Was sind unsere Werte wert?
18.02.2025 BremgartenHerausfordernd und hintersinnig
Kellertheater feierte mit der Eigeninszenierung von «Väter und Söhne» Premiere
Drei Stunden inklusive Pause dauert die neue Eigeninszenierung des Kellertheaters. Das ist aber nicht die einzige ...
Herausfordernd und hintersinnig
Kellertheater feierte mit der Eigeninszenierung von «Väter und Söhne» Premiere
Drei Stunden inklusive Pause dauert die neue Eigeninszenierung des Kellertheaters. Das ist aber nicht die einzige Herausforderung für das Publikum.
Am Samstagabend fand die Premiere der neuen Eigeninszenierung des Kellertheaters Bremgarten statt. Das Publikum wurde dabei mit einer völlig neuen Bühnengestaltung überrascht. Denn diese befand sich mitten im Raum, während die Zuschauer rundherum sassen.
Das Theaterstück «Väter und Söhne» basiert auf einer Adaption des irischen Autoren Brian Friel, der wiederum als Vorlage den gleichnamigen Roman von Iwan Turgenjew von 1862 nahm. Darin kehren zwei Studenten im Sommer in ihre alte Heimat auf das Landgut ihrer Eltern zurück. Mit vielen Ideen und radikalen Plänen möchten sie dort die Gesellschaft neu aufbauen.
Das Publikum des Kellertheaters wird mit der Eigeninszenierung mit seinen eigenen Werten konfrontiert. Es geht um ein Aufeinandertreffen von Ideologien, Polarisierung, Umbrüche, das Altbekannte und das verheissungsvolle Neue. Und es geht um Wandel, welchen auch die Protagonisten durchmachen.
Dem Premierenpublikum gefiel es. Gerade auch, weil gewisse Fragen die Anwesenden bis nach Hause begleiteten. --red
Erfolgreiche Premiere am Kellertheater Bremgarten
Das Kellertheater Bremgarten feierte die Premiere der neuen Eigenproduktion. Das Stück «Väter und Söhne» nach Iwan Turgenjew über Gesellschaft und Polarisierung bringt Anspielungen auf unterschiedlichste Epochen hervor.
Gianna Schläpfer
Die Studenten Arkadij und Jewgenij wühlen ihre alte Heimat auf: Für den Sommer kehren sie auf das Landgut ihrer Eltern zurück, im Gepäck jede Menge radikaler Pläne. Sie nennen sich selbst nun Nihilisten und philosophieren von der Zerstörung und dem Neuaufbau der Gesellschaft. Die besorgten Eltern tun sich schwer mit dem Weltbild ihrer Söhne. Schnell streiten sich auf der Bühne «Antiquierte Lackaffen» mit «Dummschnörris». Nicht lange, bis sich auch die Freunde in die Haare geraten und Stühle fliegen. In der schweizerdeutschen Eigenproduktion des Kellertheaters Bremgarten «Väter und Söhne» geht es um Polarisierung, Umbrüche und aufeinandertreffende Ideologien des Altbekannten und des verheissungsvollen Neuen.
Seit Herbst 2022 suchte das Kellertheater nach einem Stück mit gesellschaftlichem Anliegen. Aufbrüche, der Wunsch nach einer besseren Welt und Generationenkonflikte fanden sich im zugrunde liegenden Roman von Iwan Turgenjew. «Väter und Söhne» aus dem Jahr 1862 beschäftigt sich damit, welche Kräfte eine Gesellschaft im Privaten an- und umtreiben. Der russische Klassiker wurde im 20. Jahrhundert vom irischen Autor Brian Friel als Theaterstück adaptiert. Das Kellertheater steckte viel Sorgfalt in die Aufarbeitung der verschiedenen Fassungen des Stücks und dessen Herkunft.
Wie man einen Text beseelt
In den Proben gehe es immer auch um den Subtext der Geschichte, was die Figuren bewegt und umtreibt. «Wichtig ist es, den Text zu beseelen und mit Leben zu füllen», so Anja Betschart, welche Anna Odinzowa, eine der Hauptrollen, verkörpert. Diesen Subtext zu finden, gestaltete für sie die Proben so spannend. Sie machte sich in der Charakterentwicklung viele Gedanken dazu, was ihre Rolle der jung verwitweten Gutsbesitzerin schon alles erlebt hat: «Sie ist erfahren, pflichtbewusst und verantwortungstragend. Sie erwartet nicht mehr viel vom Leben, schon gar nicht von der Liebe.»
Während die Männer über Politik streiten, tratschen die Frauen bei der Wäsche über die Liebe? Ganz so einfach ist es dann doch nicht: Die Frauenrollen des Stücks treten als treibende Gegenkraft auf und entgegnen der Theorie und Träumerei der Studenten intellektuell herausfordernd mit ihrem Lebenswissen und Kulturverständnis. Sie glauben an Kunst und Gefühle, und das mit einer Überzeugungskraft, die den jungen Philosophen in nichts nachsteht.
Am Schluss entscheidet sich der Nihilist doch für die Liebe, die anfangs gepredigten Konzepte bleiben «revolutionärer Blödsinn». Ist politische Einstellung schlussendlich keine Frage der Argumente, sondern der Lebenslagen? Und wie viel sind uns unsere Werte wert?
Jahrelanger Gruppenzusammenhalt
In der Gruppe des Kellertheaters kennen sich bereits viele der Schauspielenden durch jahrelange Zusammenarbeit. Anja Betschart macht es grosse Freude, mit dem grossen Team engagierter Mitwirkenden zusammenzuarbeiten. Die Arbeit mit dem Regisseur sei eine grosse Freude gewesen. Mit Leidenschaft und Freundlichkeit habe Dodó Deér die Gruppe angeführt: «Er scheut sich nicht davor, zehnmal dieselben Dinge zu sagen, wenn sie wichtig sind. So jemanden braucht es für ein Stück wie dieses.»
Interessante Bühnengestaltung
Das Kellertheater überzeugt einmal mehr durch das Herzblut der Schauspielenden und eine einzigartige Bühnengestaltung. Zwischen grünem Punsch und Schallplattenmusik werden Sonnensegel aufgezogen und Mikrofone von der Decke heruntergelassen.
Im Setting von Gartenfesten und Familienabendessen wird viel gesessen, getrunken und diskutiert. Es empfiehlt sich, mit vollem Magen zu kommen, drei Stunden dauert das Stück immerhin inklusive Pause. Das textlastige Stück wurde um einige Bühnenrequisiten und Musikstücke unterschiedlicher Zeitepochen ergänzt.
Publikum und Figuren, Realität und Schauspiel sitzen hier nahe beisammen, denn von allen Seiten blickt das Publikum auf die in der Mitte aufgebaute Bühne, die Veranda des Gutshofs der Familie Kirsanow. Nach und nach erscheinen die Schauspielenden aus den Reihen des Publikums und verschwinden dort wieder. Auch sie erleben so einen Teil des Stücks aus den Augen der Zusehenden. Anja Betschart beschreibt das Erlebnis als grosses Privileg und hofft, dass die Besuchenden so viel Freude haben wie sie, wenn sie jeden Abend im Publikum Platz nimmt.
Das Stück ist noch bis zum Samstag, 29. März, an verschiedenen Wochentagen im Kellertheater zu sehen. Neu starten die Vorführungen bereits um 19.30 Uhr.