Doris Leuthard sagt Tschüss
28.09.2018 Region OberfreiamtRücktritt aus dem Bundesrat per Ende Jahr
Überraschend kam die Nachricht nicht. Dass Doris Leuthard aus dem Bundesrat zurücktritt, stand schon länger im Raum. Ende Jahr ist es so weit.
Alle sind sie gespalten. Dass sie in ...
Rücktritt aus dem Bundesrat per Ende Jahr
Überraschend kam die Nachricht nicht. Dass Doris Leuthard aus dem Bundesrat zurücktritt, stand schon länger im Raum. Ende Jahr ist es so weit.
Alle sind sie gespalten. Dass sie in den politischen Ruhestand tritt und wieder als Privatperson ein normales Leben führen kann, das mögen ihr alle gönnen – auch die Wegbegleiter aus dem Freiamt. Aber gleichzeitig bedauern sie den Entscheid. Das Freiamt, die CVP, Merenschwand: alle verlieren sie mit Doris Leuthard ihr Aushängeschild.
Lobende Worte kommen von allen Seiten. Theres Lepori, langjährige Grossrätin und seit vier Jahren Präsidentin der CVP Bezirk Bremgarten bezeichnet Leuthard als Leuchtturm, der weit hinaus strahlte. Herbert Strebel, während elf der zwölf Bundesratsjahren von Doris Leuthard Präsident der CVP Bezirk Muri, spricht von einem riesigen Verlust. Aber es ist von allen Seiten auch Dankbarkeit spürbar. Dankbarkeit für eine intensive Verbundenheit mit dem Kanton und dem Freiamt im Speziellen. --ake
«Unsere» Bundesrätin geht
Doris Leuthard tritt per Ende Jahr aus dem Bundesrat zurück – so reagiert das Freiamt
Mit Bestürzung oder Bedauern, aber vor allem mit viel Dankbarkeit nimmt die Freiämter Politik den Entscheid von Doris Leuthard entgegen. Ihre langjährigen CVP-Wegbegleiter zollen ihr grössten Respekt – auch für ihren Einsatz zugunsten des Freiamts.
Annemarie Keusch
Spekuliert wurde viel – schon das ganze Jahr. Für sie war jedoch schon lange klar: Sie wird in diesem Herbst ihren Rücktritt auf Ende 2018 bekannt geben. Gestern Donnerstag hat Bundesrätin Doris Leuthard ihren Abschied aus Bundesbern kommuniziert. Gewählt am 14. Juni 2006, wird die Freiämter Bundesrätin Ende 2018 gehen. Eine «gewisse Genügsamkeit» nach zwölf Jahren sei durchaus vorhanden, gab die CVP-Politikerin an der offiziellen Pressekonferenz zu.
Für sie sei die Aufgabe im Bundesrat stets «ein Dienst an der Gesellschaft, an unserem Land gewesen». Und sie habe das mit viel Engagement gemacht. Nun will Leuthard aber endlich mehr Zeit mit ihrem Mann und ihrer Familie geniessen. «Ein solcher Wechsel ist mit vielen Emotionen verbunden», betonte sie. Nahe den Tränen. «Denn ich habe diese Arbeit immer sehr gerne gemacht.»
Vorbild für alle Frauen
Gefühle hat Doris Leuthard mit ihrer Rücktrittsankündigung auch im Freiamt ausgelöst. Franziska Stenico, seit rund einem Jahr Präsidentin der CVP Bezirk Muri sagt, sie sei vom Entscheid betroffen gewesen – im ersten Moment – vor allem, weil Leuthard noch am Wochenende an einem Bezirksanlass in Mühlau referiert hatte. «Nachdem ich die Nachricht ein wenig sacken liess, hatte ich viel Verständnis für den Entscheid von Doris Leuthard», sagt sie. Als Bezirkspartei seien sie sehr stolz, zwölf Jahre eine Bundesrätin in ihren Reihen gehabt zu haben. «So wussten wir unsere Anliegen gut eingebettet», führt Stenico aus.
Nicht nur aus CVP-Sicht erachtet die Bezirkspräsidentin die scheidende Bundesrätin als Vorbild. «Sie hat ein grosses Herz für alle Bürger. Und sie ist ein grosses Vorbild für die Frauen. Mit ihrem Auftreten macht sie den Frauen Mut, sich in der Politik zu engagieren. «Sie ist ein grosses Vorbild für mich und indirekt hat sie auch mich dazu gebracht, mich einer Wahl zu stellen und ein öffentliches Amt zu übernehmen.»
Strebel zwischen Freude und Bedauern
Auch Ralf Bucher ist ein langjähriger Weggefährte von Doris Leuthard. «Ihr Entscheid ist verständlich. Es gibt ein Leben nach dem Bundesrat», sagt er. Für die CVP sei Doris Leuthard auf regionaler, aber auch auf nationaler Stufe sehr wichtig. «Künftig wird es schwieriger werden, Bundesräte ins Freiamt zu holen», meint er. Dank Doris Leuthard haben die Freiämter erkannt, dass Bundesräte auch nur Menschen sind. «Man sah sie im Volg, auf der Strasse oder wie ich einmal zufällig beim Coiffeur.»
