Boswil und der Sommer
28.06.2019 Region OberfreiamtAndreas Fleck, seit 18 Jahren beim Künstlerhaus
Der «Boswiler Sommer» wird morgen mit «Walk & Wonder» eröffnet. Seit 18 Jahren ist Andreas Fleck, künstlerischer Leiter Musik, für die Auswahl zuständig. Seit 2001 ist er Projektleiter ...
Andreas Fleck, seit 18 Jahren beim Künstlerhaus
Der «Boswiler Sommer» wird morgen mit «Walk & Wonder» eröffnet. Seit 18 Jahren ist Andreas Fleck, künstlerischer Leiter Musik, für die Auswahl zuständig. Seit 2001 ist er Projektleiter Musik am Künstlerhaus. Dort leitet und konzipiert der 50-Jährige den Boswiler Sommer, ein internationales Weltklassik-Festival mit jährlich über 100 Künstlern und 3000 Besuchern. Daneben leitet er die Meisterkonzertreihe mit neun Konzerten pro Jahr und ist an Sonderprojekten beteiligt. Andreas Fleck wohnt seit 2011 in Zürich, ist verheiratet und Vater einer einjährigen Tochter. Im Interview erzählt er, wie das Programm entstanden ist und wie sich seine Aufgaben als künstlerischer Leiter in den letzten 18 Jahren verändert haben. --tla
«Das macht Boswil legendär»
Andreas Fleck, künstlerischer Leiter Musik am Künstlerhaus Boswil, im Interview
In Boswil beginnt der Sommer morgen Samstag – wer sich während der herrschenden Hitze ob dieser Aussage die Augen reibt oder die schweissnasse Stirn trocknet, dem sei erklärt: Sie bezieht sich auf den musikalischen «Boswiler Sommer» in der Alten Kirche.
Therry Landis
Das internationale Weltklassik-Festival dauert bis zum 7. Juli, in diesen neun Tagen werden zu den 13 Konzerten rund 3000 Besucher erwartet. Verantwortlich dafür zeichnet Andreas Fleck. Der 50-jährige Wahlzürcher erzählt im Interview, wie das Programm entstanden ist und wie sich seine Aufgaben als künstlerischer Leiter in den letzten 18 Jahren verändert haben.
Der «Boswiler Sommer» läuft dieses Jahr unter dem Titel «Legendär». Wie ist die Idee dazu entstanden?
Andreas Fleck: Da muss ich etwas ausholen. Für mich ist das Künstlerhaus beispiellos: Eine kleine Kirche auf dem Land wird zum Ballungszentrum klassischer Musik. Das schaffen sonst nur Orte wie Luzern, Verbier oder Gstaad. Diese ziehen die Menschen aber auch aufgrund ihrer touristischen Qualitäten an. Zu uns nach Boswil kommt das Publikum ausschliesslich wegen der Musik und fährt meist nachts wieder nach Hause. Das macht Boswil seit bald 70 Jahren ein Stück weit legendär und zu etwas Speziellem. Und Legenden findet man in der Musik zuhauf: Carmen, Scheherazade, Casanova, aber auch Yehudi Menuhin und die Beatles – so drängte sich der Titel «Legendär» schon fast auf.
Wie trafen Sie die Auswahl?
Unser Programm soll lust- und gehaltvoll zugleich sein, wir wollen publikumstauglich und doch intellektuell sein. Wir wählen nicht einfach einen Titel und machen darunter ein bisschen von allem. Unsere Besucher sollen nicht nur satt werden, sondern für Momente eine Sehnsucht stillen können. Durch meine eigene Tätigkeit als Musiker und meine bald 20-jährige Erfahrung mit dem Festival bin ich mit sehr vielen Künstlerinnen und Künstlern in Kontakt und weiss, wer für welche Werke und Ideen am besten geeignet ist. Ich bin fast wie ein Fussballtrainer: Ich weiss, was, wann und mit wem es am besten klappt auf dem Platz (lacht).
Wie hat sich Ihre Tätigkeit als künstlerischer Leiter in den letzten 18 Jahren verändert?
Meine Tätigkeit hat sich eigentlich nicht verändert, das Umfeld jedoch extrem. Es ist eine Professionalisierung und Spezialisierung eingetreten, wie überall in der Berufswelt. Die Musik war in Boswil immer schon ganz oben, aber die Ansprüche an Technik, Catering und Service sind massiv gestiegen. In den ersten Jahren ging es hemdsärmeliger zu, da konnte auch was schiefgehen. Heute ist der Perfektionsanspruch durch die Vergleichbarkeit mit der ganzen Welt auch in Boswil angekommen.
Sind auch finanzielle Veränderungen in den vergangenen Jahren spürbar?
Oh ja, die Kosten haben sich verdoppelt! Das Budget und damit die Gagen für die Künstler hinken da mit Erhöhungen von zehn Prozent weit hintennach. Es ist ein ewiger Kampf mit den Ressourcen. Da muss man aufpassen, dass die Motivation nicht verloren geht.
Ist das bei Ihnen denn der Fall?
Nein, bis jetzt gar nicht! Ich habe das grosse Glück, von einem Team mit über 15 Personen getragen zu werden. Das motiviert mich ungemein. Ausserdem hat mir Michael Schneider, unser Geschäftsleiter, immer den Rücken gestärkt und freigehalten. Er hat extremen Anteil daran, dass alles so gut funktioniert.
Michael Schneider verlässt das Künstlerhaus jedoch im Herbst. Wie ist das für Sie?
Für mich war seine Kündigung erstmal ein grosser Schock. Einen Nachfolger zu finden, erlebte ich als schwierig, denn die Anforderungen sind schon sehr speziell und umfassend. Ich bin sehr froh, dass Samuel Steinemann in seine Fussstapfen treten wird. Ich kenne ihn schon länger, wir sind etwa im gleichen Alter. Ich freue mich darauf, mit ihm den eingeschlagenen Weg noch eine Zeit lang zu gehen.
Was erhoffen Sie sich vom diesjährigen Klassikfestival?
Die Planung ist vergleichbar mit einer Bergtour: anstrengend, aber lohnenswert. Wenn wir das Publikum nach Boswil locken, mit ihnen kostbare Momente teilen können, dann bin ich glücklich. Bis jetzt ist uns das bei 80 bis 90 Prozent Auslastung gelungen. Ich hoffe, dass wir solche Zahlen auch dieses Jahr erreichen.
Nächstes Jahr findet der «Boswiler Sommer» zum 20. Mal statt. Mit Andreas Fleck als künstlerischem Leiter?
Ja, ich werde 2020 noch dabei sein. Ich bleibe, solange das Publikum kommt und solange man mich nicht wegjagt (lacht). Das Künstlerhaus ist für mich ein magischer Ort, von dem ich nicht loskomme. Wenn ich über die kleine Brücke fahre, durch das Gartentor gehe, dann betrete ich eine andere Welt. Über dieser kleinen Kirche liegt eine nicht erklärbare Magie – vielleicht wurde sie deshalb überhaupt an dieser Stelle errichtet.