Wut auf Abfallregime
28.04.2023 BremgartenUnterschriften eingereicht
Gegen das System mit Unterflurcontainern in der Unterstadt gibt es weiterhin Widerstand.
«Viele haben sich erleichtert und dankbar gezeigt, dass wir ihnen eine Stimme geben», sagt Maria König. «Man ...
Unterschriften eingereicht
Gegen das System mit Unterflurcontainern in der Unterstadt gibt es weiterhin Widerstand.
«Viele haben sich erleichtert und dankbar gezeigt, dass wir ihnen eine Stimme geben», sagt Maria König. «Man fühlt sich ohnmächtig und ungehört in der Unterstadt.» König gehört zur Gruppe derjenigen, die in den vergangenen Wochen durch die unteren Gassen der Altstadt weibelten, um Unterschriften zu sammeln. 134 kamen so zusammen. Die Signierenden fordern vom Stadtrat eine Veränderung des Abfallregimes in der Unterstadt. Das System mit Unterflurcontainersammelstellen und die weiten Wege dorthin seien momentan unhaltbar. --huy
«Fühlen uns wie ein Ghetto»
Unterstadtbewohner reichen Unterschriften gegen das Bremgarter Abfallregime ein
Das System mit Unterflurcontainern ist vielen Anwohnern der Unterstadt ein Dorn im Auge. Insbesondere seit der Aufhebung der Kornhausplatz-Sammelstelle seien die weiten Wege eine Zumutung, finden viele. Mit einer Petition fordern sie nun den Stadtrat zum Handeln auf. Es ist das nächste Kapitel einer Thematik, die das Städtli schon lange beschäftigt.
Marco Huwyler
Zwar ist es erst zwei Jahre her, dass in der Bremgarter Unterstadt Unterflurcontainer zur Abfallentsorgung installiert wurden, doch man wähnt sich bereits in einer unendlichen Geschichte.
2021 – nach der Sanierung und Neupflästerung der Gassen – wurde das System mit den unterirdischen Sammelstellen statt den regelmässigen Müll- und Grüngutabfuhren eingeführt. Und seither sorgt es immer wieder für grosse Polemik. Unmutsbekundungen an Gemeindeversammlungen, erboste Anrufe ins Rathaus, Leserbriefe in dieser Zeitung und Reklamationsschreiben zuhanden des Stadtrats folgen sich in regelmässigen Abständen. Es ist offensichtlich – die betroffenen Anwohner, oder zumindest ein Teil von ihnen, sind nicht glücklich mit dem neuen Abfallregime.
Dabei wäre die Idee eigentlich bestechend. Denn die Vorteile liegen auf der Hand. Statt dass der Kehricht und das Grüngut von sperrigen und lärmigen Fahrzeugen, die durch die engen Gässchen navigieren müssen, arbeitsintensiv vor jedem Haushalt abgeholt werden, sollte man fortan seinen Müll rund um die Uhr an drei zentralen Sammelstellen entsorgen können. Damit spart die Stadt langfristig nicht nur Zeit und Geld – auch der wöchentliche Anblick und Geruch von Abfall und Unrat in den idyllischen malerischen Gässchen gehört so ein für alle Mal der Vergangenheit an. Win-Win für alle Beteiligten, könnte man meinen. Allerdings hat das System auch einige nicht unerhebliche Haken.
Der Gestank neben dem Café
Da wäre einmal die Sache mit den Standorten. Eine Abfallsammelstelle inmitten von belebtem und dicht besiedeltem Altstadtgebiet einzurichten, ist nicht ganz einfach. Einerseits, weil die Platz- und Eigentumsverhältnisse dies vielerorts nicht ermöglichen – andererseits aber auch, weil eine solche Sammelstelle als direkte Nachbarschaft nicht sehr beliebt ist.
So führte denn auch die zentrale Sammelstelle beim umgestalteten Kornhausplatz von Tag 1 an zu grossen Diskussionen. «Cafferino»-Besitzer Silvano de Matteis wehrte sich letztlich erfolgreich mit seinen Beschwerden, die in einer Unterschriftenaktion gipfelten, gegen die Sammelstelle neben seinem Café, wobei er neben dem Visuellen vor allem die Geruchsemissionen monierte. Nach aufwendigen Abklärungen und zahlreichen Versuchen der Stadt, das Problem in den Griff zu kriegen, gab man schliesslich klein bei. Im Februar dieses Jahres wurde die Sammelstelle auf dem Kornhausplatz aufgehoben und die betreffenden Container bei einer der verbleibenden beiden Sammelstellen – derjenigen gegenüber dem Friedhof bei der Stadtmauer – verbaut.
Zentralste Abfallstelle ist weg
Ein Happy End ist diese Lösung nach dem Ende des Stink-Knatschs rund um den Kornhausplatz aber leider nicht. Denn mit der Aufhebung der dortigen Sammelstelle wurde den Unterstadtanwohnern auch die zentralste Möglichkeit genommen, ihren Abfall zu entsorgen. Und damit auch jene, die am meisten Anwohner tangierte. Weil diese nun ihren Unrat und ihr Grüngut zu einem der beiden verbleibenden Standorte bringen müssen – neben demjenigen beim Friedhof bleibt noch jener beim Hermannsturm –, verlängern sich für viele die Distanzen. Und zwar so sehr, dass dies von vielen als unhaltbar erachtet wird.
