Trotz allem: Positiv denken
24.03.2020 WohlenDer Wohler Jörg Meier wohnt seit vier Jahren in Wien – das Leben in der Grossstadt funktioniert trotz Corona weiter
Auch Österreich kämpft gegen das Coronavirus. Hier wurde bereits eine Ausgangsbeschränkung eingeführt. Der aus Wohlen stammende ...
Der Wohler Jörg Meier wohnt seit vier Jahren in Wien – das Leben in der Grossstadt funktioniert trotz Corona weiter
Auch Österreich kämpft gegen das Coronavirus. Hier wurde bereits eine Ausgangsbeschränkung eingeführt. Der aus Wohlen stammende Jörg Meier lässt sich dadurch nicht das Leben vermiesen. «Wir sollten die Krise zum Anlass nehmen, unser Verhalten zu überdenken», findet er.
Chregi Hansen
Der Anruf zeigt, das Internet gerät an seine Grenzen. Immer wieder mal bricht die Verbindung ab. Doch dadurch lässt sich Jörg Meier seine gute Laune nicht verderben. Er freut sich, Kontakt mit der alten Heimat zu haben. Und will genau wissen, wie die Situation in der Schweiz aussieht.
«Österreich ist bisher mit einem blauen Auge davongekommen», sagt der Wohler, der vor vier Jahren in die österreichische Hauptstadt gezogen ist. Die nackten Zahlen untermauern seine Aussage. Stand Montagmorgen gab es in ganz Österreich 3611 bestätigte Fälle, 23 Menschen sind gestorben. Zum Vergleich. Die kleinere Schweiz hatte zur selben Zeit 7014 Fälle und 60 Tote. «Die Regierung macht einen guten Job», findet darum der Schweizer. Gute Noten gibt er dem Bundeskanzler Sebastian Kurz. «Ich bin eigentlich kein Fan von ihm, aber wie er in dieser Krise auftritt, das beeindruckt mich. Er tut das klar und überzeugend.»
In Österreich steht das Leben wie in vielen anderen europäischen Ländern grösstenteils still. Die allermeisten Geschäfte sind zu, Veranstaltungen sind alle abgesagt, der öffentliche Verkehr wurde stark reduziert. «Aber die Bahnen fahren noch. Und alles, was man fürs tägliche Leben braucht, erhält man, obwohl es auch hier zu Hamsterkäufen kommt», berichtet Meier. Zudem verfügte die Regierung eine Ausgangsbeschränkung. Das heisst aber nicht, dass man gar nicht mehr nach draussen kann. «Erlaubt ist der Weg zur Arbeit und zum Einkaufen. Aber auch spazieren darf man noch immer, solange man dies alleine tut und sich draussen nicht mit anderen trifft», so der Schweizer.
Das Leben dokumentieren
Er selber sei jedenfalls täglich ein bis zwei Stunden draussen unterwegs. «Manchmal trifft man auf dem ganzen Weg fast niemanden an. Das ist schon ein komisches Gefühl.» Ganz besonders im neuen, noch im Entstehen befindlichen Stadtteil Seestadt Aspern, der neuen Heimat des Wohlers. Es handelt sich dabei um das grösste Stadtentwicklungsprojekt Europas mit entsprechend vielen Baustellen. Die Arbeiten dort sind aber eingestellt worden. «Ich hoffe schon, dass es später weitergeht und nicht wie in einigen südlichen Ländern Bauruinen bleiben», lacht Meier. Wenn er unterwegs ist, macht er jedes Mal viele Bilder und Videos und veröffentlicht sie online. «Ich erhalte viel positives Feedback, gerade auch von Leuten, die sich nicht mehr selber hinaustrauen.»
Er selber nimmt die Vorschriften der Regierung ernst. Ausser zum Einkaufen und Spazieren verlässt er sein Zuhause nicht mehr. Darum weiss er nicht aus eigener Erfahrung, wie es in der Innenstadt Wiens zu und her geht. «Aber was ich so von anderen höre, werden die Massnahmen auch da recht gut eingehalten», erklärt er. Und das ist wichtig, schliesslich leben in der österreichischen Hauptstadt fast 1,9 Millionen Menschen. Mit rund 450 Fällen ist man hier bisher mit einem blauen Auge davongekommen. Besonders betroffen ist hingegen das Tirol, hier stehen alle 279 Gemeinden unter Quarantäne.
Arbeiten von zu Hause? Kein Problem
Wie viele andere auch arbeitet Meier inzwischen von zu Hause aus. Der Betriebsökonom und IT-Experte ist als Service-Manager für den grössten Energieversorger Niederösterreichs tätig. «Das klappt gut. Ich persönlich arbeite sogar besser und konzentrierter, wenn ich daheim bin», sagt er. Selbst die Sitzungen erlebt er dank Videochat heute als effizienter, «denn man beschränkt sich auf das Wesentliche». Es stört ihn auch nicht, viel Zeit in seinen eigenen vier Wänden verbringen zu müssen. «Ich hatte schon einige heftige Krisen in meinem Leben zu meistern. Danach sieht man Situationen wie diese etwas anders», erklärt er. Mit seiner Frau Annemarie geniesst er die gemeinsame Zeit. «Das Leben geht weiter, einfach etwas langsamer.»
Umdenken gefragt
Für Jörg Meier ist das, was gerade passiert, auch ein Zeichen, «von wem auch immer». Für ihn ist klar: «Die Welt und unsere Gesellschaft kann nicht so weitermachen wie bisher. Immer mehr, immer schneller. Es ist Zeit, das Tempo zu drosseln», sagt er. Von daher hofft er, dass die Welt etwas lernt aus dieser Krise – obwohl er es bezweifelt. «Auch wenn es jetzt im Moment schwerfällt. Das Ganze hat auch positive Seiten», findet der 55-Jährige. Man erkenne derzeit, dass man auch mit weniger zufrieden sein kann. Und man erlebe eine grosse Solidarität – Menschen kümmern sich wieder um ihre Nachbarn, unterstützen einander. «All der Stress in den westlichen Ländern ist doch hausgemacht», so Meier. «Es braucht jetzt Veränderungen. Genau das macht uns die Krise deutlich.»
Für ihn ist klar: Aus der jetzigen Situation können alle etwas lernen. Wenn sie denn wollen. Er selber lässt sich durch Corona nicht beirren, Jörg Meier bleibt weiterhin ein positiver Mensch. Und darum ist er überzeugt, dass die Krise schon bald überwunden ist. Vermutlich nicht bis Ostermontag – bis dahin gelten die Massnahmen in Österreich vorerst. Aber er hofft, dass er Ende Mai seine Freunde in der Schweiz besuchen kann. Auch die Wirtschaft werde sich erholen. «Alle Länder sprechen viele Gelder und ermöglichen einen unkomplizierten Zugang zu diesen. Gerade die reiche Schweiz wird das sicher überstehen», ist Meier überzeugt. Bis dahin gebe es nur eines: «Cool bleiben. Gemeinsam schaffen wir es.»