«Er erstaunt uns immer wieder»
22.05.2020 WohlenCornel Braunwalder und sein rares Fundstück: Steinbeil aus der Jungsteinzeit, gefunden im Reusstal
Er habe halt ein geschultes Auge, sagt er mit einem breiten Lächeln. Und aus den funkelnden Augen von Cornel Braunwalder leuchten auch Stolz und Freude über ...
Cornel Braunwalder und sein rares Fundstück: Steinbeil aus der Jungsteinzeit, gefunden im Reusstal
Er habe halt ein geschultes Auge, sagt er mit einem breiten Lächeln. Und aus den funkelnden Augen von Cornel Braunwalder leuchten auch Stolz und Freude über einen speziellen Fund, der bis zu 6000 Jahre alt sein kann.
Daniel Marti
Da staunte er nicht schlecht. Ein uraltes Steinbeil ragte mit seiner Spitze aus dem Acker. Unten an der Reuss, rund 150 Meter vom Ufer entfernt, in der Nähe des Flachsees. Wahrhaftig. Er konnte es selber fast nicht glauben. Cornel Braunwalder war an jenem Frühlingstag einfach nur glücklich. Er zückte sein Handy und filmte das Ereignis. Einfach für sich, eine Art Selfie vom raren Fundstück.
Von der Bogenfibel bis zum Silber-Denar
Der Wohler hat in der Region schon manches alte Fundstück aufgespürt. Seit knapp fünf Jahren blickt Braunwalder auf diese Art und Weise ganz tief in die Geschichte der Menschheit. Die Historie fesselt ihn. Immer wieder. Als Freiwilliger der Kantonsarchäologie geht er mit und ohne Metalldetektor jeweils auf Entdeckungstour. Im Wohler Wald entdeckte er einst sechs Münzen der Kelten und nicht weit davon entfernt 33 Römermünzen. Oder auf dem Gelände einer künftigen Deponie auf dem Gemeindegebiet von Waltenschwil, Kallern und Boswil sind es weitere seltene Stücke: Eine keltische Bogenfibel aus dem fünften oder sechsten Jahrhundert vor Christus. Und ein Ziegelstück aus der Römerzeit, das einen Stempel der 21. Legion aus Vindonissa trägt. Auch ein römischer Silber-Denar zählt zu den seltenen Fundstücken, vermutlich datiert dieser von 69 bis 79 nach Christus.
Das reiche Kulturerbe – bis 4100 vor Christus
Die Arbeit als Freiwilliger der Kantonsarchäologie klingt wie Schatzsuche. Aber es ist mehr als das. Braunwalder besitzt eine offizielle Bewilligung und gehört deshalb zum Team der Kantonsarchäologie. Er leiht der Fachstelle quasi seine Augen und seine Hände. Vom Gebiet der künftigen Deponie lieferte er gleich mehrere Kisten Material ab – die Deutung, dass es sich hier um einen römischen Gutshof handelt, wurde dank ihm somit bestätigt.
Zurück zum Steinbeil aus dem Reusstal. Nur schon das Alter ist für Cornel Braunwalder faszinierend. «Es muss ungefähr 3000 bis 5000 Jahre alt sein», sagt er. Die Kantonsarchäologie bestätigt auf Anfrage, dass es sich beim Steinbeil um ein Stück aus der Jungsteinzeit handelt, aus dem Zeitraum 4100 bis 2400 vor Christus.
«Beim Beil handelt es sich ziemlich sicher um Serpentingestein. Dieses Gestein ist dunkelgrün bis violett-schwarz und enthält schöne Maserierungen. Diese Steine kommen im Wallis, im Bündnerland und im Gotthardgebiet vor und sind folglich vom Rohne-, Rhein- und Reussgletscher zu uns gekommen», sagt Braunwalder weiter. Die Herstellung eines Steinbeils erforderte viel Geschick und Zeit (siehe Kasten).
