Ein Appell an alle Sportler
15.05.2020 FussballEine abgesagte 100-Jahr-Feier, finanzielle Einbussen und ein Schutzkonzept, das keinen Trainingsbetrieb zulässt. Grund zum Klagen hätte FC-Bremgarten-Präsident Chad Evans genug. Stattdessen richtet er eine Botschaft an die Mitglieder aller Sportvereine der Region. «Zahlt eure ...
Eine abgesagte 100-Jahr-Feier, finanzielle Einbussen und ein Schutzkonzept, das keinen Trainingsbetrieb zulässt. Grund zum Klagen hätte FC-Bremgarten-Präsident Chad Evans genug. Stattdessen richtet er eine Botschaft an die Mitglieder aller Sportvereine der Region. «Zahlt eure Beiträge und helft den Vereinen.» Die Hoffnung auf ein Fest in diesem Jahr hat er noch nicht aufgegeben. --jl
«Es reisst mir das Herz raus»
FC-Bremgarten-Präsident Chad Evans spricht über die Auswirkungen der Coronakrise und das grosse Jubiläum
Als Präsident des FC Bremgarten, Mitglied der Sportkommission der Stadt Bremgarten, Gesamt-Projektleiter bei der SBB und Familienvater hat Chad Evans die Coronakrise auf den unterschiedlichsten Winkeln betrachtet. Obwohl sein FCB die Krise stark zu spüren bekommt, begrüsst er den Saisonabbruch.
Josip Lasic
Herr Evans, befürworten Sie den Saisonabbruch nach wie vor?
Chad Evans: Absolut. Es ist das einzig Vernünftige, um die Gesundheit zu wahren. Und durch den Abbruch herrscht jetzt zumindest für die Saison 2019/20 Klarheit.
Wäre eine Verlängerung der Saison in den Sommer hinein keine Option gewesen?
Nein. Der Verband hat angedeutet, dass sie sich Spiele bis Anfang Juli vorstellen könnten. Es sind aber noch viele Partien zu bestreiten. Während der Sommerferien sind manche Spieler unter Umständen nicht hier. Diese Idee ist unrealistisch. Wir können ja nicht einmal richtig trainieren.
Die Möglichkeit würde seit dem 11. Mai bestehen. Die Vereine müssen sich dabei an das Schutzkonzept des Verbandes halten.
Dieses Konzept wird bestehen bleiben, solange das Verbot von Ansammlungen von mehr als fünf Personen besteht. Für uns ist es undenkbar, so zu trainieren. Viele andere Vereine warten ebenfalls die nächsten Lockerungsschritte ab. Die wenigsten Clubs trainieren.
Wieso sträuben sich die Fussballvereine gegen das SFV-Konzept?
Trainieren darf man nur in Kleingruppen von maximal fünf Personen. In der Regel sind das vier Spieler und ein Trainer. Während des Trainings muss der Mindestabstand von zwei Metern zwischen den Personen eingehalten werden. Trainiert wird ohne Körperkontakt. Im Fussball ist das kein Dauerzustand. Auch Kopfbälle sind verboten. Trainingsmaterial darf nur der Trainer anfassen. Klingt das für Sie nach Fussball? Ausserdem muss jeder Verein das Schutzkonzept des Fussballverbandes an die jeweiligen Trainingsplätze anpassen und von deren Eigentümer bewilligen lassen. Der FC Bremgarten trainiert auf dem Sportplatz Bärenmatt. Dieser gehört der Stadt Bremgarten. Unsere Teams trainieren ebenso auf dem Sportplatz in Zufikon, der der Gemeinde Zufikon gehört, und auf dem Waffenplatz in Bremgarten, dessen Eigentümer die Armasuisse ist. Drei Plätze, drei Eigentümer, drei Konzepte. Der Aufwand wäre riesig. Auch aus finanzieller Hinsicht. Aus organisatorischer und kommerzieller Sicht kann der FC Bremgarten kein Training durchführen, das mit dem Schutzkonzept des SFV in Einklang zu bringen ist.
Wie entsteht dabei finanzieller Aufwand?
Das ganze Trainingsmaterial muss nach der Nutzung desinfiziert werden. Das kostet Geld. Gleichzeitig haben wir keine Chance, Einnahmen zu generieren. Das Clubhaus muss geschlossen bleiben.
Die Finanzen sind wegen des Saisonabbruchs bei allen Vereinen ein grosses Thema. Wie ist die Situation beim FC Bremgarten konkret?