Erschwernisse im Alltag
Aus diesem Grund haben sich einige Anwohner zusammengeschlossen und in den vergangenen Wochen Unterschriften gesammelt. Ihr Credo: Das jetzige Abfallregime in der Bremgarter Unterstadt sei impraktikabel und unzumutbar für viele Betroffene. Insbesondere ältere Menschen seien in die Lage gebracht worden, dass sie ihren Abfall nicht mehr selbstständig entsorgen können. Die Petition fordert den Stadtrat zum Handeln auf. «Das jetzige Regime ist eine Diskriminierung der Bewohnerinnen und Bewohner der Unterstadt und bedeutet einen Abbau des Service public», heisst es im Wortlaut der Petition. Die Haushaltungen der Unterstadt sollen künftig wieder – wie alle anderen Stadtteile – «mit Kehricht- und Grüngutabfuhr bedient werden – inklusive Sperrgut».
Das Grüppchen der Initianten rund um den in Bremgarten bestens als Vorsteher der Stadtführergruppe bekannten Reto Jäger hat die 134 gesammelten Unterschriften von Direktbetroffenen am Mittwoch (in arbeitsbedingter Abwesenheit des Ressortvorstehers Daniel Sommerhalder) Raymond Tellenbach übergeben. Der Stadtammann erhielt auch gleich einige Beispiele, was das Abfallregime seiner Regierung für die Anwohner der Unterstadt im Alltag bedeute. «Wir müssen unsere Grünabfuhr nun privat organisieren», hiess es beispielsweise. «Das bedeutet, dass praktisch jeden Tag Lieferwagen zu anderen Gärten fahren, um Grüngut abzuholen.» Viele Menschen hätten nun einen Gärtner, bloss weil dieser das Grüngut mitnehme. Und Menschen mit Behinderung oder Gebrechen seien besonders betroffen. «Der Stadtrat gibt mir zu spüren, wie schwer meine Behinderung wiegt, mit der ich bislang gut zurechtkam», sagt eine Anwohnerin etwa. Viele Menschen bräuchten nun regelmässige Hilfe beim Abfallentsorgen, die zuvor selbstständig gewesen seien. «Bei jeder Bushaltestelle versucht man löblicherweise durch Behindertengerechtigkeit allen das Leben so leicht wie möglich zu machen», sagt jemand weiter. «Aber ausgerechnet beim Abfallregime – etwas, das den Alltag eines jeden zwangsläufig tangiert – wirft man jenen Menschen unüberwindbare Steine in den Weg.»
Die zuweilen richtig wütenden Anwohner fühlen sich vom Stadtrat ungleich und ungerecht behandelt. «In der Unterstadt hält man sich nicht an das geltende Abfallreglement, demgemäss sich die Stadt um die Müllund Grüngutabfuhr sämtlicher Haushalte kümmert», lautet der Vorwurf. «Wir fühlen uns in der Unterstadt, als wären wir Bremgartens Ghetto.»
Hartnäckigkeit angekündigt
Die Anwohner hoffen nun, dass die Praxis der Abfallentsorgung in der Unterstadt nochmals überdacht wird. Andernfalls kündigen sie weiteren Widerstand an. «Wir werden hartnäckig bleiben, bis der Stadtrat seinen Fehler einsieht», sagt Reto Jäger. «So wie die Situation jetzt für uns ist, ist sie schlicht unhaltbar. Damit kann man sich nicht arrangieren.» Das letzte Kapitel rund um die Bremgarter Unterflurcontainer ist also mit Sicherheit noch nicht geschrieben.
Anliegen wird geprüft
Der Stadtrat trifft sich infolge des Petitionseingangs in den nächsten Tagen zu einer eigens dafür einberufenen Sitzung, um das weitere Vorgehen zu besprechen. «Wir nehmen das Anliegen der Bevölkerung ernst. Es verdient sicherlich nochmals eine seriöse Prüfung. Wir wischen das keineswegs unter den Teppich», sagt der zuständige Departementsvorsteher Daniel Sommerhalder. Man stehe aber grundsätzlich immer noch hinter dem damaligen Entscheid für die Unterflurcontainer, dem ein breit abgestützter Findungsprozess mit Einbezug der Altstadtkommission und einer Volksabstimmung zugrunde liege. «Wir sehen zwar die Nachteile des Systems – aber auch die zahlreichen Vorteile, die von vielen geschätzt werden», sagt Sommerhalder.
Der Stadtrat verweist zudem darauf, dass es in Einzelfällen immer Lösungen gebe – gerade wenn grosse Mengen Grün- oder Sperrgut anfallen. «Dann kann man jederzeit bei der Stadt anrufen und jemand kommt vorbei.» --huy