Krise wird Spuren zeichnen
22.05.2020 WohlenBankleiter zur Coronasituation in der Wirtschaft
Wohlen ist der Bankenplatz des Freiamts. Hier laufen die Fäden zusammen bei den Unterstützungskrediten. Bisher sprachen drei Banken zusammen über 75 Millionen Franken.
«Das Freiamt ist nicht stärker ...
Bankleiter zur Coronasituation in der Wirtschaft
Wohlen ist der Bankenplatz des Freiamts. Hier laufen die Fäden zusammen bei den Unterstützungskrediten. Bisher sprachen drei Banken zusammen über 75 Millionen Franken.
«Das Freiamt ist nicht stärker betroffen als andere Regionen im Aargau.» Diesen Vergleich zieht Michael Wertli, Regionalleiter Aargauische Kantonalbank in Wohlen. Er kann dies anhand der Anzahl Kredite und der Gesamtsumme, die gewährt wurde, analysieren. Die AKB sprach 40 Millionen Franken an Unterstützung für Freiämter Firmen. Bei der Neuen Aargauer Bank sind es über 30 Millionen, wie Regionenleiter Hanspeter Leimgruber bekräftigt, Bei der Raiffeisenbank Wohlen machen die CO-VID-19-Kredite rund 5 Millionen aus, so Erich Füglistaler. Alle drei Bankleiter sind überzeugt davon, dass «die Coronakrise in der Wirtschaft Spuren hinterlassen wird». --dm
«Die schaffen das»
Umfrage auf dem Bankenplatz Wohlen bei AKB, NAB und Raiffeisenbank: Wie ist der Umgang mit der Krise?
Die Coronakrise macht auch vor den Freiämter Unternehmungen nicht halt. Dies bestätigen drei Bankenchefs auf dem Bankenplatz in Wohlen. Schnell und unkompliziert konnten Firmen unterstützt werden. Die Aussichten werden leicht unterschiedlich prognostiziert.
Daniel Marti
Drei Banken, insgesamt rund 75 Millionen Franken an COVID-19-Krediten für die Unternehmen im Freiamt. 40, 30, 5 Millionen Franken aufgeteilt auf Aargauische Kantonalbank (AKB), Neue Aargauer Bank (NAB) und Raiffeisenbank. Auch die Freiämter Firmen sind von der Coronakrise betroffen. Wie stark? Welche Branchen traf es am stärksten? Dies beantworteten Michael Wertli, Regionalleiter AKB Wohlen; Hanspeter Leimgruber, Regionenleiter Freiamt der NAB; Erich Füglistaler, Vorsitzender der Bankleitung der Raiffeisenbank Wohlen.
Das Trio beschäftigte sich in der Umfrage nicht nur mit den gewährten Krediten, sondern auch mit den Zukunftsaussichten. Wie sieht es aus mit der Rezession, mit dem Hypothekarzins, mit den Aussichten am Aktienmarkt (siehe Artikel unten).
Freiämter Unternehmen bekommen grosse Unterstützung
Zu den Krediten. Am stärksten war die Aargauische Kantonalbank in Wohlen involviert – vor allem, was die Summe betrifft. Michael Wertli: «Von den COVID-19-Krediten mit Bürgschaft des Bundes oder des Kantons Aargau machten vor allem der Detail- und Grosshandel Gebrauch. Aber auch Garagenbetriebe und Carrosserien benötigten Unterstützung zur Liquiditätssicherung, wie auch das vorbereitende Baugewerbe wie Maler, Gipser, Elektriker. Das Freiamt ist mit rund 40 Millionen Franken gesprochenen AKB-Krediten aber nicht stärker betroffen als andere Regionen im Aargau.»
Ganz offen gibt auch Hanspeter Leimgruber von der NAB Auskunft: «Wir haben rund 200 Freiämter Firmen und KMU rasch und unkompliziert mit über 30 Millionen Franken unterstützt. Die NAB unterstützt die Freiämter Wirtschaft zusammen mit anderen Banken nach Kräften.» Im Freiamt ist laut Leimgruber die Gastrobranche am stärksten betroffen. «Wir sind in engem Kontakt und helfen Firmen auch, indem wir Amortisationen sistieren oder Zahlungsfristen verlängern», so Leimgruber.
«Bei der Raiffeisenbank Wohlen wurden rund 100 COVID-19-Kredite mit einem Volumen von 5 Millionen Franken beansprucht», erklärt Erich Füglistaler. «Als genossenschaftlich organisierte Bank mit vielen Kleinund Mittelbetrieben kamen von allen betroffenen Branchen Kreditgesuche. Die COVID-19-Kredite wurden den Firmen zeitnah und unkompliziert zur Verfügung gestellt.»
Michael Wertli schaut betreffend COVID-19-Krediten bereits in die Zukunft. «Anspruchsvoll und herausfordernd für die Unternehmen wird die Rückzahlung der Kredite innert fünf Jahren werden», fügt er an, um postwendend ein positives Zeichen zu setzen: «Das Freiamt hat aber ein starkes Gewerbe, die schaffen das.»
