Von Zeuslern und Fräuleins
19.12.2023 BremgartenBremgarter Neujahrsblätter
Die Neujahrsblätter 2024 blicken wiederum auf zahlreiche interessante Bremgarter Themen zurück. Der Mix ist kunterbunt. Ob aktuelle Themen wie die Erstausgabe des Leuefäschts oder Archivperlen wie das Bürgerverzeichnis ...
Bremgarter Neujahrsblätter
Die Neujahrsblätter 2024 blicken wiederum auf zahlreiche interessante Bremgarter Themen zurück. Der Mix ist kunterbunt. Ob aktuelle Themen wie die Erstausgabe des Leuefäschts oder Archivperlen wie das Bürgerverzeichnis von der Hand Heinrich Bullingers aus dem Jahr 1531. 16 verschiedene Autoren erzählen eine Vielfalt an Städtli-Geschichten und -Berichten. --huy
Bremgarter Neujahrsblätter 2024
Wie immer um diese Jahreszeit liegt auch heuer wieder ein neues Sammelwerk der Schodoler Gesellschaft vor. Dieses bringt eine Vielzahl kunterbunter Geschichten des Reussstädtchens aus Vergangenheit und Gegenwart.
Marco Huwyler
«Da, wo i wohne», antwortet ein aufgelöster Anwohner der Feuermeldestelle auf die ungeduldige Nachfrage, in welcher Fabrik es nun eigentlich brenne. «I Wohle», versteht die den Anruf entgegennehmende Ordensschwester und verständigt die entsprechende Feuerwehr. Ein vergnügliches Missverständnis sorgte am 10. April 1975 dafür, dass die Wohler Feuerwehr vor derjenigen Bremgartens über den Brand in der Bremgarter «Papiiri» am Reussufer verständigt wurde. Es ist nur ein Detail aus der faszinierenden Erzählung eines Bremgarter Grossbrandes, der vor bald 50 Jahren glücklicherweise glimpflich ausging. Reto Jäger hat die Geschichte für die Bremgarter Neujahrsblätter akribisch und unterhaltsam aufgearbeitet – und zu Unterhaltungszwecken mit etwas Fantasie aufgepeppt. Die Geschichte von zwei Buben, die mit ihrem Zeuseln fast einen Städtlibrand verheerenden Ausmasses auslösten und danach jahrzehntelang unter ihrem Leichtsinn zu leiden hatten. Wann immer es brannte, wurden sie verdächtigt. Heute kann «Peter», wie er in den Neujahrsblättern genannt wird, langsam mit dem Erlebten umgehen. Ein Trost war indessen all die Jahre immer, dass die alte Papierfabrik nie jemand vermisst hat. Zumal an ihre Stelle eine Überbauung trat, die sich viel besser ins hübsche Ortsbild des Vorzeigestädtchens einfügte.
Eine Zeitreise
Die Geschichte «D Papiiri brännt» ist eines von 17 Bremgarter Themen, die im Werk der Schodoler Gesellschaft heuer von 16 verschiedenen Autoren aufgearbeitet wurden. Von der fernen Vergangenheit des einstigen Bürgerverzeichnisses von Heinz Bullinger 1531 bis zu dieses Jahr erfolgter Premiere (Leuefäscht) – die Neujahrsblätter sind wie immer eine Zeitreise durch faszinierende Fragmente Bremgartens. Da haben dunkle Kapitel wie die frontistische Bewegung der Freiämter Faschisten vor dem Zweiten Weltkrieg ebenso Platz wie rührende Erfolgsgeschichten wie diejenige des Bremgarter Meitli, das seit erst gut einem Jahr verträumt ins Reussufer blickt, aber schon nicht mehr aus dem Städtli wegzudenken ist. Eine ganze Weile länger dagegen besteht ein paar Meter weiter auf der Holzbrücke der Bremgarter Brückenheilige und Wetterbestimmer Nepomuk. Auch er mit seiner Geschichte findet in den Neujahrsblättern 2024 seinen Platz.
Aktuelle Jubiläen und ein verspätetes
Gleich drei Beiträge der Neujahrsblätter sind dieses Jahr Jubiläen gewidmet. Den 20 Jahren des Filmclubs, den 200 Jahren des Bezirksschulhauses und den 126 Jahren des HGV – wobei die Zahl 126 an sich ja nicht eben ein typischer Geburtstag für ausgedehnte Rückschauen wäre. Hier haben die Herausgeber wohl Verpasstes aus dem Vorjahr nachgeholt, als man sich fast gänzlich dem Sportgeschehen widmete. Passend ist das Thema HGV dennoch allemal – wird doch aufs kommende Jahr fast der komplette Vorstand inklusive Präsident ausgewechselt. Ein Anlass, um nochmals auf die Geschichte eines Vereins zurückzublicken, der einst als Gegenpol zum Konsumverein gegründet wurde, lange gegen die Konkurrenz der Grossverteiler kämpfte, sich gegen den Sunnemärt wehrte und aus dem sich vor 14 Jahren der FAB abspaltete – um nur einige Episoden einer seit jeher starken Bremgarter Stimme zu nennen.
In Gedenken
Die Neujahrsblätter 2024 sind auch ein Anlass, um zwei im laufenden Jahr verstorbene grosse Bremgarter zu ehren. Peter Hochuli widmete seinem lang jährigen Weggefährten Armando Caravetta an der Trauerfeier vom 17. Oktober bewegende Worte, die im Sammelwerk transkribiert wurden.
Heidi Ehrensperger ihrerseits blickt auf das Leben und Wirken von Paul Knecht zurück. Während mehr als drei Jahrzehnten unterrichtete er Generationen von Schulkindern und engagierte sich in Bremgartens Kulturleben.
Als die «Läbige» den Begriff «Fräulein» bekämpften
Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass es vor rund drei Jahrzehnten noch gang und gäbe war, bei Frauen in der Anrede Rückschluss auf ihren Zivilstand zu ziehen. In der Tat waren viele Frauen auch in Bremgarten lange stolz, als «Fräulein» angesprochen zu werden und damit Wert zu legen auf den Umstand, noch nicht an einen Mann vergeben zu sein. Die Neujahrsblätter erinnern an die Zeit, als «Läbigs Bremgarte» 1989 einen Vorstoss beim Stadtrat wagte, um die diskriminierende Ungleichbehandlung der Geschlechter bei der Anrede abzuschaffen. Ein Vorgang, der weitum für Aufmerksamkeit sorgte und nicht überall Verständnis erntete. Der Stadtrat indes gab sich kulant. Die Frauen sollten inskünftig ihre Anrede selbst wählen können. Immer weniger «Fräuleins» gab es seither. Im Jahr 2023 gibt es bei den Einwohnerdiensten niemand mehr, der so bezeichnet wird. Die Debatte rund um die geschlechtergerechte Verwendung der Sprache widmet sich heutzutage anderen Begriffen und Formalitäten. Gut möglich, dass die Neujahrsblätter in 30 Jahren auf die Zeit zurückblicken, als es noch üblich war, bei vielen Bezeichnungen alleine die männliche Form zu verwenden.