«Leben nicht in der Theorie»
01.06.2018 WohlenMit Kurzfilm alle überzeugt
Zum 13. Mal verlieh der Rotary Club Freiamt Preise für herausragende Maturarbeiten. Den ersten Platz holten sich dabei Hannah Dobbertin und Lara Manzelli mit ihrem Kurzfilm «Seiten des Lebens», der letztes Jahr im Kino ...
Mit Kurzfilm alle überzeugt
Zum 13. Mal verlieh der Rotary Club Freiamt Preise für herausragende Maturarbeiten. Den ersten Platz holten sich dabei Hannah Dobbertin und Lara Manzelli mit ihrem Kurzfilm «Seiten des Lebens», der letztes Jahr im Kino Mansarde Premiere feierte. Die beiden jungen Frauen verbinden auf gelungene Art zwei Flüchtlingsschicksale aus verschiedenen Zeitepochen. Aber nicht nur inhaltlich, sondern auch handwerklich vermag das Werk zu überzeugen. --chh
Verleihung der Rotary-Preise an der Kantonsschule Wohlen
15 Maturarbeiten wurden von den betreuenden Lehrpersonen der Jury vorgelegt. Fünf von ihnen erhielten diese Woche eine Auszeichnung. Die Spannbreite der Projekte reicht dabei von Mikroplastik in Gewässern über den Altruismus bis hin zur Flüchtlingsproblematik.
Chregi Hansen
Sie haben bereits letztes Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Mit ihrem Kurzfilm «Seiten des Lebens» und dank der öffentlichen Premiere im Murianer Kino Mansarde sind Lara Manzelli und Hannah Dobbertin plötzlich selber ins Rampenlicht gerückt. Verschiedene Medien haben über die beiden jungen Filmemacherinnen und ihr Projekt berichtet, der «Wohler Anzeiger» hat sie gar zum «Kopf des Monats» gekürt.
Nun also folgt die nächste Ehrung. Dobbertin und Manzelli gewannen den ersten Preis bei der diesjährigen Verleihung der Rotary-Preise. Bereits zum 13. Mal hat der Rotary-Club Freiamt die besten Maturarbeiten besonders ausgezeichnet. Dazu hat eine Jury, bestehend aus drei Vertretern der Kanti und zwei Vertretern des Service-Clubs, die 15 von den Lehrpersonen eingereichten Arbeiten genau unter die Lupe genommen. «Die Qualität der Arbeiten war hoch, es war gar nicht einfach, diese in eine Rangordnung zu bringen», erklärte Rektor Matthias Angst an der Feier.
Der Herausforderung gestellt
Die Jury hat es dennoch getan – und die beiden Filmemacherinnen mit dem 1. Platz ausgezeichnet. Sehr zur Freude ihrer Lehrerin Barbara Aabid: «Sie wollten etwas bewegen und sie taten dies mit enorm grosser Kompetenz», lobte die Lehrerin an der Preisübergabe. Sie hob vor allem die Flexibilität, die Belastbarkeit und die Detailgenauigkeit der beiden hervor. «Sie haben sich jeder Herausforderung gestellt – bis hin zu den rechtlichen Fragen rund um die Filmmusik», berichtete Aabid. Viel mehr wert als der Preis ist für Hannah Dobbertin aber etwas ganz anderes. «Zu Beginn des Projektes begegneten wir Flüchtlingen, heute sind sie unsere Freunde», sagte sie.
Den zweiten und den dritten Preis holten sich zwei naturwissenschaftliche Arbeiten. «Silber» ging an Annina Meyer, die den Einfluss der Revitalisierung auf die Biodiversität an drei Standorten an der Bünz untersucht hat. «Ich hatte sie gewarnt vor dem Arbeitsaufwand und ihr gesagt, sie solle sich bei der Zählung der Arten nur auf die Flora konzentrieren», erzählt Lehrerin Anna Lüthi. Doch das war der Maturandin zu wenig.
«Tragen Mitverantwortung»
Über 230 Arten von Tieren, Pflanzen, Flechten und Pilzen hat Meyer an den untersuchten Stellen bestimmt und sie in einer eigens erstellten Datenbank erfasst und verglichen. Ihr Urteil ist eindeutig. «Es lässt sich nachweisen, dass sich durch die Revitalisierungsmassnahmen die Artenvielfalt erhöhen lässt», erklärt sie. Jetzt gehe es darum, die Bevölkerung für dieses Thema zu sensibilisieren.
Einem höchst aktuellen Thema hat sich Cyrill Bouilloux gewidmet, dem Mikroplastik in den Gewässern. Ihm ging es aber nicht um die prekäre Situation in den Ozeanen, sondern er wollte wissen, ob auch wir Freiämter einen Anteil an dieser Katastrophe haben. Also suchte er in den hiesigen Gewässern nach Spuren von Plastik – und wurde tatsächlich fündig. «Alle unsere Bäche fliessen irgendwann in einen Ozean. Wir am Anfang der Kette tragen also eine Mitverantwortung für dieses globale Problem», erinnerte er die Zuhörer. Sein Lehrer Erich Bühlmann lobte vor allem Bouilloux’ Beharrlichkeit und seine gesamtheitliche naturwissenschaftliche Vorgehensweise. «Er hat mit klaren, begründeten Hypothesen gearbeitet, viele Proben gesammelt und untersucht und hatte keine Scheu, auch extremes Fachwissen abzufragen», so Bühlmann.
Neben den drei Hauptpreisen wurden an diesem Abend noch zwei Anerkennungspreise vergeben. Einer ging an Lia Benz, die sich in ihrer Arbeit mit dem Schicksal der Verdingkinder beschäftigte. Den zweiten holte sich Nora Jäger, die der Frage nachging, ob der effektive Altruismus eine Bewegung mit Zukunft sei.
Wenn Theorien die Wahrnehmung beeinflussen
Beeindruckt von den Arbeiten zeigte sich auch Festredner Josef Sachs. «Sie haben in ihren verschiedenen Projekten spannende Fragen gestellt. Aber was mir am besten gefallen hat: Nicht alle Fragen konnten beantwortet werden. Und sie stehen dazu», erklärte der bekannte Psychiater in seiner Ansprache. Das sei wichtig. «Denn wir leben nicht in einer Theorie, sondern in einem komplexen Alltag.» Darum ist es wichtig, nicht einem Schubladendenken zu verfallen. «Das gilt für die Wissenschaft ebenso wie für die Politik.»
Was passiert, wenn man der Theorie mehr glaubt als der eigenen Wahrnehmung, zeigt das Beispiel von Galenos von Pergamon. Der Grieche galt als bedeutender Anatom seiner Zeit, seine Erkenntnisse beruhten aber fast nur auf Untersuchungen von Tieren, insbesondere Schweinen, die in vielen Bereichen grosse Ähnlichkeiten mit dem Menschen aufweisen. Seine falschen Theorien wurden selbst dann noch gelehrt, als man mehr als tausend Jahre später beim Sezieren von menschlichen Leichen eigentlich deutlich sehen konnte, dass sie falsch sind. Man glaubte ihnen mehr als dem, was man mit eigenen Augen sah. «Das kann passieren, wenn man sich aus der Praxis verabschiedet und nur noch in der Theorie lebt», warnte Sachs.
Sein Rat darum an die austretenden Maturschüler: «Verlieren Sie nicht die Bodenhaftung. Bleiben Sie im Kontakt zu anderen Menschen aus anderen Branchen.» Und: Fehler seien erlaubt. Denn durch Fehler könne man lernen. «Das ist besser, als irgendeiner Theorie oder Ideologie einfach blind zu folgen.»



