Was bringt der Schule mehr?
10.03.2020 WohlenSVP und SP Wohlen luden zu einer Podiumsdiskussion zur Abschaffung der Schulpflegen
In einer informativen, lebhaften, teilweise gar emotionalen, aber immer fairen Diskussion legten Befürworter und Gegner der neuen Führungsstruktur ihre Argumente dar. Klar wurde ...
SVP und SP Wohlen luden zu einer Podiumsdiskussion zur Abschaffung der Schulpflegen
In einer informativen, lebhaften, teilweise gar emotionalen, aber immer fairen Diskussion legten Befürworter und Gegner der neuen Führungsstruktur ihre Argumente dar. Klar wurde dabei eines: Einfach so weitermachen wie bisher, das will eigentlich niemand.
Chregi Hansen
Zu den Befürwortern der Vorlage gehört Thomas Leitch. «Die Schulpflege braucht es nicht mehr. Nicht etwa, weil sie schlechte Arbeit geleistet hat, sondern weil sich die Zeiten und das Umfeld geändert haben», erklärt der SP-Grossrat. Vieles, was früher die Schulpfleger gemacht haben, übernehmen heute die Schulleiter. «Die Schulpflege sitzt heute zwischen Stuhl und Bank, zwischen Schulleitung und Gemeinderat, das führt oft zu einem Kompetenzgerangel», so Leitch weiter.
Grossratskollegin Maya Bally widerspricht ihm vehement. «Ja, es gibt Diskussionen um die Finanzen. Aber Schulpflege und Gemeinderat diskutieren auf Augenhöhe. Das ist bei der Schulleitung nicht mehr der Fall», ist die BDP-Politikerin überzeugt. Sie sieht in der Abschaffung der Schulpflegen auch eine Schwächung der Demokratie. «Heute wählen wir die Leute, die sich explizit um die Schule kümmern. Nachher wählen wir Gemeinderäte und wissen nicht, wer das Ressort Schule übernimmt. Und wir wissen nicht, ob es eine Kommission gibt oder gewisse Verantwortungen delegiert werden», sagt Bally.
Gleiche Position, unterschiedliche Ansichten
Sowohl Alexandra Köchli wie auch Louis Isenmann sind als Schulleiter auf dem Mutschellen tätig. Köchli in Oberwil-Lieli, Isenmann an der Kreisschule Mutschellen. Und beide sind parteilos. Obwohl also in der gleichen Situation, beurteilen sie die Vorlage völlig unterschiedlich. Köchli würde die Schulpflege gerne behalten. «Viele Schulleiter wohnen nicht in der Gemeinde, in der sie arbeiten. Sie sind nicht so verankert im Dorf wie die Schulpflegen und können sich politisch nicht einbringen», sagt sie. Dass die Schulbehörde keine Finanzkompetenzen hat, empfindet sie nicht unbedingt als negativ. «Das ermöglicht, gewisse Dinge anzudenken und zu diskutieren, unabhängig von den Kosten», findet sie.
Für Isenmann macht es hingegen keinen Sinn, in den Gemeinden zwei Behörden zu haben, die sich um die Schule kümmern. Dies umso mehr, als es immer schwieriger wird, genügend Kandidaten zu finden. «Es ist besser, die Kräfte zu konzentrieren», so der Schulleiter. Er mache die Erfahrung, dass er heute einen Teil der Arbeit doppelt mache. «Zuerst für die Schulpflege, anschliessend muss ich das Gleiche noch mit dem Gemeinderat diskutieren», berichtet er. Und da vieles vom Kanton vorgegeben sei, habe die Schulpflege immer weniger zu tun. «Sie suchen teilweise richtig nach Aufgaben.»
Mehraufwand wird bestritten
Die Gegner der Vorlage befürchten, dass die Schule an Gewicht verliert, wenn sie keine eigene Behörde mehr besitzt. «Bisher kümmerten sich drei bis fünf Personen um die Schule. Nachher ein Gemeinderat. Und die haben heute schon alle viel zu tun», meint Köchli. Natürlich könne man eine Schulkommission bilden, aber diese habe nur beratende Funktion. Bally ist überzeugt, dass es nur dort ein Problem zwischen Schulpflegen und Gemeinderäten gibt, wo die Rollen nicht geklärt sind. «Es braucht Verbesserungen im System, entsprechende Vorschläge gibt es schon», sagt sie. Zudem befürchtet sie, dass einfach viele Aufgaben an die Schulleitung delegiert werden und diese einen zusätzlichen Aufwand hat.
