Das Kribbeln ist zurück
30.07.2019 MuriFrauenfussball: Susanne Küng pfeift für den FC Muri und wohnt in Wohlen – sie ist an der Schiedsrichter-Weltspitze angelangt
Die Enttäuschung sitzt tief: Nach einem halben Jahr intensiver Vorbereitungszeit auf die Frauenfussball-WM kam ...
Frauenfussball: Susanne Küng pfeift für den FC Muri und wohnt in Wohlen – sie ist an der Schiedsrichter-Weltspitze angelangt
Die Enttäuschung sitzt tief: Nach einem halben Jahr intensiver Vorbereitungszeit auf die Frauenfussball-WM kam Schiedsrichter-Assistentin Susanne Küng nur gerade in einer Partie zum Einsatz. Sie wartet auf ihre nächste Chance.
Therry Landis
«Das war eine schwierige Situation. Als andere Trios bereits ihr zweites oder drittes Aufgebot erhielten, war absehbar, dass wir nicht mehr zum Zuge kommen würden», erzählt die 31-Jährige, die in Merenschwand aufgewachsen ist und beim FC Muri zuerst als Fussballerin, später als Schiedsrichterin im Einsatz stand.
Mit der Berner Schiedsrichterin Esther Staubli sowie der Engländerin Sian Massey hatte Susanne Küng zwischen Februar und April zwei einwöchige Trainingslager in Katar, ein zweiwöchiges Turnier in Zypern sowie das Champions-League-Halbfinal-Rückspiel zwischen Barcelona und Bayern München bestritten. Am 29. Mai reisten sie als gut eingespieltes Team nach Paris, wo sie sich im Hauptquartier der Referees für die WM einstimmten. Diese wurde am 7. Juni eröffnet und endete mit dem 2:0-Sieg der Amerikanerinnen gegen Holland genau einen Monat später.
Im Hotel wohnten die 26 Schiedsrichterinnen, 49 Assistentinnen, Instruktoren, Physiotherapeuten, ein Fitnessteam sowie ein Arzt. «Insgesamt waren wir etwa 100 Personen.» Die Woche vor dem Eröffnungsspiel wurde für technische Meetings, weitere Trainings und viel Theorie genutzt. «Wir wurden speziell auf die Zusammenarbeit mit den VAR (Video Assistant Referees, Videoassistent) geschult.» Dafür wurde ein Trainingstu rn ier m it U17-A mateu ren durchgeführt. «Der Videobeweis ist eine tolle Sache, wenn er richtig eingesetzt wird», urteilt Susanne Küng. Bei Schweizer Super-League-Partien kommt der VAR diese Saison erstmals zum Einsatz, allerdings nur mit zwei Videoassistenten, nicht deren drei wie an der WM.
Minutiöse Vorbereitung
Zwei Tage im Voraus wurden die Spiele zugeteilt. Matchanalysten wiesen das Schiedsrichter-Trio auf besondere Spielweisen und Schlüsselspielerinnen hin, taktische Varianten wurden anhand von Videoclips studiert. «So werden wir auf dem Platz nicht überrascht», erklärt Küng die minutiöse Vorbereitung.
Am 13. Juni war es endlich so weit: Das Trio leitete die Partie Australien gegen Brasilien der zweiten Gruppenrunde. In der 19. Minute wurde eine Australierin im gegnerischen Strafraum gehalten und kam zu Fall. Für den VAR war es ein Penalty. Da es aber in der Angriffsauslösung, also unmittelbar vor der Penaltyszene, ein Handspiel einer australischen Spielerin gab, wurde mit einem direkten Freistoss fortgefahren.
Sechs Minuten später gab es erneut eine unklare Situation, diesmal auf der anderen Seite: Die Brasilianerin Cristiane kam zu Fall. VAR stützte die Einschätzung der Schiedsrichterin, es gab Penalty. Marta, die weltbeste Fussballerin, verwandelte souverän zum 1:0. Beim 3:2 für Australien in der 66. Minute kam der VAR erneut zum Einsatz. Und diese Szene hat sich Susanne Küng ins Gedächtnis eingebrannt. «Ich wähnte eine Australierin im Offside und hob die Fahne.» Der Entscheid wurde korrigiert, der Treffer zählte. «Die Wartezeit, bis klar ist, wie die Szene endgültig beurteilt wird, scheint den Zuschauern lang. Uns auf dem Feld kommt sie bestimmt doppelt so lange vor», erzählt Susanne Küng.
Es blieb beim 3:2 für die «Matildas» aus «Down under», Brasilien qualifizierte sich trotzdem für die Achtelsfinals, wo dann Endstation war. «Dieser Match war sehr intensiv, australische Physis traf auf südamerikanisches Temperament. Keine einfache Partie», so Küngs Urteil.
Da kam schon Frust auf
Dass sie trotzdem zu keinem weiteren Einsatz kamen, war sehr enttäuschend. «Ich habe seit Jahresbeginn all meine Freizeit und Ferien für die Vorbereitung und die Endrunde investiert. Da kam kurzzeitig schon Frust auf», räumt Küng beim Treffen an ihrem Wohnort Wohlen ein. Die Juristin, die in einem 60-Prozent-Teilpensum in Bern tätig ist, brauchte ein wenig Abstand von ihrem Hobby und nahm nach der WM keine Einsätze an der Linie an. Sie konzentrierte sich auf ihren Beruf, verbrachte endlich wieder Zeit mit ihrer Familie und Freunden.
Mittlerweile haben sich ihre Batterien wieder aufgeladen, das Kribbeln ist wieder zurück. Bald wird die 31-Jährige wieder ihre Kilometer an der Seitenlinie abspulen (bei Partien der Männer in der 1. Liga). Auch international wird Susanne Küng demnächst wieder auflaufen, an der Seite der Niederwiler Schiedsrichterin Michèle Schmölzer. Vom 6. bis 14. August stehen sie am Champions-League-Qualifikationsturnier in Lettland im Einsatz.
Für die Freiämterin ist klar: «Die WM hinterlässt bei mir einen etwas bitteren Nachgeschmack. Aber die Leidenschaft ist wieder vorhanden, sie war bloss etwas eingeschlafen», lacht sie.