Zwischen Stolz und Frust
19.08.2025 Sport, FussballSchweizer Cup: FC Wohlen – FC Aarau 1:3 – Eine Szene gibt zu reden – Heute Heimspiel gegen Münsingen (20 Uhr)
Der FC Wohlen macht in diesem Spiel viel Freude – und versöhnt sich ein wenig mit dem Heimpublikum. Der FC Aarau tritt hingegen ...
Schweizer Cup: FC Wohlen – FC Aarau 1:3 – Eine Szene gibt zu reden – Heute Heimspiel gegen Münsingen (20 Uhr)
Der FC Wohlen macht in diesem Spiel viel Freude – und versöhnt sich ein wenig mit dem Heimpublikum. Der FC Aarau tritt hingegen «pomadig» auf, wie es Alain Schultz – der schon für beide Teams spielte – ausdrückt.
Stefan Sprenger
In der 68. Minute ereignen sich die entscheidenden Szenen in diesem Cup-Krimi. Der FC Wohlen kontert. Der omnipräsente Bijan Dalvand lanciert perfekt Dramane Sissoko. Der FCW-Stürmer wird vor dem Aarauer Tor im letzten Moment vom Ball getrennt, spurtet hinterher, stellt sein Bein zwischen FCA-Abwehrspieler
David Acquah und den Ball. Acquah, bereits mit Gelb vorbelastet, trifft Sissoko – und danach wohl auch den Ball. Der 27-jährige Sissoko, der ein starkes Spiel macht und stets für Unruhe in der FCA-Defensive sorgt, sagt klar: «Er berührt mich am Fuss. Es ist ein Penalty.» Schiedsrichterin Michèle Schmölzer lässt weiterlaufen. «Ein richtiger Entscheid», findet FC-Aarau-Verteidiger Marco Thaler (der in jener Szene danebensteht). Es ist zumindest eine sehr strittige Aktion. Ebenfalls zu reden geben die Momente danach: denn Sissoko bleibt am Boden liegen. Der FC Aarau spielt weiter.
Wie pfeift ausgerechnet eine Niederwilerin?
Die FCW-Spieler heben die Arme, signalisieren, dass die Aarauer den Ball ins Out spedieren sollen. Wohlens Luca Nascimento mäht im Mittelkreis einen Aarauer um, damit die Partie eben per Foulpfiff unterbrochen wird. Doch auch hier lässt Schmölzer weiterlaufen.
Sekunden später ist Raul Bobadilla allein vor FCW-Goalie Nico Ammann und lupft den Ball lässig ins Tor. 1:2. Anstatt Elfmeter und (ein möglicher) Platzverweis für David Acquah ist Wohlen plötzlich im Hintertreffen. «Doppelt bitter», sagt FCW-Captain Alban Pnishi. «Für mich ist es ebenfalls ein Penalty. Und unser Spieler bleibt anschliessend am Boden liegen – und Aarau trifft.»
Bijan Dalvand meint: «Egal ob es Penalty war oder nicht. Es ist schade, dass sie weiterspielen, obwohl Sissoko liegen bleibt. Die ganze Aktion ist gegen uns gelaufen, von A bis Z. Vielleicht ist es auch eine Sache der Erfahrung.» Minuten vor dieser Szene gibt es auch im FCW-Strafraum eine strittige Aktion. Bobadilla wird zu Fall gebracht.
Auch hier: kein Penalty. Auch hier ist es schwierig, ein definitives Urteil zu fällen.
Schiedsrichterin Michèle Schmölzer zeigte keine schlechte Partie – aber auch keine wirklich gute. Alle 50/50-Entscheidungen kippen auf Aarauer Seite. Eine klare Linie liess sie vermissen, hinter vorgehaltener Hand ist dies aus beiden Lagern zu hören. Und es bleibt wohl ein Geheimnis des Verbands, wieso ausgerechnet Schmölzer, die aus Niederwil stammt und nach wie vor für den FC Niederwil pfeift, dieses Aargauer Derby zugeteilt erhält.
