Weil Musik guttut
07.04.2020 WohlenDie Regionale Musikschule testet in den Zeiten von Corona neue Formen der Unterrichts
Die Schliessung aller Schulen trifft die Musiklehrer hart. Für viele ist das Unterrichten nur ein Teilzeitjob, doch das zweite Standbein – die Konzerte – fällt weg. ...
Die Regionale Musikschule testet in den Zeiten von Corona neue Formen der Unterrichts
Die Schliessung aller Schulen trifft die Musiklehrer hart. Für viele ist das Unterrichten nur ein Teilzeitjob, doch das zweite Standbein – die Konzerte – fällt weg. Von Frust ist aber wenig zu spüren, die Lehrpersonen setzen sich mit grossem Engagement für ihre Schüler ein.
Chregi Hansen
«Das Beste daraus machen.» Diesen Satz wiederholt Lukas Stäger gleich mehrmals im Laufe des Gesprächs. Stäger ist als stellvertretender Leiter der Regionalen Musikschule Wohlen doppelt gefordert. Zum einen, was das Organisatorische betrifft. Zum anderen, was die Betreuung seiner Schüler angeht. «Weil wir keinen Präsenzunterricht haben, ist die Arbeit aufwendiger als vorher», so seine Erkenntnis nach zwei Wochen.
«Das Beste daraus machen»: Das heisst, der Musikunterricht geht trotz Schliessung der Schulen weiter. Vorerst freiwillig. «Es ist unser Ziel, dass die Kinder und Jugendlichen weiter üben, dass sie an der Stange bleiben. Denn wir sind überzeugt, dass ihnen das Musizieren guttut», sagt Stäger. Gerade in einer Zeit, in der sie fast nur noch zu Hause sind und viel vor dem Bildschirm sitzen. «Dass der Musikunterricht dann auch noch online ist, das ist natürlich nicht optimal. Aber eben nicht anders machbar», weiss Stäger. Wenigstens würden mit dem Üben ganz kleine Inseln im Alltag geschaffen. Man muss eben das Beste daraus machen.
Zahlreiche technische Möglichkeiten
Für den Unterricht benutzt Stäger viele technische Möglichkeiten. Er macht Videoaufnahmen, die er den Schülern sendet. Sie schicken ihm Audioaufnahmen, die er sich anhört und kommentiert. Oder er führt einen Videochat. Die meisten Schüler seien technisch gut ausgerüstet, so seine Erfahrung. Nicht immer ganz einfach sei die Situation zu Hause, falls eine Familie mehrere Kinder hat und auch die Eltern im Homeoffice arbeiten. Trotzdem: Die meisten Kinder und Jugendlichen sind froh um das Angebot der Musikschule. «Einige üben sogar viel mehr als zuvor. Sie haben ja Zeit. Es gibt Schüler, die schicken mir fast täglich Aufnahmen zu», erzählt Stäger.
Auch Schulleiter Markus Beeler beschäftigt die Situation. Vor allem mit Blick auf die Zukunft. «Bisher ist das Mitmachen freiwillig. Aber wenn die Schulen auch nach den Ferien geschlossen bleiben, würde der Musikunterricht obligatorisch in dieser Form fortgesetzt», erklärt er. Man sei schulintern jetzt am Aufbau von verschiedenen Austauschtools. Es wird geschaut, was online möglich ist. «Wir sind in einer Art Testphase», so Beeler. Und es sei nicht immer ganz einfach. «Zum Teil bestehen Unsicherheiten, und es sind logischerweise nicht alle auf dem gleichen technischen Stand», sagt der Schulleiter. Und doch könne diese Phase auch eine Chance sein, das Modell Musikschule weiterzuentwickeln. Auch hier gilt: Die Schule will das Beste daraus machen.
Allerdings gibt es bestimmte Punkte, zu denen man sich noch Gedanken machen muss. «Wir nutzen die heute gebräuchlichen Kanäle wie Whats_ app, Skype und andere. Das bringt aber das Problem des Datenschutzes mit sich. Wer kann mir garantieren, dass die darüber verschickten Aufnahmen nicht irgendwo anders auftauchen?», fragt Stäger.
