Zweifel am Sparwillen
19.11.2024 MutschellenBeriker Souverän lehnt Steuerfusserhöhung von 89 auf 95 Prozent ab
Teilnahmerekord, Diskussionen und Vorwürfe, der Gemeinderat wolle nicht ernsthaft sparen – dies prägte die «Gmeind» in Berikon.
Sabrina ...
Beriker Souverän lehnt Steuerfusserhöhung von 89 auf 95 Prozent ab
Teilnahmerekord, Diskussionen und Vorwürfe, der Gemeinderat wolle nicht ernsthaft sparen – dies prägte die «Gmeind» in Berikon.
Sabrina Salm
Intensiv und umsichtig habe der Gemeinderat sich mit den Finanzen auseinandergesetzt. Ausführlich erklärte Ressortvorsteher Stefan Bieri, warum eine Steuerfusserhöhung unumgänglich sei, zeigte auf, wo sie das Budget 2025 bereits durchkämmt haben und welche Investitionen in der Zukunft trotzdem noch auf die Gemeinde zukommen. Dass niemand zu einer Steuerfusserhöhung «Hurra» rufen wird, sei ihnen durchaus bewusst. «Es fällt uns nicht leicht, dies zu beantragen», sagt Bieri. «Doch durch die Steuerfusserhöhung können wir die Lücke zwischen Aufwand und Ertrag verringern.»
Weiter begründet er die Steuerfusserhöhung damit, dass sie intakte Infrastrukturen ohne Verschuldung der zukünftigen Generation hinterlassen wollen. Die Argumente des Gemeinderats schienen aber nicht zu fruchten.
Eine Mehrheit der Stimmberechtigten sah das Problem der finanziellen Schieflage an einem anderen Ort und fand, man müsse dem anstatt mit einer Steuerfusserhöhung mit «wirklichem Sparen» entgegenwirken. Dem Gemeinderat wurde fehlender Sparwille vorgeworfen.
«Wir haben ein Ausgabenproblem», fasste Finanzkommissionspräsident Rolf Huber zusammen. Obwohl die Fiko in ihrer Stellungnahme das Budget 2025 mit neuem Steuerfuss von 95 Prozent noch als nachvollziehbar bezeichnete, empfahl sie den 268 Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern von Berikon die vom Gemeinderat beantragte Steuerfusserhöhung um 6 Prozent zur Ablehnung. Diesem Antrag folgte der Souverän. Stattdessen nahm er das Budget 2025 mit einem unveränderten Steuerfuss von 89 Prozent sowie mit einem Verlust von 950 000 Franken deutlich mit 159 Ja- zu 29 Nein-Stimmen an.
Ebenfalls fand der Überweisungsantrag, der Gemeinderat solle für die nächste «Gmeind» im Sommer Einsparungen von 1 Million Franken erarbeiten und präsentieren, Gehör.
Berikon bleibt bei einem Steuerfuss von 89 Prozent und fordert vom Gemeinderat Kostendisziplin und Sparwille
Der Beriker Gemeinderat wollte an der «Gmeind» den Steuerfuss um 6 Prozent auf neu 95 Prozent erhöhen. Mit seinem Plan stiess er auf heftigen Widerstand. Auch seitens Finanzkommission. Die Steuerfusserhöhung wurde schliesslich abgelehnt. Ebenfalls Nein sagte der Souverän zu zwei Verpflichtungskrediten
Sabrina Salm
Diskussionsfreudig und mit Sparlust zeigten sich die 268 anwesenden Beriker Stimmberechtigten bereits zu Beginn der Gemeindeversammlung. Denn schon der Verpflichtungskredit von 399 700 Franken für die Erschliessung des Baugebiets «Gubel» mit Wasser und elektrischer Energie wurde klar zurückgewiesen. Eine Kostenaufteilung wollten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nicht akzeptieren. «Angesichts unserer Finanzlage sollen die Grundeigentümer diese Kosten vollumfänglich selbst übernehmen», monierte ein Votant.
Ebenfalls auf Widerstand stiess der Gemeinderat beim Vorhaben, 1 095 000 Franken für die Werkleitungs- und Strassensanierung Zopfstrasse Süd umzusetzen. Gemeinderat Stefan Bieri versuchte mit dem Argument zu überzeugen, dass hier sowieso die Strasse aufgemacht werden müsse, um das Leitungsnetz der Elektrizitätsversorgung auszubauen. Ausserdem seien die Werkleitungen, unter anderem für Wasser, alt und sanierungsbedürftig. Es wäre also besser, wenn gleich alles auf einmal gemacht werde. «Ja, es braucht eine Sanierung der Wasserrohre. Aber noch nicht jetzt», war ein Votant überzeugt. Ausserdem sei dort noch eine grosse Wiese. «Solange diese noch nicht überbaut wird, bringt diese Sanierung nichts.» Denn es könnte gut möglich sein, dass dann die Anschlüsse am falschen Ort wären. «Für das Projekt ist jetzt aber definitiv der falsche Zeitpunkt», so ein Votant weiter und wies auf die Beriker Finanzen hin. Der Rückweisungsantrag aus dem Souverän wurde deutlich angenommen.
