber hätten zuerst gewisse Bedenken gehabt, es könnte von den Kunden auch als Bettelaktion angesehen werden. Aber die Idee fiel auf fruchtbaren Boden, viele haben das Geschäft unterstützt – 40 000 Franken kamen zusammen. Bei dieser Aktion war Huber besonders gefragt, hat sie doch bei früheren Arbeitgebern die eine oder andere Fundraisingkampagne mitbetreut und besitzt Erfahrungen im Marketing. «Ja, als Quereinsteigerin bringe ich neue Ideen hinein. Aber letztlich funktioniert so etwas nur als Team. Man muss immer dranbleiben in der Kampagne», relativiert sie.
Kein 08/15-Sortiment
Die Finanzierung ist geglückt, der Umbau in nur zwei Wochen erfolgt. Dabei profitierten Huber und Boner davon, dass beide Ehemänner Architekten sind. Das Resultat überzeugt: Trotz den engen Verhältnissen und den vielen Stockwerken ist der Laden zu einem Bijou geworden. «Die Konkurrenz auf dem Buchmarkt ist gross in Aarau. Die Kunden müssen sich bei uns wohlfühlen und merken, dass wir unsere Arbeit mit Herzblut ausführen», erklärt Ursina Boner das Erfolgsrezept. Angeboten wird kein 08/15-Sortiment, sondern ein riesiges Spektrum. Von Bilderbüchern (eine Leidenschaft von Boner) über Jugendliteratur, Graphic Novels, Belletristik, Sachliteratur bis hin zu Schulbüchern, die auf Bestellung ausgeliefert werden.
Buchabo und die Möglichkeit, sich einschliessen zu lassen
«Natürlich haben wir auch den neuen Roman von Donna Leon im Gestell, aber daneben vielleicht einen unbekannten Autor», so Boner weiter. Diese persönlich gefärbte Auswahl der Titel, die gefällt den Kunden. Das Vertrauen geht so weit, dass die Buchhandlung auch ein Buchabo anbietet. Nach Wählen eines Themenbereichs erhalten die Kunden in einem festen Rhythmus Bücher zugeschickt, welche das Team der Kronengasse auswählt. «Das kommt gut an», berichtet Huber. Ebenfalls sehr gefragt sind die Freitagabende, wenn man sich als Gruppe im Laden einschliessen und bei Apéro und kleinen Häppchen nach Herzenslust schmö- kern kann. «Für Leute, die gerne lesen, ein wunderbares Geschenk», weiss Boner.
Das persönlich gefärbte Sortiment, die gute Beratung und die Kundennähe sind denn auch mitverantwortlich für den Erfolg. Doch finden die beiden selber überhaupt noch Zeit zum Lesen? «Ja, ich lese immer noch viel», antwortet Boner. «Trotzdem wird der Stapel der Bücher, die ich für später zur Seite lege, immer grösser.» Auch Huber ist die Lust an der Literatur noch lange nicht vergangen. «Aber ich lege ein Buch schneller weg, wenn es mir nicht gefällt. Früher dachte ich immer, ich müsse alles zu Ende lesen», lacht sie. Und auch hier ergänzen sich die beiden Inhaberinnen. Während Boner sehr gerne Schweizer Autoren mag, liest Huber viel italienische Literatur. «Und Krimis», wie sie ergänzt.
Sich ärgern über den Kanton
Innovativ zeigte sich die Buchhandlung Kronengasse auch in der Coronazeit. «Unsere Kunden konnten Bücher bestellen, wir haben sie dann per Velo oder Auto ausgeliefert», erklärt Boner. «Wir haben trotz Lockdown fast mehr gearbeitet als sonst», ergänzt Huber. Geärgert haben sie sich über die Tatsache, dass der Aargau die Geschäfte eine Woche vor Weihnachten schloss. «Das ist immer unsere umsatzstärkste Woche. Zu wissen, dass in anderen Kantonen die Buchhandlungen offen sind, machte die Situation doppelt schwierig.»
Doch jammern wollen Boner und Huber nicht. «Man wird nicht reich im Buchhandel, aber wir sind zufrieden. Und können in einem Bereich arbeiten, der uns Spass macht und in den wir Herzblut legen», sagt Ursina Boner. Die Auszeichnung als Buchhandlung des Jahres ist der Lohn für all die Mühen. Dass sie den Titel als erstes Aargauer Geschäft gewonnen haben, freut die beiden doppelt. «Wir profitieren sicher auch von der guten Lage mitten in der Altstadt», weiss Huber. «Aber das allein reicht nicht, es braucht auch immer wieder neue Ideen und Anstrengungen.» Sagts und eilt die Treppen wieder nach unten. Ein Fitness-Abo ist tatsächlich nicht nötig.