Für diese neue Form des Unterrichts braucht es darum das Einverständnis der Eltern. Aber auch die Schule müsse sich Gedanken machen, wie in Zukunft Online-Unterricht aussehen kann. Gefordert sind aber auch die Musiklehrer. «Wir müssen uns überlegen, wie wir den Schülern und Schülerinnen zeigen können, was sie falsch machen, wie wir zum Beispiel die Kamera am besten platzieren», sagt Stäger. Und er merke, dass ihn persönlich das viele Sitzen vor dem Bildschirm ermüde. «Das bin ich nicht gewohnt», ergänzt er lachend.
Ausfälle von Konzerten führen zu Existenzängsten
Auch das Arbeiten zu Hause sei eine Umstellung. Manche Lehrer halten am Stundenplan fest. Andere handhaben es flexibel. «Aber es ist wichtig, dass man sich auch abgrenzt. Manchmal habe ich morgens um 8 Uhr die ersten Aufnahmen auf dem Handy. Und die Schüler möchten natürlich möglichst schnell Antwort. Ich habe mir jetzt ganz bewusst Zeitfenster eingerichtet, in denen ich arbeite und andere, in denen ich für die Familie da bin», berichtet der Klavierlehrer. Das ist bei ihm zu Hause umso wichtiger, als auch Partnerin Prisca Zweifel an zwei Musikschulen tätig ist und die beiden noch zwei kleine Kinder haben. Als Chorleiterin hat Prisca Zweifel es noch schwerer, ihre Kids zu unterrichten. «Sie hat nächtelang Liederbücher zusammengestellt und CDs gebrannt, damit die Schüler zu Hause üben können. Aber das ist natürlich nicht das Gleiche, wie im Chor zu singen», sagt Stäger. Gemeinsam online üben, das gehe wegen der Verzögerung der Übertragung eben nicht. Und der persönliche Kontakt lässt sich online auch nicht ersetzen.
Auch wenn die Musikschule und die Lehrer alles versuchen, um den Unterricht weiterzuführen, so hat die Schliessung sie im ungünstigsten Moment getroffen. Vor den Frühlingsferien begibt sie sich jeweils auf grosse Werbetour mit Schnuppermorgen in den Schulen, Instrumenten-Workshops, Konzerten und vielem mehr. Diese Anlässe mussten jetzt abgesagt werden. «Sie sind für uns extrem wichtig, weil jeweils in den Frühlingsferien der Termin für die Anund Abmeldung ist», erklärt Stäger. Jetzt fiel die Werbung ins Wasser. Aus diesem Grund wurde die Anmeldefrist bereits verlängert. Ob diese Ausfälle Einfluss haben auf die Schülerzahlen ab Sommer, wird sich erst noch zeigen. Zudem können die Musiklehrer derzeit keine Konzerte geben, verlieren also zusätzlich Einnahmen. Das führt auch zu Existenzängsten.
Aber auch hier gilt: Man muss das Beste daraus machen. Alle Musiklehrer bemühen sich darum über Distanz, dass ihre Schüler möglichst viel Fortschritte machen. Weil Musik den Menschen eben guttut. Darum nehmen sie auch den Mehraufwand auf sich. «Der Zeitaufwand pro Lektion ist grösser, spielt aber insofern keine Rolle, da ich so oder so zu Hause bin», bringt es Gitarrenlehrer André Gärtner auf den Punkt. Auch Klavierlehrer Michael Müller arbeitet mehr als vorher. «Aber es macht Spass, zu sehen, wie sich einzelne Schüler weiterentwickeln», erklärt er. Darum wird er auch in den Frühlingsferien für sie da sein. Aber natürlich hofft auch er, dass er bald wieder im gewohnten Rahmen unterrichten kann. Denn Livemusik ist doch schöner, als Aufnahmen anzuhören.