Ein- und wieder ausgepackt
20.07.2021 WohlenSommerserie Wasser: Die Bünz hat in Wohlen in den letzten Jahren wieder viel Raum erhalten
26 Kilometer lang ist die Bünz. Knapp 5 Kilometer davon führen über Wohler Gemeindegebiet. Und mitten durchs Zentrum. Doch überall da, wo sich Wasser durch ...
Sommerserie Wasser: Die Bünz hat in Wohlen in den letzten Jahren wieder viel Raum erhalten
26 Kilometer lang ist die Bünz. Knapp 5 Kilometer davon führen über Wohler Gemeindegebiet. Und mitten durchs Zentrum. Doch überall da, wo sich Wasser durch ein besiedeltes Gebiet schlängelt, gibt es meist auch Probleme.
Chregi Hansen
Den Menschen zog es schon immer gerne ans Wasser. Ein Spaziergang entlang der Bünz ist darum Nahrung für die Seele und das Gemüt. Und in Wohlen ist das auf einer langen Strecke möglich. Abgesehen von einem ganz kurzen Abschnitt führen immer Wege entlang des Flusses. Und ist der Zugang zum Wasser möglich.
Das war nicht immer so. Früher brachte die Bünz den Menschen im Freiamt auch Kummer und Sorgen. Weil der Fluss nur über ein geringes Gefälle verfügt, suchte sich das Wasser im Tal immer wieder neue Läufe. Durch Wohlen etwa führten diverse Arme, die je nach Jahreszeit mehr oder weniger Wasser führten und gewisse Quartiere teilweise abschnitten. Zudem kam es periodisch immer wieder zu Überschwemmungen. Sie sorgten dafür, dass das sumpfige Land landwirtschaftlich schlecht nutzbar war, zudem kam es im Dorf immer wieder zu Schäden.
Anfang 20. Jahrhundert nahm der Siedlungsdruck zu. Es brauchte mehr Flächen. Zum Wohnen. Aber vor allem auch für die Landwirtschaft. Der Erste Weltkrieg vergrösserte diesen Druck. So heisst es in einem Protokoll des Regierungsrates von 1918: «In Anbetracht der schweren Kriegszeiten, wobei unser Land immer mehr auf die eigene Produktion angewiesen ist und es klar daher erste Pflicht des Staates sein muss, fruchtbares Gelände vor Überschwemmungen zu schützen und Sumpfgebiete zu fruchtbaren Äckern zu meliorieren, glauben wir, dürfe die Regierung mit der schon seit bald 50 Jahren angestrebten Bünzkorrektion nicht mehr zurückhalten.»
Dem Fluss Land abgetrotzt
Der Mensch reagierte also. Die erste Etappe der Gewässerkorrektion war 1921/1922 der Bau des Büelisacherkanals. Von 1921 bis 1924 wurde die Bünz dann von Waltenschwil bis ins Zentrum Wohlens begradigt und in einen Kanal gelegt. Von 1929 bis 1931 folgte der Abschnitt bis zur Grenze zu Dottikon. Der Fluss wurde eingepackt und in ein schmales Bett gezwängt. Die früher mäandrierende Bünz wurde zu einem monoton verlaufenden Gerinne, das wenig Erholungsraum für die Bevölkerung und Lebensraum für Tiere und Pflanzen bot. Die Begradigung und das Fehlen von Abwasseraufbereitungsanlagen trugen dazu bei, dass die Bünz früher als das schmutzigste Gewässer des Kantons Aargau galt.
Umdenken nach mehreren Überschwemmungen
Der Mensch aber nutzte den so gewonnenen Raum. An vielen Stellen in Wohlen wurde ganz nahe an den Fluss gebaut. Allerdings: Das Wasser lässt sich eben doch nicht so einfach bändigen. Immer wieder kam es in der Folge zu Überschwemmungen. Und weil die Bünz keinen Raum mehr zur Verfügung hatte, überflutete das Wasser Felder, Strassen und viele Keller. Nicht zuletzt die grossen Überschwemmungen in den Jahren 1994 und 1999 sorgten für ein Umdenken. Dazu kam die Erkenntnis, dass Flüsse wichtige Lebensräume sind für verschiedenste Pflanzen und Tiere. Und der Wunsch der Menschen nach nahe gelegenen und ökologisch wertvollen Erholungsräumen.
Darum wurde nun das, was einst mühevoll eingepackt wurde, wieder ausgepackt. Es begann die Zeit der Renaturierung. Die Bünz erhielt dort, wo es möglich ist, wieder mehr Raum. Die erste grössere Renaturierung an der Bünz erfolgte im Jahr 2004 und war ein grosser Erfolg. Die renaturierten Abschnitte wurden rasch zu einem beliebten Erholungsraum. Studien zeigten, dass die Artenvielfalt in den renaturierten Abschnitten beachtlich zugenommen hat. Bald folgten weitere Etappen. Gleichzeitig wurde dem Hochwasserschutz grosses Gewicht beigemessen. Etwa mit dem Bau eines Hochwasserrückhaltebeckens und einem 850 Meter langen Damm. Und der Erhöhung der Uferlinien und Brücken. Letzteres hat sich bei den vielen Niederschlägen der letzten Tage bewährt.
Freude bei Mensch und Tier
Heute ist die Bünz kein langer, gerader Kanal mehr. Zwischen Waltenschwil und Wohlen schlängelt sich das Wasser in mehreren Kurven abwärts. Im Siedlungsgebiet selber waren Korrekturen dann nur im beschränkten Mass möglich. Die Bünz verläuft mehrheitlich gerade, aber die harte Verbauung früherer Jahre wurde entfernt und die Sohlen dem naturnahen Zustand angeglichen. Somit erhielt die Bünz im bestehenden Profil mehr Freiheit, sich ihr Bett in einem gewissen Rahmen selbst zu gestalten. Und vor allem ist (fast) überall der Zugang wieder möglich. Die Spuren der früheren Kanalisierung sind aber immer noch sichtbar, so etwa im kurzen Abschnitt zwischen Zentralstrasse und Bünzstrasse oder nach der Bahnunterführung. Aber solche Abschnitte sind die Ausnahmen.
Auch die Jugend hat die Bünz neu entdeckt. Im Jahr 2014 wurde an der Jugendsession der Wunsch deponiert, entlang der Bünz Sitzstufen zu bauen, damit man sich direkt am Wasser aufhalten kann. Die Politik nahm den Wunsch auf, an drei Stellen in der Gemeinde sind solche Stufen inzwischen erstellt. Und werden seither rege genutzt. Und auch in Sachen Unterhalt wird heute umgedacht. So lässt man die Natur heute mehrheitlich machen und greift nur noch zurückhaltend ein. Die Bünz ist wieder ein gesunder und optisch schöner Lebensraum – und niemandem kommt es heute in den Sinn, ihn als dreckigsten Bach des Kantons zu bezeichnen.
Serie Wasser
Wasser ist nicht nur ein Molekül, sondern ein Menschenrecht und Grundlage für das gesamte Leben auf der Erde. Das Thema Wasser beschäftigt zurzeit auch weite Teile des Freiamts. Mit dem Projekt Wasser 2035 soll eine Ringleitung das Freiamt mit Trinkwasser versorgen. Wasser ist jedoch noch viel mehr. Wie vielfältig Wasser ist, versucht die Redaktion in der gleichnamigen Sommerserie zu präsentieren. Ein Besuch im Reusskraftwerk, auf den Spuren des Bünzersees, der Bunnen auf dem Klosterhof oder von Teich zu Teich sind nur einige der Geschichten, die im Rahmen dieser Serie erscheinen.