Zeit für eine neue Generation
23.12.2022 BremgartenBeim Weihnachtshof beschliessen die diesjährigen Festtage eine Ära
Gregor Keusch hat seinen Bauernhof in Hermetschwil-Staffeln gemeinsam mit Frau Kathrin über drei Jahrzehnte hinweg in ein kleines Mekka für Weihnachtsliebhaber und eine landesweit ...
Beim Weihnachtshof beschliessen die diesjährigen Festtage eine Ära
Gregor Keusch hat seinen Bauernhof in Hermetschwil-Staffeln gemeinsam mit Frau Kathrin über drei Jahrzehnte hinweg in ein kleines Mekka für Weihnachtsliebhaber und eine landesweit bekannte Adresse für hochwertige Christbäume verwandelt. Nun übergibt er den Weihnachtshof an Sohn Roman und dessen Familie.
Marco Huwyler
Eigentlich ist es ja ein schlichtes Ämtli auf der «To-do-Liste» der meisten Schweizer Haushalte vor Weihnachten. Irgendwann Ende November oder im Dezember muss ein Weihnachtsbaum besorgt werden. Auswählen, bezahlen, ab ins Auto damit und Häkchen drunter.
In Hermetschwil jedoch ist der Weihnachtsbaumkauf für viele ein stimmungsvoller Fixpunkt in der Agenda. Eine lieb gewonnene Tradition im Vorfeld der Festtage. An jeweils zwei Wochenenden vor der Bescherung verwandelt sich der Weihnachtshof der Familie Keusch nämlich in ein gemütliches, kleines Weihnachtszauberland. Festwirtschaft, heimelige Atmosphäre und ein feines Verpflegungsangebot laden zum Verweilen ein. «Für uns ist es wie ein grosses Familienfest», lächelt Gregor Keusch. «Einmal im Jahr kommt man aus nah und fern zusammen und hat eine gute Zeit hier.» Einige hundert Menschen darf die Familie Keusch mittlerweile jedes Jahr über die vier Tage hinweg begrüssen, bewirten – und last but not least natürlich mit einem schönen, neuen Weihnachtsbaum beglücken. Für jeden gekauften Baum gibt es gratis Punsch oder Glühwein zum Anstossen. Viele kommen von weither. «Wir haben zum Beispiel Kunden aus Engelberg, Andermatt, Bern oder dem Tessin», berichtet Keusch. Manch einer bleibt stundenlang und lässt sich die Gelegenheit zu einem ausgedehnten Schwatz mit dem Chef persönlich nicht nehmen. Dazu gibts Risotto, Burger und Würste aus der betriebseigenen Natura-Beef-Produktion. Viele der Anwesenden sind Familien mit kleinen Kindern. Und auch für diese ist der Ausflug auf den Weihnachtshof, dank einer Strohburg und Hoftieren zum Streicheln, ein besonderes Erlebnis.
Zeit für eine neue Ära
Dieses Jahr allerdings mussten die Kleinen auf die Begegnung mit zwei langjährigen Hofbewohnern verzichten. Das Pony «Zeus» ist umgezogen. Dies, weil es auf dem Weihnachtshof in Zukunft zu einsam gewesen wäre. Sein bester Kamerad, Esel «Hugo», ist im Herbst im hohen Eselalter, 37-jährig, verstorben. «Es ist, als hätte er es gespürt, dass eine grössere Veränderung bevorsteht. Vielleicht befand er deshalb für sich, dass es nun Zeit ist zu gehen.»
Der Weihnachtshof ist nämlich ab dem 1.1.2023 in neuen Händen. Nach 32 Jahren gibt Gregor Keusch den Stab weiter an seinen Sohn Roman. «Genau wie einst mein Vater übergebe ich in meinem 60. Lebensjahr.» Die Keuschs haben sich das mit der Übergabe reiflich überlegt und befinden, dass nun der perfekte Zeitpunkt gekommen ist. «Wir wollten beide, dass mein Vater nicht arbeitet, bis er nicht mehr kann und ich dann schon 40 bin und mir vielleicht anderswo bereits etwas aufgebaut habe», sagt Roman. So erhält er nun die Gelegenheit, in vergleichsweise jungem Alter seinen eigenen Weg zu gehen. «Roman ist jetzt 33. Er ist reif dafür. Ich selbst habe schon mit 27 übernehmen dürfen und war meinem Vater dankbar für diese Chance.»