Und wie wertvoll ist ein solcher Fund für die Kantonsarchäologie? «Jedes Fundstück, das unsere Freiwilligen entdecken, ist ein Puzzleteilchen mehr und ergänzt das reiche archäologische Kulturerbe des Aargaus. Und es vervollständigt unser Wissen über archäologische Fundstellen. Die Funde helfen uns beispielsweise dabei, alte Archivmeldungen zu überprüfen und eine zeitliche Einordnung zu bestätigen oder zu widerlegen», sagt der Archäologe und Freiwilligenmanager der Kantonsarchäologie Pirmin Koch.
Und Koch ist begeistert vom Einsatz des Wohlers. «Cornel Braunwalder erstaunt uns immer wieder mit seinem unermüdlichen Einsatz und seinem Gespür für Fundobjekte. Dank ihm konnten wir bereits viele Fundstellen überprüfen.» Braunwalders Beitrag sei für die Kantonsarchäologie «sehr wertvoll».
Einfach nur wunderschön
Braunwalder selber schätzt es, für die Archäologie im Einsatz stehen zu dürfen. Über die Auswahl, hier dabei sein zu dürfen, freut er sich heute noch, obwohl er bereits fünf Jahre dabei ist. Im Auftrag der Kantonsarchäologie Aargau sind derzeit 32 Freiwillige mit und ohne Metalldetektor unterwegs. «Das Interesse am freiwilligen Einsatz ist weiterhin gross», so Koch weiter, «insbesondere für die Metalldetektorprospektion besteht eine Warteliste.» Doch dass auch unerwartete und seltene Funde ohne Metalldetektor gemacht werden können, «zeigt Braunwalders Fund eindrücklich». Laut Freiwilligenmanager Pirmin Koch haben die Freiwilligen der Kantonsarchäologie im Jahr 2019 über 800 Stunden ihrer Zeit investiert. «Dafür sind wir den Freiwilligen sehr dankbar», sagt er.
Zurück zu Cornel Braunwalder. In seiner fünfjährigen Karriere als Freiwilliger der Kantonsarchäologie in Brugg ist ihm manches Fundstück ans Herz gewachsen. Etliche Objekte haben ihn auch stolz gemacht. Das Steinbeil aus dem Reusstal gehört in diese Kategorie. Seine Eindrücke über diesen Fund sind zwar nur kurz formuliert, aber sehr prägnant: «Das ist wunderschön, das ist fantastisch.»
Die Herstellung des Steinbeils
Die Kantonsarchäologie in Brugg hält in einer Illustration die Steinbeilherstellung fest. Das Steinbeil, das Cornel Braunwalder gefunden hat, wurde genau so wie geschildert hergestellt.
Vom Geröll zum Rohling
Der jungsteinzeitliche Handwerker hatte ein gutes Auge fürs benötigte Material. Er wusste, welche Gesteine genügend hart waren und sich für die Beilproduktion eigneten. Oft waren es Grünsteine. Zuerst zerkleinerte er den Stein. Dazu gab es zwei Methoden. Bei der Sägetechnik zersägte er den Stein mithilfe eines dünnen Sandsteinplättchens. Härtere Gesteine brachte er durch grobes Zuschlagen in Form.
Die Rohform und Feinschliff
Mit einem runden, harten Stein – dem Klopfstein – brachte der Handwerker den Rohling in Beilform. Diese Technik wird Picken genannt. Dabei werden kleine Gesteinspartikel weggeschlagen. Die charakteristischen Pickspuren sind auf nicht vollendeten Steinbeilen gut zu erkennen. Eine gut überpickte Beilklinge erforderte viel Sorgfalt und viele Arbeitsstunden. – Zuletzt schliff der Handwerker die Beilklinge auf einer Sandsteinplatte, die er mit Wasser befeuchtete. So verschwanden die Pickspuren, die Klingenoberfläche wurde glatt und die Schneide scharf. Die fertige Klinge wurde mit einem Holm aus Holz versehen.