Vielfalt als Chance erkennen
17.01.2020 WohlenInklusiver Workshop zur UNO-Behindertenrechtskonvention BRK in der Integra
Durch ihren Beitritt zur UNO-Behindertenrechtskonvention verpflichtet sich die Schweiz, alle Menschen mit Beeinträchtigungen vor Diskriminierung zu schützen und sie in die ...
Inklusiver Workshop zur UNO-Behindertenrechtskonvention BRK in der Integra
Durch ihren Beitritt zur UNO-Behindertenrechtskonvention verpflichtet sich die Schweiz, alle Menschen mit Beeinträchtigungen vor Diskriminierung zu schützen und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Was das bedeutet, soll ein zweitägiger Workshop aufzeigen.
Chregi Hansen
Ganz so einfach ist es eben nicht. Eigentlich hat die Behindertenrechtskonvention das Ziel, Menschen mit Behinderungen die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, dabei für die Chancengleichheit zu sorgen und auch für die Zugänglichkeit. Dazu gehören explizit auch die Information und die Kommunikation. Die BRK selber ist aber ein Paragrafendschungel, geschrieben in schwer verständlichem Juristendeutsch.
Umso mehr freut sich Regina Brechbühl, Geschäftsführerin Sebit Aargau, dass sie den Teilnehmern des Workshops zum Auftakt eine neue Version der Konvention vorlegen kann. Mit Unterstützung einiger anderer Organisationen hat Sebit die BRK in eine leicht verständliche Sprache «übersetzt». Und ermöglicht damit, dass eben auch Menschen mit einer Beeinträchtigung die Konvention lesen können. «Die Broschüre ist quasi druckfrisch, wir haben sie Ende letzte Woche erhalten und ihr seid die Ersten, die sie nun bekommen», freut sich Brechbühl.
Eigene Broschüre gedruckt
Sebit Aargau ist ein Verein zur Förderung von selbstbestimmter Bildung und Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung. So bietet der Verein Lehrgänge an, damit diese Menschen den Weg in die Selbstständigkeit schaffen. Nun lud der Verein zu einem zweitägigen Workshop zum Thema UNO-Behindertenrechtskonvention, der erste der beiden Tage fand diese Woche in der Integra statt. «Es ist ein ganz besonderer Workshop», erklärt Brechbühl stolz. «Wir haben hier Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen, Fachpersonen, Angehörige und auch solche, die bei uns bereits einen Lehrgang absolviert haben oder jetzt dran sind.»
Tatsächlich setzt sich Sebit nicht nur für Inklusion ein, sondern lebt diese auch vor. So setzt sich der Vorstand zusammen aus Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. «Und in der Vorbereitung des Workshops war es uns wichtig, dass nicht nur wir Fachpersonen, sondern auch die Betroffenen sich einbringen können», erklärte Moderator Roger Waser. Darum benötigte die Organisation mehr Zeit, dafür kamen ganz unterschiedliche Perspektiven und Ideen zusammen. «Jeder Teilnehmer hat seine eigene Geschichte, sein eigenes Wissen und seine eigenen Erfahrungen. Das führt zu einer grossen Vielfalt. Und diese Vielfalt sollten wir als Chance sehen», so Waser weiter.
Inklusion statt Integration
Im Folgenden wurde den Teilnehmern aufgezeigt, wie sich der Umgang mit Menschen mit Behinderungen verändert hat. Hat man diese früher ausgesondert aus der Gesellschaft und später in speziellen Institutionen separiert, so bemüht man sich heute um die Integration. Das geht aber vielen noch zu wenig weit und entspricht auch nicht dem Grundsatz der BRK. Inklusion ist darum das neue Zauberwort.
Inklusion bedeutet, dass alle Menschen selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Menschen mit Behinderungen müssen sich nicht mehr integrieren und an die Umwelt anpassen, sondern diese ist so gestaltet, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung möglichst selbstbestimmt gleichberechtigt leben können. «Wir leben alle zusammen und können alle voneinander lernen», erklärt der Moderator. Und er zitiert dazu den deutschen Politiker Hubert Hüppe, der einst sagte: «Wer Inklusion will, sucht Wege, wer sie verhindern will, sucht Begründungen.»
Sebit selber sucht Wege. Der Workshop zur BRK ist ein Beispiel dafür. In bunt gemischten Gruppen beschäftigen sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen mit der Konvention. Und merken schnell, dass es gar nicht so einfach ist zu entscheiden, ob man nun selbstbestimmt lebt oder nicht. Zum Beispiel, wenn es um den Verdienst geht. Eigentlich hat man Einfluss, denn man kann vielleicht gut verhandeln oder einen Job mit zu geringem Lohn ablehnen. Andererseits kann man nicht frei entscheiden, was der Arbeitgeber überhaupt bezahlt. Oder die Familie: Eine solche zu gründen, ist fast immer selbstbestimmt. Wenn man aber Kinder hat, wird sehr vieles plötzlich fremdbestimmt. Selbstbestimmt leben, wie es die BRK eigentlich will, ist also gar nicht immer so einfach. Die wichtigste Voraussetzung aber, um überhaupt selber handeln und bestimmen zu können, ist, dass man versteht, worum es geht.
Verhaltensmuster hinterfragen, Strategien entwickeln
Hier macht die Konvention klare Vorgaben. So verpflichten sich die Staaten beispielsweise zu Massnahmen, um den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen einschliesslich des Internets zu fördern, damit sie sich besser informieren können. Dass dies nicht von heute auf morgen geht, ist allen klar. «Wir können mit diesem Workshop aber dazu beitragen, bei uns selber gewisse Verhalten zu hinterfragen und neue Strategien zu entwickeln», bringt der Moderator auf den Punkt. Die Unterschrift unter die BRK war eben nur der erste Schritt, viele weitere müssen folgen.



