Fussball: Ivelj, der RAV-Fussballer

  16.12.2016 Fussball

RAV statt Real Madrid
Viele Jugendliche träumen davon, Fussballprofi zu werden, in die Fussstapfen der Stars zu treten und reich zu werden. Die Realität sieht anders aus. Die meisten Spieler schaffen den «Sprung nicht. Viele sind froh, wenn
sie mit dem Sport ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Doch wie sieht es danach aus? Und was machen Spieler, die keinen Vertrag mehr erhalten?
Bei diesen Fragen kommen Goran Ivelj und die Spielergewerkschaft SAFP ins Spiel. Jeden Sommer können sich vertragslose Spieler für einen Jahresbeitrag von 150 Franken im Sommercamp der SAFP fit halten, während sie einen neuen Verein suchen. Betreut werden sie von Goran Ivelj. Sie trainieren auf dem Gelände seines Clubs FC Dietikon.
Ärger in Schaffhausen
Im Sommer 2016 sind einige Namen dabei, die Bezug zum FC Wohlen haben. João Paiva, Marijan Urtic, Florian Stahel, Janko Pacar. Die Ex- Wohler Urtic und Paiva kommen bei Chiasso und United Zürich unter. Pacar und Stahel werden von Ivelj nach Wohlen vermittelt. «Der damalige FCW-Trainer Martin Rueda und René Meier haben sich bei mir nach Spielern erkundigt, die im Trainingscamp bei mir waren. Ich habe ihnen eine Liste geschickt. Als Rueda wegen Pacar und Stahel nachgehakt hat, habe ich ihm gesagt, dass ich sie an seiner Stelle verpflichten würde», so Ivelj.
Rueda vertraut dem Urteil von Ivelj. In der Aufstiegssaison 2001/02 holt er ihn nach Wohlen. Gemeinsam spielen sie ein halbes Jahr. Danach wird Ivelj zu Concordia Basel verliehen. Nach einem halben Jahr kehrt er zurück und spielt unter Rueda während Wohlens erster NLB-Saison. «Rueda weiss, dass ich ehrlich und direkt bin», sagt Ivelj. Ohne seine Einschätzung wären Abwehrchef Stahel und Goalgetter Pacar heute vermutlich nicht im Freiamt.
Ivelj konnte während seiner aktiven Zeit immer vom Fussball leben. Als er beim FC Schaffhausen unter Vertrag war, bekam er zum ersten Mal Probleme in einem Verein. Er wandte sich an die SAFP. Nach dieser negativen Erfahrung wurde er selbst in der SAFP tätig. «Ich bin ein Typ, der gerne etwas bewegt.» Während seiner Zeit beim FC Wohlen hat er eine Modeschau im Casino organisiert, um Geld für das Trainingslager zu sammeln. «In der SAFP kann ich sehr viel bewegen.»
Tatsächlich haben nicht alle Spieler das Glück, das Stahel und Pacar hatten. Die Liste der vertragslosen Spieler in der Schweiz führt Namen mit Wohler Bezug. Bujar Lika hat nach seinem Vertragsende letzte Saison keinen neuen Club gefunden. Auch Slavisa Dugic, U17-Europameister von 2002 und ehemaliger FCW-Spieler, hat aktuell keinen Verein, ebenso Nick von Niederhäusern, der Bruder von Wohlens Aussenverteidiger Nils.
Das Trainingscamp der SAFP dauert nur vier bis fünf Wochen im Sommer. Was passiert, wenn ein Spieler während dieser Zeit keinen Verein findet? «Wir von der SAFP versuchen, einen Club zu finden, bei dem sie sich zumindest fit halten können. Abgesehen davon melden sie sich normal beim RAV», sagt Ivelj. Je länger ein Spieler keinen Club hat, desto stärker versucht das RAV, ihn in die Arbeitswelt einzugliedern. «Viele Spieler haben ihr Leben lang nur Fussball gespielt und nie Arbeitserfahrung gesammelt. Firmen sind deshalb extrem vorsichtig, so jemanden einzustellen.»
Ivelj würde sich mehr Unterstützung vom RAV wünschen. «Arbeitslosen aus anderen Branchen werden Kurse angeboten, um sich weiterzubilden. Es wäre erstrebenswert, wenn man für Fussballer ein spezifisches Angebot erstellen würde», so der 37-Jährige.
Spieler mit psychischen Problemen
Ivelj wusste immer, was er wollte. Er absolvierte eine Verkaufslehre. Während der Aktivzeit besuchte er Trainerkurse. Er hatte immer einen Plan B neben dem Fussball. Viele Spieler haben das nicht. «In der Schweiz haben wir das Glück, uns auch später weiterbilden zu können», sagt er. Diese Möglichkeit bietet auch die SAFP an. Marko Muslin vom FC Wohlen macht über den Dachverband der SAFP FIFPro ein Managementstudium. Ebenso João Paiva.
Auch sonst unterstützt die SAFP Fussballer, wo sie nur kann. Über die Gewerkschaft erhält man eine rechtliche Beratung und Hilfe, kann Sprachkurse besuchen, sie helfen bei der Standortbestimmung, Weiterbildungsmöglichkeiten, dem Erstellen von Lebensläufen oder der Suche einer Krankenkasse. Sogar Infos zu psychischen Problemen liefert die SAFP. «Eine Studie hat gezeigt, dass im Durchschnitt drei Spieler in einem Kader an Depressionen, Angstzuständen und Problemen mit dem Selbstvertrauen leiden», sagt Ivelj.
Viel unentgeltliche Arbeit
Ivelj sieht seinen Einsatz als einen Schritt, der nächsten Generation von Fussballern die Karriere zu erleichtern. Er und die Mitglieder der SAFP leisten dabei viel unentgeltliche Arbeit. Ivelj kümmert sich allgemein stark um die nächste Fussballergeneration. Ivelj ist Trainer des FC Dietikon und technischer Leiter der Junioren des Vereins. «Ich setze stark auf die Jugend. Elf Kaderspieler der ersten Mannschaft sind im A-Junioren- Alter.» Daneben betreut er die U12 von GC im Stützpunkt Dietikon und ist Assistenztrainer bei der U18 von Team Aargau.
All diese Tätigkeiten sind nur wegen der Unterstützung seiner Familie möglich. «Wir leben alle Fussball. Meine Tochter Noemi spielt bei den Juniorinnen des FC Dietikon. Trainiert wird sie von meiner Frau Dragana.» Sein Sohn Ivan Gianni spielt bei den F-Junioren von Dietikon, gemeinsam mit Hakan Yakins Sohn und dem von Ex-Basel-Goalie Slaven Matan.
Durch seine diversen Tätigkeiten ist Ivelj gut vernetzt. Er nutzt das bei jeder Gelegenheit, um seinen Spielern zu helfen, egal, bei welchem Team.
Eigene Konkurrenz ausgebildet
Als Co-Trainer von Team Aargau U18 hilft Ivelj, seine eigene Konkurrenz auszubilden. Die Spieler landen, wenn sie älter werden, in der U21 von Team Aargau oder der U23 des FC Wohlen, die direkte Konkurrenten des FC Dietikon in der Meisterschaft sind. Ein Interessenkonflikt? Keineswegs. «Mir ist es wichtig, dass sich die Spieler, die ich betreut habe, gut entwickeln», sagt Ivelj. Als der FC Wohlen in Neuenburg Xamax mit 4:1 abschiesst, erzielen Pacar und Stahel drei Tore. «Ich habe ihnen danach gleich eine SMS geschrieben und gratuliert. Es freut mich, wie sie sich entwickelt haben.»
Josip Lasic

 


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