Begegnungen brauchen Voraussetzungen
07.07.2020 Wohlen«Was ich schon immer schreiben wollte»: Gastbeitrag von Andreas Weber, Wohlen
In dieser Sommerserie erhalten Persönlichkeiten aus der Region ein Carte blanche und schreiben über ein selbst gewähltes Thema. Heute Andreas Weber, pensionierter Lehrer ...
«Was ich schon immer schreiben wollte»: Gastbeitrag von Andreas Weber, Wohlen
In dieser Sommerserie erhalten Persönlichkeiten aus der Region ein Carte blanche und schreiben über ein selbst gewähltes Thema. Heute Andreas Weber, pensionierter Lehrer und Mitglied des Vereins Sternensaal.
Am 22. Juni erschien die Beilage «Aargauer Altstädte». Und zwar besitzen nicht nur Aarau oder Baden, nein auch Mellingen, Kaiserstuhl und Zurzach Plätze und Örtlichkeiten, die den geneigten Betrachter zum Verweilen einladen. Wer verweilt, trifft Leute, zufällige oder abgemachte Begegnungen, beides essenziell für Gemüt und Wohlbefinden. Beim strengen Lockdown wurde man sich dessen bewusst, «physical distancing» ist um der Sache willen okay, «social distancing» ist auf Dauer ungesund.
Wohlen hat keine schmucke Altstadt, das stimmt und ist historisch einfach erklärbar. Eine Brückenkopfsituation an der Bünz hat sich nicht aufgedrängt, Wohlen war kein Marktflecken mit verbrieften Rechten, hat kein Schloss, nur ein Schlössli, kein Kloster, nur die St.-Anna-Kapelle.
Und jetzt fängt das laute Denken beziehungsweise das Träumen an. Auch Wohlen hat urbanes Begegnungs-Potenzial. Aber man müsste ein bisschen nachrüsten. Die Sommerbar funktioniert, herzlichen Dank an die engagierten Initianten und Betreiberinnen. Das Strohmuseum mit Park hat perfekte Voraussetzungen; man müsste nur noch einen Kaffee oder ein Bier trinken können, wenn man sich auf dem geschmackvollen Gartenmobiliar ausruht oder die Seele etwas baumeln lässt.
Der neue Sternenplatz hat noch unglaubliche Entwicklungsmöglichkeiten. Im Moment ist er ja einfach ein gepflästerter Parkplatz, der nicht gebraucht wird. Gut, ein paar Unentwegte, die auf dem oberen gekiesten Parkplatz regelmässig Pétanque spielen, lassen erahnen, dass eine urbane Freizeitstimmung nicht per se dem mediterranen Südfrankreich vorbehalten sein müsste. Allerdings spielen sie auch auf einem Parkplatz. Und auch dieser wird spärlich von Autofahrern genutzt. Wohlverstanden, ich bin kein Autohasser und fahre ja selber auch, und das nicht einmal ungern. Aber die Frage sei mir erlaubt: Warum haben eigentlich die nicht parkierten Autos Priorität vor den Menschen? Stellen Sie sich einen Platz mit Strassencafés vor, einen grosszügigen Boule-Platz statt eines völlig ungenutzten Lochsteinrasens direkt vor dem Schlössli, schattenspendende Bäume mitten im gepflästerten Areal mit einer Rundbank darunter für junge Eltern oder Grosseltern mit Kindern, ein Bodenschach neben dem zeitweilig als Bar geöffneten Schlössli. Der um den einen oder andern Stand erweiterte Wochenmarkt von Wohlen findet auf dem Sternenplatz entlang der Steingasse statt...
Sogar Kleinstädte wie Baden und Aarau haben verkehrsfreie Innenstadtzonen, Treffpunkte und beliebte Verweilorte für alle Generationen. Wir suchen und geniessen solche urbanen Situationen in den Ferien. Warum eigentlich nur in den Ferien? Warum nicht auch im Alltag, in der Freizeit, am Feierabend, und das in Wohlen vor der Haustür?
Nebenbei gesagt, das wäre echtes Standortmarketing.
Andreas Weber-Hasler, Wohlen