«Fast alle langjährigen Schulleiter sagen, dass dies nicht der Fall ist. Warum glaubt man uns nicht?», ärgert sich Isenmann. Er wehrt sich auch dagegen, dass immer von einer Abschaffung gesprochen wird, es gehe um eine Optimierung der Führungsstrukturen. Diese Verbesserung sieht auch ein ehemaliger Schulpfleger. «Heute stellt sich der Gemeinderat oft gegen Vorschläge aus der Schulpflege, wenn sie mit Kosten verbunden sind», sagte er. «In Zukunft ist er näher beim Thema und stärker involviert.» Und Leitch erinnert daran, dass die Schulpflegen aus dem Jahr 1835 stammen. «Die Zeiten haben sich verändert», macht er deutlich.
Die neue Führungsstruktur sieht zudem vor, dass der Gemeinderat beschwerdefähige schulische Entscheide (z. B. bezüglich Promotion) delegieren kann, etwa an die Schulleitung. Auch in diesem Punkt gehen die Ansichten der beiden Lager auseinander. Für die Befürworter wird der Beschwerdeweg verkürzt und Zeit gespart. Die Gegner sind der Überzeugung, dass die Schulpflege oft vermitteln konnte bei Problemen. Dies würde im neuen System wegfallen. Ebenso wurde darüber gestritten, ob die Schule in einem Dorf so wichtig ist, dass sie weiterhin eine eigene Behörde braucht, um ihre Interessen zu wahren. Oder ob sie als Teil der Gemeinde auch zum Aufgabengebiet des Gemeinderates gehören soll. «Eine Schule funktioniert nicht wie eine Bauverwaltung», findet etwa Maya Bally. «Heute bin ich Diener zweier Herren, von Schulpflege und Gemeinderat. Das funktioniert nicht», sagt hingegen Isenmann.
Ablehnung als Chance?
Und was passiert, wenn das Volk Nein sagt? Darauf weiss niemand eine konkrete Antwort. «Dann müssen die Vorschläge des Schulpflegeverbandes geprüft und umgesetzt werden, damit die jetzige Situation verbessert wird», findet Bally. Dass dies gelingt, glaubt Thomas Leitch nicht. «Wir haben so lange gebraucht, bis wir eine Variante hatten, hinter der praktisch alle Parteien stehen können. Es wird dann Jahre dauern, bis etwas passiert», ist er überzeugt.
Und Regierungsrat Alex Hürzeler verteidigte nochmals den Vorschlag der Regierung. «Die Schule wird auch weiterhin wichtig sein in der Gemeinde. Durch die Neuerung wird sie sogar gestärkt», ist er überzeugt. Ob das die Mehrheit auch so sieht, wird sich am 17. Mai zeigen. Bis dahin wird noch viel diskutiert.
Wohler Schulpflege nicht vor Ort
Es geht bei der Abstimmung vom 17. Mai auch um ihre Zukunft, doch von der Schulpflege Wohlen nahm niemand am Anlass in der eigenen Gemeinde teil. Weder auf dem Podium noch unter den Zuschauern. Doch warum?
Entschuldigt war Franco Corsiglia. Als Präsident des Verbands Aargauischer Schulpflegepräsidenten VASP leitete er die am gleichen Abend stattfindende Verbands-GV. Auch ein weiteres Mitglied der Wohler Schulpflege hatte einen schon länger feststehenden Termin. «Nicht absehbar war, dass an diesem Abend gleich zwei weitere Mitglieder krankheitshalber nicht teilnehmen konnten», erklärte Corsiglia auf Nachfrage. Dass zuletzt gar niemand da war, sei unglücklich, gibt er zu, aber leider nicht mehr zu korrigieren. Immerhin: Am 25. März findet in Bremgarten ein weiteres Podium zu diesem Thema statt – eine Gelegenheit für die Schulpflegen, ihren Standpunkt selber deutlich zu machen. --chh