Wie schwerwiegend der finanzielle Schaden sein wird, hängt davon ab, wann der Meisterschaftsbetrieb wieder stattfinden darf. Was mich ärgert, sind Mitglieder, die ihre Jahresbeiträge nicht bezahlen. Dieses Problem haben alle Vereine im Aargauischen Fussballverband anlässlich der letzten AFV-Präsidentenkonferenz angesprochen. Ich möchte deshalb einen Denkanstoss äussern.
Wie lautet der?
Ich höre aktuell oft Sätze wie ‹Ich möchte nach COVID-19 sozialer sein.› oder ‹Ich möchte mehr für die Gesellschaft tun.› Leute, die sich mit solchen Gedankengängen befassen und Mitglieder von Sportvereinen sind, sollen helfen. Wir sind nicht anders aufgebaut als ein Fitnesscenter. Da darf man die Geräte nur benützen, wenn der volle Jahresbeitrag bezahlt ist. Weshalb sollte dies bei Sportvereinen anders sein? Auch die Fussballvereine haben hohe Fixkosten und sind abhängig von Mitgliederbeiträgen und vielen helfenden Händen. Ich appelliere deshalb an alle Mitglieder von Sportvereinen ihre Beiträge zu bezahlen und die Vereine zu unterstützen. Das betrifft nicht nur den Fussball, sondern alle Sportarten.
Der Bund will die Profi ligen in Fussball und Eishockey mit 500 Millionen Franken unterstützen. Für den restlichen Leistungssport und den Breitensport sind insgesamt 200 Millionen vorgesehen. Fühlen Sie sich etwas vernachlässigt?
Es gibt systemrelevantere Geschäftsfelder als den Breitensport. Die haben Priorität. Die Vereine dürfen allerdings nicht komplett vergessen gehen. Die Gelder von J&S-Kursen wurden beispielsweise per 15. März eingefroren. Es gibt Überlegungen, dass diese rückwirkend ausgezahlt werden. Oder zumindest ein Teil davon. Es wird interessant sein zu sehen, welche Entscheidungen diesbezüglich getroffen werden. Was mir aktuell fehlt, ist die Planungssicherheit. Wir wissen nicht, wann es im Sport weitergeht.
Sind Sie der Meinung, dass die Massnahmen bei uns übertrieben waren?
Nein. Ich finde es sogar vermessen, von einem Lockdown zu sprechen. Andere Länder hatten beispielsweise Ausgangssperren. Wir nicht. Ich finde, dass der Bundesrat die Situation nicht schlecht gelöst hat. Die Gesundheit steht immer noch an oberster Stelle. Ich arbeite bei der SBB und habe meine Tessiner Kollegen gesehen, die am Coronavirus erkrankt sind. Es ist eine schlimme und ernst zu nehmende Krankheit.
Haben Sie deswegen Angst?
Ich sorge mich vor allem um meine Familie im Ausland. Viele Freunde und Vereinskollegen teilen dieses Schicksal. Meine Angst ist, dass etwas passiert und ich sie nicht besuchen kann. Als Familienvater kämpfe ich wie viele Mitmenschen mit Alltagsherausforderungen wie «Homeschooling». Aber da müssen wir gemeinsam durch. Das Ziel muss immer sein, dass wir uns gegenseitig schützen. Das gilt bei uns beim FC Bremgarten und in der Gesellschaft allgemein.
Sie haben die Coronakrise von diversen Seiten erlebt. Wie schwer fällt es Ihnen da noch, dass Sie die 100-Jahr-Feier des FC Bremgarten absagen mussten?
(Seufzt und schüttelt den Kopf) Sie stellen mir die falsche Frage.
Inwiefern?
Es reisst mir das Herz raus. Ich bin seit 35 Jahren im Verein und habe mich wie ein kleines Kind auf das Jahr 2020 gefreut. Es schmerzt so, dass ich mit unseren Trainern, Funktionären, Spielern, Sponsoren und allen Freunden des FC Bremgarten dieses Fest nicht feiern kann. Es war aber die einzig richtige Entscheidung. Wir hatten schon diverse Auslagen für das Fest und wenn wir nicht auf die Vollbremse getreten wären, hätte es ein finanzielles Debakel gegeben. Nächstes Jahr wird es nicht das Gleiche sein, denn dann sind wir 101 Jahre alt. Immerhin haben wir jetzt mehr Zeit, unsere Feier noch detaillierter zu planen. Aktuell ist es ein ganz grosses Ziel von mir, mit meinen 550 Vereinsmitgliedern dieses Jahr ein Fest in irgendeiner Form zu feiern. Natürlich erst, wenn man sich wieder treffen darf. Es bedeutet mir viel, denn ich gebe alles für den FC Bremgarten.