Blumen als Lichtblick
28.04.2020 JonenVetterli Schnittblumen AG ist in der Krise gefordert
Gestern öffneten die Gartencenter nach eineinhalb Monaten wieder. Den Lockdown gut überstanden hat bisher die Joner Firma Vetterli Schnittblumen AG. Nach einer ersten Schockstarre lief das Geschäft sehr ...
Vetterli Schnittblumen AG ist in der Krise gefordert
Gestern öffneten die Gartencenter nach eineinhalb Monaten wieder. Den Lockdown gut überstanden hat bisher die Joner Firma Vetterli Schnittblumen AG. Nach einer ersten Schockstarre lief das Geschäft sehr gut.
Roger Wetli
«Blumen sind krisenresistent», sind sich Karin und Jürg Rüttimann-Vetterli einig, die das Familienunternehmen in Jonen in dritter Generation führen. «Die Pflanzen bereiten Freude in schwierigen Zeiten. Diese leistet man sich. Das war bereits in früheren Krisenzeiten so.» Entsprechend lief ihr Geschäft auch in den letzten Wochen gut.
Schwer getroffen
Jürg Rüttimann ist Präsident des Fachvorstandes Produktion des Gärtnerbranchenverbandes «JardinSuisse». Er weiss, dass viele seiner Kollegen gelitten haben. Besonders hart traf es die Unternehmen, die Topfpflanzen produzieren. «Ihren ‹Frühlingsflor›, also Stiefmütterchen, Krokusse und andere Frühblüher, konnten sie fast gar nicht verkaufen. Besonders schwierig war es für die Produzenten, die Grossverteiler beliefern. Da ging gar nichts mehr.» Diese Produzenten würden jetzt aufatmen und hoffen, dass die Geschäfte in den kommenden Wochen laufen. In den Monaten März bis Mitte Juni erzielen diese Firmen zirka die Hälfte des Jahresumsatzes. «Es sind extrem wichtige Wochen», erklärt Jürg Rüttimann.
Welt stand still
Ins Zittern geriet auch das Paar nach dem bundesrätlichen Lockdown Mitte März. «In den ersten drei Tagen ging gar nichts mehr», blickt Karin Rüttimann zurück. «Alle Bestellungen wurden storniert.» Da hätten sie geschaut, was sie tun könnten, um Geld zu sparen. Mit ihrem Unternehmen produzieren sie Schnittblumen. Die Blütenköpfe werden täglich geerntet und gelangen anschliessend über die Zürcher Blumenbörse und andere Kanäle zu den Floristen, wo sie als Blumensträusse in die Haushalte kommen. Den Verkauf direkt ab Gewächshaus in Jonen gibt es zwar, er bringt aber nicht den grossen Absatz.
«Die Welt stand für uns in dieser Zeit still», erinnert sich Jürg Rüttimann. «Wir wussten nicht, wie weiter.» Seine Frau bestand darauf, die Blüten weiterhin zu ernten und gekühlt zwischenzulagern. Der Kühlraum war aber nach zwei Tagen voll. «Wir mussten deshalb einiges wegschmeissen.»
Viele Rückmeldungen von Privatkunden
Dann geschah etwas Unerwartetes. «Unsere Kunden haben angefangen, sich anders zu organisieren. Sie stellten auf Online- und Telefonbestellungen um. Die Nachfrage war plötzlich wieder da», so Karin Rüttimann. «Die Zahlen beim Internetanbieter Fleurop sind explodiert.» Sie selber hätten in Jonen auf Selbstbedienung umgestellt und seien förmlich überrannt worden. «Auf einmal hatten wir 20 bis 60 Anrufe pro Tag von Privaten», kann es Jürg Rüttimann bis heute kaum fassen. «Die Leute haben begonnen, aktiv nach Schnittblumenproduzenten zu suchen. Wir fanden es super. Es war aber schon krass. Wir konnten zum Beispiel alle Tulpen verkaufen. Vor Ostern waren wir praktisch nur noch am Telefon.»
Allerdings stellte diese Nachfrage das Unternehmen vor eine neue Herausforderung. «Wir haben niemanden für den Telefonverkauf angestellt. Deshalb half uns unsere Tochter, innert kürzester Zeit einen Onlineshop zu gestalten, der uns nun entlastet», ist Karin Rüttimann froh. Sie freut sich über die vielen Rückmeldungen der Privatkunden. «Viele sind überrascht, wie lange unsere Blumen halten. Durch die kurzen Transportwege sind unsere Blüten schneller bei den Leuten als solche aus Holland. Hier ist die Nähe unser Vorteil», weiss sie. Toll sei auch, dass sämtliche Bestellungen der Privaten zeitnah abgeholt und das Geld in die Kasse gelegt worden seien. Betrogen habe bisher noch niemand.
Schweizer Produkte stärken
Das Paar ist gespannt, ob die Privatkunden ihm auch nach der Krise erhalten bleiben werden. «Ich hoffe, dass jetzt die Produktionen in der Schweiz wieder mehr Beachtung finden, dies auch auf andere Branchen bezogen», wünscht sich Jürg Rüttimann. «Wir sind zum Glück bisher mit einem blauen Auge davongekommen.»