Die Latte zittert doppelt
Der FC Wohlen zeigt in den ersten 30 Minuten eine starke Leistung, wird mit dem sehenswerten Führungstor durch Luca Nascimento belohnt. Aarau dreht vor der Pause gewaltig auf, erzielt durch Leon Frokaj (mit einem Schuss von der Strafraumgrenze) den 1:1-Ausgleich (42.). In der zweiten Halbzeit hat Aarau meist den Ball, doch Wohlen verteidigt gut, solidarisch, als Einheit. Grosses Herz, grosser Kampf. Auch nach dem 1:2 durch Bobadilla glauben die Freiämter weiterhin an die Wende.
Doch wie so oft, wenn der FC Wohlen im Schweizer Cup gegen oberklassige Gegner antritt, fehlt am Ende das Glück. Wie beispielsweise beim Freistoss von Djellon Shahini, der auf die Latte fällt. Noch sinnbildlicher für das fehlende Glück sind die Szenen in der 90. Minute. Nach einem toll kombinierten Angriff kann Dramane Sissoko aus rund 12 Metern aufs Tor ballern. Die Latte zittert. Der Abpraller landet bei Kaan Yilmaz, dessen Schuss aus nächster Nähe geblockt wird. Nochmals eine Flanke, nochmals ein Kopfball – und diesmal klärt FCA-Goalie Hirzel. «Hätten wir das 2:2 geschafft, dann hätte die Hütte gebrannt», sagt Pnishi. Praktisch im Gegenzug entscheidet der FC Aarau die Partie. Derbaci trifft zum 1:3. Für Wohlen wäre mehr dringelegen als eine ehrenvolle Niederlage.
Dennoch: Nicht der Frust überwiegt, sondern der Stolz. «Es war eine gute Leistung von uns. Am Ende war Aarau abgezockter», sagt Stürmer Dramane Sissoko. «Eine schöne Reaktion des Teams. Sie haben grossen Einsatz und Willen gezeigt», sagt Sportchef Carmine Viceconte. Trainer Piu meint: «Ich bin stolz auf das Team. Sie haben den Matchplan toll umgesetzt.»
«Ein Fussballfest»
Es war ein spannendes und intensives Spiel vor 2223 Zuschauern. Auch neben dem Platz ist der FC Wohlen zufrieden. Die Stimmung bestens – und selbst Stunden nach dem Abpfiff sind noch viele Matchbesucher vor Ort und erleben eine schöne Zeit in den Niedermatten. Der FCW hat an jenem 16. August viel Goodwill geschaffen. «Genau so haben wir uns das vorgestellt. Alles lief rund, die Stimmung war fantastisch und alle hatten Freude. Es war ein Fussballfest», sagt FCW-Co-Präsident Marcel Amrein.
Das Schlusswort gehört dem Freiämter Fussballexperten Alain Schultz – der als Profi schon für beide Aargauer Teams aufgelaufen ist. «Der FC Wohlen hat sich gut und teuer verkauft und ein Tor gemacht. Aarau war sehr pomadig, fast schon ein wenig überheblich.» Am Ende nehmen die Aarauer die Cup-Hürde Wohlen dennoch ohne grobe Zwischenfälle. Der Leader der Challenge League beweist damit, dass sie aktuell ein Topteam sind.
Revanche für 0:9-Pleite?
Morgen Mittwoch (20 Uhr) geht es für den FC Wohlen in der Meisterschaft weiter. Zu Hause (20 Uhr, Niedermatten) geht es in einem sehr wichtigen Spiel gegen den FC Münsingen. Im letzten Spiel der Saison 2024/25 (am 24. Mai) kassierten die Wohler eine historische Pleite gegen Münsingen. 0:9. Klar, dass die Wohler eine dicke Rechnung offen haben mit den Bernern. «Die Partie gegen Aarau gibt Zuversicht. Doch nun müssen wir das auch in der Meisterschaft zeigen. Und es wird gegen Münsingen ein ganz anderes Spiel», sagt Wohlens Bijan Dalvand. «Reine Kopfsache.» --spr