Die goldenen Weihnachtsideen
Damals, 1991, war der Weihnachtshof ein kleiner Bauernbetrieb und hiess noch nicht so. Doch bereits Jahre vorher hatte Gregor die Weichen in diese Richtung gestellt, als er 1984 damit begann, eine Parzelle seines Vaters mit kleinen Nordmanntannen zu bepf lanzen. «Die Idee hatte ich von einem Kollegen aus Zürich, dem ich eines Tages beim Verkauf von Christbäumen behilflich war», erzählt Gregor Keusch. «Ich als bescheiden aufgewachsener Bauernsohn aus Hermetschwil war schwer beeindruckt, wie er dort mit vergleichsweise sehr geringem Aufwand mal eben ein paar hundert Franken einnahm.» Deshalb beschloss Keusch, seinem Kollegen nachzueifern. Und just als er den Betrieb seines Vaters übernehmen konnte, waren die ersten Tannen so weit, dass man sie ernten konnte. «Das war gutes Timing», lacht Keusch.
So gehörte das Weihnachtsbaumgeschäft von Stunde eins an zum Angebot unter dem neuen Hofbesitzer und wurde schon bald ein wertvolles neues Standbein. Und das Gespür für die richtige Idee im richtigen Moment bewies Gregor Keusch auch dank seiner Frau Kathrin wenige Jahre später gleich nochmals, als die beiden zu einer Zeit, als das Internet noch in den Kinderschuhen war, den Hof angesichts des neu gewachsenen Geschäftszweiges in «Weihnachtshof» umbenannten, schon 1995 eine Homepage kreierten und sich die Domain www.weihnachtshof.ch schützen liessen. Ein goldener Entscheid, von dem der Betrieb bis heute stark profitiert. Beim Googeln ist der Weihnachtshof – auch dank geschicktem Vertaggen über die Jahre – eine der ersten Adressen, die erscheint, wenn es um Christbäume geht. Das bescherte den Keuschs schon so manchen Kunden aus der ganzen Schweiz. «Manchmal sind sogar richtige Grossaufträge dabei», erzählt Keusch. So bestellte ein Hotelier aus der Innerschweiz einmal 50 Bäume aufs Mal. Und das Luzerner Kantonsspital meldete sich einst mit dem Auftrag, gleich das ganze Spital weihnachtlich zu schmücken. «Denen habe ich aber abgesagt. Das wäre für mich alleine zu viel des Guten gewesen.»
Der Hof im Wandel
Gregor Keusch weiss so manche interessante Anekdote zu erzählen. Viel ist passiert in den vergangenen drei Jahrzehnten. Vor allem auch die Nachfrage und die Ansprüche der Kunden haben sich geändert über die Jahre. «Als ich jung war, wurden die Fichten direkt ab Wald noch gratis von der Gemeinde abgegeben. Etwas anderes gab es kaum. Niemand war bereit, viel Geld für einen Baum in die Hand zu nehmen. Man hatte es auch schlicht nicht. Nur die drei, vier Reichsten im Dorf hatten eine Nordmanntanne. Das war wie ein Statussymbol, an dem man Wohlstand erkannte.» Heute dagegen ist der Christbaumverkauf ein Geschäft, auf das längst auch die Grossverteiler setzen und Millionen damit einnehmen. Die teurere Nordmanntanne, auf die Keusch von Anfang an setzte, ist heute der meistverkaufte Weihnachtsbaum der Schweiz. Und mit der Branche ist auch der Weihnachtshof gewachsen. Verkaufte Keusch zu Beginn noch 200 bis 300 Tannen pro Jahr, sind es heute mit 2000 bis 3000 rund zehnmal so viele.