Keinen Schuldenberg hinterlassen
Noch mehr an Fahrt haben die Diskussionen dann beim Traktandum Budget 2025 aufgenommen. Finanzvorsteher und Gemeinderat Stefan Bieri stellte das Budget vor. Selbst das Budget 2025 mit einem gerechneten Steuerfuss von 95 Prozent führt zu einem negativen Gesamtergebnis von 199 700 Franken. «Mit einem unveränderten Steuerfuss von 89 Prozent wäre der Verlust mit 949 000 Franken deutlich höher.» Es wird mit einer Abnahme des Nettovermögens der Gemeinde Berikon gerechnet. Dieses beträgt per 1. Januar 2025 mutmasslich rund 15,7 Millionen Franken.
Ein wesentlicher Grund für die Mehrausgaben sei bei Posten, auf die der Gemeinderat kaum Einfluss habe. Als Beispiele zählt er die jährlichen Pflegekosten. Bieri zeigt, wie die Kosten in den letzten vier Jahren um 1,45 Millionen Franken oder 12 Prozent angestiegen sind. «Und das jeweils bei unverändertem Steuerfuss.» Stefan Bieri macht deutlich: «Es kommt eine Verschuldung auf uns zu.» Auf gewisse Investitionen könne nicht einfach verzichtet werden. Die Infrastruktur müsse unterhalten werden. Man könne nicht einfach alle Sanierungen nach hinten schieben. «Dies wäre nicht nachhaltig.» Fremdkapital könne man schon aufnehmen, doch auch dies koste die Gemeinde langfristig mehr. «Der Gemeinderat möchte sich nicht nachhaltig verschulden wegen eines tiefen Steuerfusses.» Irgendwann werde es die Gemeinde einholen. «Es ist unsere Pflicht, nötige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.»
Aus nachvollziehbar wurde Ablehnung
Die Begründungen, weshalb eine Steuerfusserhöhung sinnvoll wäre, schienen bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgen nicht zu fruchten. «Der Sparwille ist nicht ersichtlich», fand ein Votant. Viele Positionen im Budget seien ohne Begründung erhöht worden und seien nicht nachvollziehbar. «Investitionen müssen besser überdacht werden», forderte ein anderer. Einsparungen könnte man bei Zahlungen an Dritte oder für die externe Beratung vornehmen. Auch wenn der Gemeinderat darauf hinwies, dass er bei der Budgetplanung bereits Streichungen von insgesamt über 700 000 Franken über alle Abteilungen vornahm, warfen einige Stimmberechtigte ihm weiterhin nicht vorhandene Kostendisziplin vor.
So auch die Finanzkommission. «Wir geben viel zu viel Geld aus», erklärte Fiko-Präsident Rolf Huber. Die Fiko habe schon seit einigen Jahren darauf hingewiesen, dass die Ausgeglichenheit des operativen Ergebnisses nicht erreicht werde. «Die Differenzierungsmerkmale von notwendigen und wünschenswerten Bedürfnissen fehlt», so Huber und fragt in die Runde: «Ist es ein Mehrwert für den Bürger, wenn Leistungen ausgebaut werden, die gar niemand benötigt?»
Auch wenn die Fiko in ihrer Stellungnahme zum Budget 2025 die budgetierte Steuererhöhung als «nachvollziehbar» beschrieb, stellte sie an der «Gmeind» den Antrag auf Ablehnung. Des Weiteren gab sie unter anderem folgende Empfehlungen ab: Einforderung eines ausgeglichen operativen Ergebnisses bis 2027 ohne Steuerfussanpassung und ohne Sondereffekte. In erster Priorität müssen die Kostenaufwendungen und -abwälzungen untersucht und beeinflusst werden. Weiter müsse der Gemeinderat eine Benchmark-Analyse erarbeiten und dabei Kostenreduktionsziele für den Budgetprozess implementieren.
