Mit Dynamik ins Freiamt zurück
21.12.2018 Region OberfreiamtEin letztes Mal trat Noch-Bundesrätin Doris Leuthard in einem Berner Café vor die versammelte Medienwelt
Seit über zwölf Jahren ist Doris Leuthard Mitglied des Bundesrates. Seit 2010 führt sie das Departement für Umwelt, ...
Ein letztes Mal trat Noch-Bundesrätin Doris Leuthard in einem Berner Café vor die versammelte Medienwelt
Seit über zwölf Jahren ist Doris Leuthard Mitglied des Bundesrates. Seit 2010 führt sie das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) – ein grosses, anspruchsvolles Departement. In wenigen Tagen ist Schluss. Vor den Medien blickte Leuthard zurück und sagte, was an ihr typisch freiämterisch ist.
Annemarie Keusch
Immer wieder halten Passanten an, laufen ein paar Schritte zurück. Nur eine Glaswand trennt sie und Bundesrätin Doris Leuthard. Das Café Diagonal nahe des Bundeshauses ist voller Journalisten, aus der Welschschweiz, aus dem Tessin und natürlich aus Leuthards Heimat, dem Freiamt. Volksnähe, es ist eines der Wörter, die Doris Leuthard oft angeheftet werden. An ihrer letzten Pressekonferenz demonstrierte sie diese noch einmal.
Noch zehn Tage offiziell im Amt
Leuthard betonte, wie stark sich die Zusammenarbeit mit den Medien verändert habe, nicht erst seit sie im Bundesrat ist, sondern schon viel früher. Ein Zitat aus dem Jahr 1895 zeigt, dass es damals einzig «Herren Journalisten» gab und es diesen verboten war, sich auf den Korridoren des Bundeshauses aufzuhalten. «Das ist heute anders. Das Journalistenzimmer ist nicht mehr so zentral, wie es einmal war», weiss Leuthard. Alles gehe immer schneller, der Druck sei grösser geworden, gerade auch im Bereich der Kommunikation. Diese sei gerade wegen der komplexer werdenden politischen Zusammenhänge immer wichtiger.
Die scheidende Bundesrätin legte noch einmal dar, wie wichtig ihr der Ausgleich ist. «In allen Bereichen, Stadt und Land, Alt und Jung. Alle Menschen sollen miteinbezogen werden. Das ist die Philosophie der Konkordanz und diese wiederum ist der Schlüssel zum Erfolg», betonte die Merenschwanderin.
Bei Amtsantritt drohte ihr das VBS
Noch zehn Tage ist Doris Leuthard Teil des Bundesrates. In ihrer über zwölfjährigen Tätigkeit hat sie einige Projekte begleitet. Spezielle hervorzustreichen, das fällt ihr schwer. «Ich bin froh, dass ich in vielen Bereichen mithelfen konnte, etwas zu verändern, das Land weiterzubringen», sagte sie. Arbeitslosenversicherung, Energiepolitik, Gotthard-Basistunnel und die Zustimmung zum Gotthard-Strassentunnel sind Beispiele, die Leuthard nennt.
In den über zwölf Jahren mit Doris Leuthard im Bundesrat hat sich einiges getan. Bei Amtsantritt 2006 gab es beispielsweise noch keine Smartphones und keine Teslas. «Ich weiss nicht, wie man Zeit für Twitter findet, wenn man das UVEK führt», meint sie schmunzelnd.
Froh, dass eine Bisherige das UVEK übernimmt
Es sei ein grosses Departement, das sie seit 2010 innehat. Dabei erinnert sich Leuthard an ihre Wahl, als ihr drohte, das VBS, das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport übernehmen zu müssen. «Ich war nicht unglücklich, dass Samuel Schmid nicht gewechselt hat.» Unglücklich ist sie auch nicht, dass mit Simonetta Sommaruga eine Bisherige das UVEK übernimmt. «Sie kennt die Abläufe der Bundesverwaltung, als ganz Neue in diesem Departement würde es schwierig werden.»
Mit Sommaruga hat Leuthard ein Stück weit auch die Heimat gemeinsam. Sommaruga hat die Schule in Sins besucht, damit übrigens im Heimatort von alt Bundesrat Kaspar Villiger. Leuthard wuchs in Merenschwand auf und lebt immer noch dort. «Im Freiamt scheint die Luft für politische Karrieren gut zu sein.»
Überhaupt, Freiämter seien bodenständig und lamentieren nicht. «Wir im Freiamt sind Macher», sagte die Bundesrätin. Entsprechend sei die Wirtschaft in ihrer Heimat stark gewachsen. Gleichzeitig habe man den Landschaftsschutz nicht vernachlässigt. «Dieses Zusammenspiel, das habe ich ein Stück weit im Freiamt gelernt.»
Nicht als Zugpferd für die CVP auftreten
Doris Leuthard gilt als Familienmensch. Dass der Bundesrat für sie wie eine Ersatzfamilie gewesen sei, das geht ihr aber zu weit. «Doch vor allem mit den Mitarbeitenden habe ich teils mehr Zeit verbracht als mit meinem Mann oder meinen Brüdern», gesteht sie ein. Es seien Freundschaften entstanden. Natürlich werde sie gewisse Dinge vermissen. «Zweimal im Jahr gibt es das Altbundesratsessen, dann sehe ich alle wieder.» Doris Leuthard verschwindet also von der Politbühne, will sich auch nicht als Zugpferd der CVP für die Wahlen im nächsten Herbst einspannen lassen. «Höchstes einmal einen Auftritt in meinem Heimatkanton. Aber auf nationaler Ebene ziehe ich mich komplett zurück. Das ist nicht mehr meine Aufgabe.»
Was sie mit der vielen neu gewonnenen Zeit anfangen wird, weiss sie noch nicht. «Ich habe einige Ideen, entschieden habe ich noch nichts, ausser, dass ich nicht mehr so viel arbeiten will wie bisher.»
Viele schöne Orte auf der Welt
Als Bundesrätin, speziell als Bundespräsidentin, war Doris Leuthard viel auf Reisen. Ob sie einen Ort gefunden hat, wo es schöner ist als im Freiamt? Leuthard lacht. «Es gibt viele schöne Orte auf der Welt. Das Freiamt könnte von anderen Regionen lernen, noch moderner zu werden.» Gerade in Sachen Technologie gebe es noch Luft nach oben. «Jetzt habe ich mehr Zeit, um das Freiamt zu dynamisieren», meint sie mit einem Augenzwinkern.
16 von 18 Abstimmungen gewonnen
Doris Leuthard tritt also von der Politbühne ab. Die Frau des Herzens, die schlaue Taktikerin, die Strahlefrau, die stete Siegerin, die 16 von 18 Abstimmungen gewann. Wie geht sie überhaupt mit diesen Komplimenten um? «Ich nehme sie gerne zur Kenntnis und das ist es.» In zehn Tagen wars das auch als Bundesrätin.