Trotz aller Wichtigkeit macht das Christbaumgeschäft aber auch heute nur 20 Prozent des Umsatzes des Weihnachtshofes aus. «Er ist unser Aushängeschild und das grosse Highlight im Dezember. Doch während des Jahres verdienen wir damit natürlich nichts», sagt Gregor Keusch. Den grössten Teil ihres Einkommens verdienen die Keuschs mit ihrer Natura-Beef-Produktion in Muttertierhaltung. Daneben werden auf dem Weihnachtshof auch eine Pferdepension und Ackerbau betrieben.
Bald eine Spielgruppe?
Daran wird sich auch mit dem Generationenwechsel und dem Einzug von Roman und seiner Familie im Weihnachtshof vorerst nicht viel ändern. «Der Betrieb meines Vaters läuft gut so, wie er ist. Ich wäre ja doof, wenn ich gleich alles über den Haufen werfen würde», sagt der Filius. «Punktuell werde ich sicherlich einige Dinge verändern, damit wir noch effizienter werden, gerade in der Christbaumproduktion.» Dank seiner Weiterbildung zum Agrotechniker bringt Roman Keusch das nötige Fachwissen hierzu mit. Und auch langfristig hat er schon einige Ideen, wohin die Reise des Weihnachtshofs in Zukunft gehen könnte. Beispielsweise kann er sich vorstellen, den Hof auf Bio umzustellen. «Bei der Tierhaltung wäre dies kein Problem – eigentlich sind wir dies dort jetzt schon.» Doch ein Hof kann nur ganz oder gar nicht Bio sein. Teilbereiche zu zertifizieren, das geht nicht. «Die grosse Herausforderung werden die Christbäume», sagt der 33-Jährige. «Ganz ohne Pestizide ist es schwierig, dass sich die kleinen Bäumchen reihenweise im Verdrängungskampf der Natur durchsetzen.»
Langfristig möchte Roman den Hof noch mehr Richtung Dienstleistungsbetrieb und weg von der Produktion entwickeln. Dies könnte heissen, dass noch mehr auf Weihnachtswohlfühloase gesetzt wird. «Und weil ich selbst drei kleine Kinder habe, könnte ich mir vorstellen, dass wir wieder ein paar Tiere für einen kleinen Streichelzoo anschaffen.» Diese würden auch Kindern einer Spielgruppe Freude bereiten. Romans Frau Karin hat nämlich unlängst die Ausbildung zur Spielgruppenleiterin absolviert. «Wir liebäugeln vage damit, vielleicht hier dereinst einmal eine Hof-Spielgruppe für die Kinder der Region einzurichten. Daran fehlt es nämlich bisher in Hermetschwil-Staffeln.» Doch spruchreif sei die Sache längst nicht. «Wir wollen jetzt erst einmal ankommen.»
30 Jahre Ferien nachholen
Roman verspürt grosse Vorfreude, aber auch Respekt. «Helfen wird es sicherlich, dass der Vater nicht weit ist und ich ihn jederzeit um Rat und Hilfe bitten kann.» Reinreden will Gregor seinem Sohn aber nicht. Auch deshalb zieht er gemeinsam mit Frau Kathrin nach Bremgarten. Ob es ihm dort auf Dauer nicht langweilig wird? «Lustigerweise machen sich meine Freunde darüber mehr Sorgen als ich», lacht der bald 60-Jährige. «Es gibt so vieles, worauf ich mich freue.» Lesen, musizieren oder Töff fahren will Keusch etwa. Und vor allem einmal richtig verreisen. «Wir hatten jetzt über 30 Jahre keine richtigen Ferien. Das gilt es nun nachzuholen.» Wenn es wieder weihnachtet, wird Gregor Keusch aber sicherlich zurück sein. Und aller Voraussicht nach auch 2023 wieder bei seinem alten Hof auf der Matte stehen, wenn es darum geht, mitzuhelfen, den Christbaumkauf für zahlreiche Familien aus der ganzen Schweiz zum einmaligen Adventserlebnis werden zu lassen, das für so manchen mittlerweile einfach zur Weihnachtszeit gehört.