Das Dorfleben läuft aus dem Ruder
15.10.2019 Region OberfreiamtDas neue Bünzer Theaterprojekt ist keine einfache Kost, sorgt aber trotzdem für Lacher
Eine Zeitungsredaktion im Freiämter Dorf Sonnental. Und mit Albertinus Windig ein Politiker, der kometenhaft bis in den Bundesrat aufsteigt. Und das Helvetische ...
Das neue Bünzer Theaterprojekt ist keine einfache Kost, sorgt aber trotzdem für Lacher
Eine Zeitungsredaktion im Freiämter Dorf Sonnental. Und mit Albertinus Windig ein Politiker, der kometenhaft bis in den Bundesrat aufsteigt. Und das Helvetische Einheitsbündnis (HEB), dessen Mitglieder bald jegliche Verhältnismässigkeit verlieren. So schnell kann man die Kontrolle verlieren.
Annemarie Keusch
Die Lacher kommen immer wieder. Beispielsweise, wenn von der Rivalität jener auf der richtigen Seite der Bünz mit jenen auf der falschen die Rede ist. Oder dann, wenn am Umzug vor der Wahl Albertinus Windigs in den Nationalrat Wienerli verteilt werden, keine «Poulet-Wienerli». Ein Schmunzeln geht auch durch die Halle, als die Besucherinnen und Besucher live abstimmen und ihren Favoriten in den Bundesrat wählen können. Alain Berset, Viola Amherd, Guy Parmelin oder doch Albertinus Windig? 98,5 Prozent stimmen für Windig. Nur, wer für jemand anderes ist, dessen Antrag konnte nicht bearbeitet werden. Aber die IP-Adresse wurde registriert. Diese Abstimmung, sie war das Pausengespräch.
Die Lacher in den Vordergrund zu stellen, das wäre aber vermessen. Dass es alles andere als ein lustiges Stück ist, das mag beim einen oder anderen Besucher zu einer negativen Kritik führen. Selber mitdenken zu müssen, anstatt einfach mit Witz unterhalten zu werden, das gefällt nicht allen. Aber nach der Premiere zeigte sich eine grosse Mehrheit begeistert. Kaum aus der Halle, zierte zwar kein breites Lachen die Gesichter der Gäste. «Das cha bi eus ned passiere» ist kein Stück, nach dessen Ende alle fröhlich nach Hause gehen.
Viele Unzufriedene bilden die Basis
Innert kürzester Zeit schafft es Albertinus Windig, dank angenommener Initiative zur Volkswahl des Bundesrates, vom Gemeinderatskandidat zum Bundesrat. Sein Helvetisches Einheitsbündnis wächst und wächst und wird immer radikaler. Einige Einwohner von Sonnental fallen dem Bündnis zum Opfer. Angst und Schrecken breiten sich unter den politischen Gegnern aus. Und aus der anfänglichen Zuversicht des Chefredaktors, «dass eine Diktatur in der Schweiz nicht passieren kann. Wir sind doch eine Demokratie», wird Ernüchterung und Flucht. Anfänglich nur von allen Seiten versucht, beeinflusst zu werden, muss Chefredaktor Remus seinen Posten bald dem Helvetischen Einheitsbündnis überlassen – wie viele weitere Regionalzeitungen es müssen.
Es sind die unzufriedenen Charaktere, die die Basis für solche politischen Entwicklungen bilden. Die Theatergruppe Bünzen stellte dies eindrücklich dar – von der Rollenverteilung über die Kostüme und Requisiten bis zu den Dialogen und Monologen – authentisch war alles. Der Getränkehändler. Er will, dass die Jungen motiviert sind, viel und gerne arbeiten. In Windigs Jugendzentren lernen sie das. Remus’ Schwiegertochter. Sie ärgert sich darüber, dass die Ausländer die Busverbindung nicht lesen können, ihr Deutsch aber reicht, um Sozialhilfe zu beantragen. Die Teenagerin. Sie hat es satt, darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass sie mit mehr Aufwand die Sekundarschule erreichen könnte. «Und ihr? Ihr hinterlasst uns eine kaputte Umwelt. Ihr ändert alle fünf Jahre das Schulsystem, bis ihr selber nicht mehr folgen könnt.»
Musik als wichtiger Teil
Erst mit der Zeit regt sich Widerstand. Ausgehend vom «Freischütz», der Lokalzeitung. «Man muss doch protestieren», meint Redaktorin Lorinda. Chefredaktor Remus entgegnet: «Dafür gibt es zu wenig Papier.» Langsam schleicht Remus sich beim Helvetischen Einheitsbündnis ein. Das Konstrukt beginnt von innen zu bröckeln. Aber Remus fliegt auf, auch wenn er sich das vorher wünscht, «um endlich einmal für etwas geradezustehen». Er und Lorinda setzen sich nach Stuttgart ab, ihr Enkel David kommt nach. Und ihre Tochter? Die steht mit vorgehaltener Waffe an der Grenze.
Die schauspielerische Leistung überzeugt. Die Inszenierung begeistert. Was Regisseurin Eva Mann mit dem Bünzer Team und vielen helfenden Händen auf die Beine gestellt hat, reisst mit. Aber es gibt ein wichtiges Puzzleteil mehr, das zur erfolgreichen Premiere beitrug: die Musik. Unter der Leitung von Jonas Arnet trägt das vierköpfige Ensemble das Stück mit. Ob instrumental, mit Gesang oder auch einmal gepfiffen, die Musik ist ein unerlässlicher Bestandteil der Produktion. Die vier Musiker werden in einer Szene gar zu Schauspielern, zu pöbelnden Jugendlichen unter der HEB-Mütze. Wohl nicht als Einziger meinte ein Premierenbesucher, nachdem der Vorhang fiel: «Es hätte ruhig noch mehr Musik sein können.»
Weitere Informationen und Tickets für die weiteren Aufführungen: www.theater-buenzen.ch.