Problemlose Umstellung auf Homeoffice
Was vor lauter Coronakrise rasch vergessen geht, ist das Tagesgeschäft. Auch die Banken «verabschiedeten» ihr Personal ins Homeoffice. Trotzdem musste der Kundenkontakt sichergestellt werden. «Unsere Schalterkunden konnten den Hauptsitz in Wohlen und die Geschäftsstelle in Boswil zu den normalen Öffnungszeiten besuchen. Die Umstellung auf Homeoffice wurde innert kürzester Zeit eingeführt und funktioniert einwandfrei», so Erich Füglistaler von der Raiffeisenbank. «Die Finanzierungs- und Anlageberatungsgespräche fanden über die digitalen Kanäle statt. Ab sofort stehen die Kundenberater auch wieder für persönliche Gespräche in der Bank zur Verfügung.»
Bei der NAB betreuen rund 80 Prozent der Mitarbeitenden «unsere Kunden von zu Hause aus», sagt Hanspeter Leimgruber. «Wir führen die meisten Beratungen und Gespräche telefonisch, per Skype oder per Screensharing durch, was sehr gut funktioniert.» Zudem war die NAB am Regionensitz in Wohlen und in der Geschäftsstelle in Bremgarten immer zugänglich. «Natürlich sind viele Dienstleistungen auch jederzeit online verfügbar», so Leimgruber.
Konsumentenvertrauen kehrt zurück
«Homeoffice wurde bei der AKB im grossen Stil umgesetzt. Wir waren, was die Infrastruktur anbelangt, bestens für mobiles Arbeiten vorbereitet», betont Michael Wertli. «Der Kundenkontakt erfolgt auch heute noch grossmehrheitlich telefonisch oder mittels Videokonferenzen.» Weiter konnte die AKB beobachten, dass die physischen Bargeldtransaktionen deutlich zurückgingen und dafür digitale Kanäle und Geldautomaten breiter genutzt werden. «Trotz alledem, wir freuen uns wieder auf mehr persönliche Begegnungen.»
Zurück zum Bankengeschäft, zum Wirtschaftsleben – und somit zur unmittelbaren Zukunft. Die Rede ist von Rezession. Worauf sollen oder müssen sich die Menschen einstellen? Wie sieht in diesem Bereich die Einschätzung der Experten von AKB, NAB und Raiffeisen aus?
«Die Coronakrise wird sicherlich in der Wirtschaft Spuren hinterlassen. Dies zeigt sich unter anderem in den steigenden A rbeitslosenzahlen», glaubt Erich Füglistaler, Vorsitzender der Bankleitung der Raiffeisenbank Wohlen. «Neben vielen negativen Auswirkungen gibt es aber auch positive Aspekte.» Die Digitalisierung habe einen enormen Schub erhalten. Dies werde das Berufsleben nachhaltig verändern. «Zudem leben heute viele Menschen bewusster, legen Wert auf eine gesunde Ernährung und bewegen sich mehr.»
Die NAB geht von einer «V-förmigen Erholung aus und rechnet im ersten Halbjahr mit einer Rezession. Ich denke, wir alle müssen uns auf eine neue Normalität mit dem Virus einstellen», schätzt Hanspeter Leimgruber die Situation ein. Zudem halte sich die NAB zum Schutz der Kundinnen und Kunden und ihrer Mitarbeitenden weiterhin diszipliniert an die geltenden Regeln, um eine zweite Welle möglichst zu verhindern. «Wenn sich die Lage weiter stabilisiert, dürfte das Konsumentenvertrauen zurückkehren und eine konjunkturelle Erholung einsetzen», prognostiziert der NAB-Regionenleiter Freiamt.
Rückkehr zur Normalität erst Mitte 2021?
«Wir erleben aktuell eine staatlich verordnete globale Rezession und davon ist auch die Schweiz betroffen», findet Michael Wertli klare Worte. Aus heutiger Sicht rechnet die AKB damit, «dass im zweiten Quartal 2020 ein starker Rückgang des schweizerischen Bruttoinlandprodukts eintreten wird und dass die Erholung im zweiten Halbjahr schwächer als bisher erwartet ausfallen wird.» Per saldo dürfte das Bruttoinlandprodukt 2020 laut AKB um mindestens fünf Prozent schrumpfen.
Und Wertli ist grundsätzlich etwas pessimistischer als seine Berufskollegen von NAB und Raiffeisen. «Eine Rückkehr zur Normalität, wie immer diese zukünftig auch aussehen mag, erwarte ich nicht vor Mitte 2021. Zudem dürfte es in verschiedenen Sektoren, primär aus dem Dienstleistungsbereich, zu einschneidenden Strukturbereinigungen kommen», sagt der Regionalleiter der AKB Wohlen.