Ihre Volksnähe schätzt auch Herbert Strebel. Zweimal hat Doris Leuthard ihm in einem handgeschriebenen Brief zur Wiederwahl in den Grossrat gratuliert. Strebel präsidierte während elf der zwölf Bundesratsjahre von Doris Leuthard die CVP Bezirk Muri. «Ich bin geteilter Meinung», sagt er zum angekündigten Rücktritt. Einerseits möge er es Doris Leuthard von ganzem Herzen gönnen, dass sie künftig mehr Zeit für sich als Privatperson habe. «Andererseits ist es für uns ein grosser Verlust», sagt er. Und mit «uns» meint er nicht die CVP, sondern die gesamte Schweiz. «Sie ist die Beste im Bundesrat. Und das hat nichts damit zu tun, dass sie in der CVP ist.»
Freiamt im Kanton besser wahrgenommen
Mit ihrem Rücktritt verliere die Region das Aushängeschild. «Dass eine Bundesrätin aus dem Bezirk Muri kommt, ist einmalig», fügt Strebel an. Das habe einen Image-Gewinn für die ganze Region mit sich gebracht. Trotz geteilter Meinung – Strebel betont: «Die Freude für sie und ihre private Zukunft überwiegt.»
Ähnlich tönt es bei Theres Lepori, Präsidentin der CVP Bezirk Bremgarten und seit 18 Jahren Grossrätin. «Überrascht vom Rücktritt bin ich nicht. Aber wie so viele bedaure ich ihn auch», sagt sie. Doris Leuthard habe für Jung und Alt viel geleistet. Und mit ihrer Wahl in den Bundesrat habe sie das Freiamt hervorgehoben. «Wir müssen uns immer wieder wehren, damit man uns auf kantonaler Ebene wahrnimmt. Das war in den zwölf Jahren mit Doris Leuthard im Bundesrat weniger der Fall», führt Lepori aus. Sie bezeichnet Leuthard als immer authentisch und vertrauenswürdig. «Eine Bundesrätin, die sich durch und durch für die Bevölkerung, speziell für den Aargau und das Freiamt einsetzt.»
Vielleicht ein Fest zum Abschluss
Mit dem Rücktritt von Doris Leuthard geht eine Ära zu Ende. «Für unser Dorf war es eine aussergewöhnliche Ära, die es nicht so schnell wieder geben wird», sagt Hannes Küng, Gemeindeammann von Merenschwand. Dank «seiner» Bundesrätin habe sich der Bekanntheitsgrad des Dorfes gesteigert. «Trotzdem sind wir gewöhnlich geblieben – auf beiden Seiten. Wir sind uns auf Augenhöhe begegnet, Doris Leuthard wollte keine Spezialbehandlung.» Aber ein gewisser Stolz sei in Merenschwand schon spürbar gewesen. Kurz nach ihrer Wahl in den Bundesrat wurde Doris Leuthard denn auch das Ehrenbürgerrecht verliehen.
Eine grosse Feier «zu Hause» gabs nach der Wahl vor zwölf Jahren. Zwei weitere 2009 und 2016 nach der Wahl zur Bundespräsidentin. Und zum Schluss? Hannes Küng schmunzelt. «Das wissen wir noch nicht. Aber wir haben ja noch Zeit, das zu entscheiden. Zuerst ist sie noch drei Monate Bundesrätin.»
16 von 18 Volksabstimmungen gewonnen
Die letzten drei Monate von über zwölf Jahren als Bundesrätin stehen bevor. Die Schweiz stehe gut da, aber sie sei auch «verletzlicher» geworden. Der internationale Handelskrieg und die grossen Migrationsströme haben laut Leuthard auch Auswirkungen auf die Schweiz. Deshalb gehe es auch in Zukunft darum, Lösungen und einen Ausgleich zu finden und bereit für einen Konsens zu sein. Die Schweiz könne auch in Zukunft ein Vorzeigemodell sein. «Die Vielfalt gehört zur Schweiz, sie macht unser Land aus und macht es auch stark.»
Doris Leuthard amtete zuerst als Wirtschaftsministerin, ab Herbst 2010 stand sie dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vor. Als Bundesrätin gewann sie zudem 16 von 18 Volksabstimmungen. Bis Ende Jahr wird sich Doris Leuthard im Bundesrat weiterhin einbringen. «Ich freue mich auf diese drei Monate. Und ich werde mich nicht zurücklehnen.» Bereits jetzt den Schongang einzulegen, «das entspricht nicht meinem Temperament». Am 1. Januar 2019 wird für sie dann ein neues Leben beginnen. «Die Zukunft lasse ich auf mich zukommen», betonte die 55-jährige Magistratin an der Pressekonferenz. Sie wolle einfach keine volle Agenda mehr. «Ich habe viele Interessen, und ich werde mal schauen, was sich alles anbietet.» Und sie hofft, dass sie dann auswählen kann.