Sparplan entwickeln
Die Meinungen waren gemacht und die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger liessen sich auch von weiteren Argumenten seitens des Gemeinderats nicht mehr beeinflussen. Sie lehnten den gemeinderätlichen Antrag, das Budget 2025 mit einem Steuerfuss von 95 Prozent, ab. Stattdessen gaben sie ihr Ja zum Budget mit einem unveränderten Steuerfuss von 89 Prozent. Auch wenn dieses einen Verlust von 950 000 Franken aufweist. Um sich im Sparwillen zu üben, fasste der Gemeinderat noch einen Auftrag, bis zur nächsten «Gmeind» einen Einsparungsplan von 1 Million Franken zu erarbeiten und dem Souverän zu präsentieren. Der Überweisungsantrag fand eine grosse Mehrheit. Einfluss auf das Budget 2025 hat dieser Sparplan jedoch noch keinen.
Frust über KSM geäussert
Teilrevision der Schulsatzungen genehmigt
An der dreieinhalbstündigen «Gmeind» in Berikon wurde auch über die Anträge aus zwei Gemeindeverbänden abgestimmt. Zum einen war da die Ermächtigung des Gemeindeverbandes Regionale Alterszentren Bremgarten-Mutschellen-Kelleramt für den Umbau des Alterszentrum Bärenmatt in Bremgarten. Die Kosten von 38 Millionen Franken übernimmt der Verband, weil es in den Statuten so festgehalten ist, braucht es aber die Zustimmung des Souveräns. «Viel zu teuer», störte sich ein Beriker über das vorhaben. So brauche es keine Tiefgarage. Er glaubte nicht daran, dass keine weiteren Kosten auf die Gemeinden kommen werden. Es gab aber auch vor allem Stimmen dafür. «Die Mitarbeitenden haben es verdient, Parkplätze direkt beim Haus zu haben.» Damit überzeugte der Votant die Mehrheit und dem Antrag wurde zugestimmt. Frust wurde im Zusammenhang mit der Teilrevision Satzungen Gemeindeverband Kreisschule Mutschellen kundgetan. Zwar war der Antrag nicht umstritten, bei dem es unter anderem zur Vereinfachung der Führungsstrukturen geht. Doch den Stimmberechtigten war es wichtig, ihre Unzufriedenheit zu platzieren. «Die Schule hat einen schlechten Ruf», was ein peinliches Zeugnis sei, so eine Person. Nicht nur die finanzielle Seite mache den Bürgerinnen und Bürgern Sorgen, sondern auch die Kompetenzen. Gemeinderat Patrick Stangl nahm die Sorgen ernst und versicherte: «Alle Involvierten wollen nur das Beste für unsere Schule.» Die KSM stehe vor grossen Herausforderungen. Das Qualitätsdefizit sei auch vom Kanton attestiert worden. «Wir bitten das BKS um Unterstützung,» --sab
Die Beschlüsse
Von 3200 Stimmberechtigten Berikerinnen und Berikern nahmen deren 268 an der «Gmeind» im Berikerhus teil. Sämtliche Beschlüsse ausser den Einbürgerungen unterstehen dem fakultativen Referendum. Es wurde Folgendes bestimmt: 1. Ja zum Protokoll. Ja zur Zusicherung des Gemeindebürgerrechts an 8 Personen. 3. – Ja zur Ermächtigung des Gemeindeverbandes Regionale Alterszentren Bremgarten-Mutschellen-Kelleramt für den Umbau und die Erweiterung des Alterszentrums Bärenmatt in Bremgarten für 38 Millionen Franken mit 152 Ja- zu 62 Nein-Stimmen. – 4. Ja zur Teilrevision Satzungen Gemeindeverband Kreisschule Mutschellen (KSM) mit 201 Ja- zu 18 Neinstimmen. 5. Dem Zusatzkredit von 25 000 Franken für die Erneuerung und Erweiterung der Fahrrad- und Kickboardabstellplätze bei der Primarschule Berikon wurde grossmehrheitlich zugestimmt. – 6. Der Verpflichtungskredit von 399 700 Franken für die Erschliessung des Baugebiets «Gubel» mit Wasser und elektrischer Energie wurde mit 226 Ja- zu 4 Nein-Stimmen zurückgewiesen. 7. – Der Rückweisungsantrag zum Verpflichtungskredit von 1 095 000 Franken für die Werkleitungs- und Strassensanierung Zopfstrasse Süd wurde mit 216 Ja zu 20 Nein genehmigt. – 8. Budget 2025: Nein zu einem Steuerfuss von 95 Prozent; Ja zu einem Steuerfuss von 89 Prozent; Nein zum Rückweisungsantrag des ganzen Budgets (183 Neinstimmen / 30 Jastimmen; Ja zum Budget 2025 mit einem Steuerfuss von 89 Prozent (159 Ja zu 29 Nein); Ja zum Überweisungsantrag, der Gemeinderat solle bis zur nächsten «Gmeind» ein mögliches Sparpotenzial von 1 Million Franken ausweisen und präsentieren. --sab