Das Wohler Spitzenquartett
26.02.2019 WohlenWohler Judokas mit Beeinträchtigung für internationale Turniere nominiert
Die G-Judokas des Judo- und Aikido-Clubs Wohlen haben grosse Herausforderungen vor sich. Markus Schaarschmidt startet an den World Games in Abu Dhabi. Raphael Boppart, Marc ...
Wohler Judokas mit Beeinträchtigung für internationale Turniere nominiert
Die G-Judokas des Judo- und Aikido-Clubs Wohlen haben grosse Herausforderungen vor sich. Markus Schaarschmidt startet an den World Games in Abu Dhabi. Raphael Boppart, Marc Bleiker und Flavio Serratore nehmen am internationalen Special-Judoturnier in Schweden teil.
Josip Lasic
Eine grosse Ehre wird den G-Judokas des Judo- und Aikido-Clubs zuteil. Der 21-jährige Markus Schaarschmidt ist einer von sechs G-Judokas, welche die Schweiz an den World Games in Abu Dhabi vom 8. bis zum 11. März repräsentiert. 32 Schweizer G-Judokas starten am internationalen Special Judoturnier in Schweden vom 30. Mai bis zum 2. Juni. Dort starten mit dem 26-jährigen Raphael Boppart, dem 19-jährigen Marc Bleiker und dem 15-jährigen Flavio Serratore gleich drei Wohler. Das G in «G-Judokas» steht für das niederländische Wort «gehandicapt» und beschreibt Judokas mit einer geistigen Beeinträchtigung.
Integration durch Sport
Die grosse Ehre hat sich das Quartett verdient. Es musste sich für die beiden Turniere qualifizieren. «Ich kann niemanden einfach anmelden», sagt Barbara Bortoluzzi, Leiterin der G-Judokas beim Judo- und Aikido-Club Wohlen. «Special Olympics nominiert sie anhand ihrer Leistungen.»
Besonders die Anforderungen an Schaarschmidt sind hoch. Im Vorfeld der World Games musste er drei Camps besuchen, wo er unter anderem auf die Kultur in Abu Dhabi vorbereitet wird und auf die Medien, die vor Ort auf die Athleten zukommen werden.
Die Nominierung der vier Wohler G-Judokas für die beiden Turniere ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die Barbara Bortoluzzi 2004 ins Leben gerufen hat. Die Mitarbeiterin der Integra in Wohlen bietet seither im Judo- und Aikido-Club das Training für Menschen mit Beeinträchtigung an. Wohlen ist einer von vier Vereinen im ganzen Land, die ein solches Training anbieten. Die anderen sind Uster, Weinfelden und La Chaux-de-Fonds. «Zu Beginn gab es viel Skepsis», sagt Andreas Schmid, Präsident vom Judo- und Aikido-Club Wohlen. «Die Akzeptanz war im Verein noch nicht so da. Es gab viele Vorurteile und hat viel Überwindung gebraucht.»
Mittlerweile ist die Akzeptanz im Verein sehr gross. Die G-Judokas trainieren mittwochs. Im Rahmen ihrer Turniervorbereitung trainieren Schaarschmidt, Serratore, Boppart und Bleiker allerdings auch freitags mit den erwachsenen Judokas mit. «Die Integration ist sehr gross», beschreibt Bortoluzzi. «Wir haben teilweise Fälle, wo andere Judokas nicht bemerken, dass es sich bei ihnen um Vereinsmitglieder mit einer Beeinträchtigung handelt.» Schmid: «Vor Weihnachten haben wir jeweils ein internes Turnier. Sehr viele Leute kommen, um unsere G-Judokas zu sehen. Sie sorgen für die grösste Stimmung und ihre Kämpfe sind sehr attraktiv zum Zuschauen.»
«Ich habe Dinge erlebt, die einem Gänsehaut bereiten», sagt Bortoluzzi. Ein Mädchen mit Beeinträchtigung, das in Wohlen Judo trainierte, hat im Alter von 13 Jahren zum ersten Mal Umarmungen zugelassen. «Ihre Mutter hat mir unter Tränen berichtet, wie glücklich sie ist, ihre Tochter endlich umarmen zu können.» Bei zahlreichen G-Judokas aus den Reihen der Wohler ist ausserdem die Frusttoleranz grösser geworden. So auch bei Schaarschmidt: «Ich bin dank dem Judo viel ruhiger geworden.» Bortoluzzi wird das Trio in Schweden begleiten. Schaarschmidt wird mit anderen Betreuern nach Abu Dhabi reisen. Serratore ist seit knapp fünf Jahren dabei.
Besser, als der Gurt aussagt
Bleiker, Schaarschmidt und Boppart gehören seit 2008 zum Verein. Sie gehören alle zur absoluten Elite der G-Judokas im Land und haben schon mehrere internationale Turniere bestritten. Bortoluzzi erhielt deshalb Auflagen von Special Olympics Switzerland. Boppart musste vor Schweden den grünen Gurt erhalten, Schaarschmidt und Bleiker den orangen Gurt, bevor sie wieder ins Ausland gehen, und Serratore den gelben Gurt.
Die Wohler waren bezogen auf ihre Gurt-Prüfungen zu streng mit den vier Athleten. So kam es, dass beim internationalen Turnier in Rumänien Boppart und Bleiker mit dem orangen und gelben Gurt einen Schwarzgurtträger auf den Bronzeplatz verwiesen. «Sie lassen sich vom Gurt nicht beeindrucken», sagt Schmid stolz. «Für Schwarzgurtträger ist es frustrierend, wenn sie so verlieren. Deshalb wurden wir angewiesen, ihnen die Prüfungen abzunehmen. Special Olympics war der Meinung, dass die vier besser sind, als ihre Gurtfarbe aussagt.»
Mittlerweile tragen alle vier die geforderte Gurtfarbe. Dass sie ehrgeizig sind, hört man auch anhand ihrer Zielsetzung für die internationalen Turniere. Mit Ausnahme von Serratore, dem auch der 2. Platz reichen würde, sagen alle vier, dass sie ihr jeweiliges Turnier gewinnen wollen.
Einzig der Judo- und Aikido-Club Wohlen hat einen kleinen Nachteil vom Erfolg ihrer G-Judokas. «Einen Teil der Ausgaben für die Turnierteilnahme trägt Special Olympics», sagt Schmid. «Den Rest müssen wir aus der Vereinskasse zahlen. Deshalb suchen wir jetzt Sponsoren, die uns dabei unterstützen. Denn die Auslandsturniere werden für unsere G-Judokas nicht seltener werden.»