Verblüffender Showman
28.11.2023 Ringen, SportDer Jüngste im Freiämter Team sorgt für die grösste Überraschung – Die Zukunft verspricht positiv zu werden
Zu viele Punkte liegen lassen und den Final verpasst. Doch die Zukunft der Ringerstaffel Freiamt sieht gut aus. Gegen Kriessern ...
Der Jüngste im Freiämter Team sorgt für die grösste Überraschung – Die Zukunft verspricht positiv zu werden
Zu viele Punkte liegen lassen und den Final verpasst. Doch die Zukunft der Ringerstaffel Freiamt sieht gut aus. Gegen Kriessern vollbrachten zwei Freiämter eine Glanzleistung. Allen voran Saya Brunner.
Manchmal traut man seinen Augen nicht. Solch ein Moment ereignete sich am Samstagabend in der Murianer Bachmattenhalle. Dimitar Sandov (RS Kriessern) ist seit 2019 ungeschlagen, hat in dieser Saison noch keinen Punkt abgegeben (!). Im Kampf bis 65 kg Greco steht ihm nun Saya Brunner gegenüber. Mit einer gesunden Portion Arroganz betritt er die Matte. «Ich wusste, dass ich einfach mit ganzer Kraft rein muss, komme, was wolle.» Doch die erste Halbzeit läuft wie erwartet. Brunner, im November erst 18 Jahre alt geworden, wehrt sich nach Kräften, doch Sandov dominiert und führt 0:5.
«Das hat mir den Kick gegeben»
Und dann geschieht das, was selbst den kühnsten Freiämter Ringerfan sprachlos machen lässt. Der Rüstenschwiler dreht in der zweiten Halbzeit unglaublich auf. Sandov wird in die Bodenlage geschickt. Und der Freiämter nutzt seine Chance eiskalt aus. Unter riesigem Jubel dreht er Sandov erst am Boden, dann in der Luft. Er gleicht aus zum 5:5, holt sich am Ende den Sieg und 2:1-Teampunkte. Der Jüngste sorgt für die grösste Stimmungsexplosion in der Bachmattenhalle. «Was mich sicher auch zu diesem Sieg getragen hat, waren unsere Fans, diese intensive Stimmung. Die Halle hat gebebt und das hat mir den Kick gegeben, um es nach Hause zu bringen», so Brunner.
Saya Brunner, ein kleiner Showman, zelebriert den Erfolg dann mit den Fans. «Es war für mich ein Befreiungsschlag. Es war die Bestätigung für die vielen Trainingsstunden und die harte Arbeit während des ganzen Jahres.» Und es gibt Motivation, auch für die kommende internationale Saison.
Leutert: «Unglaublich wertvoll»
Denn dieser Sandov ist eigentlich eine unbezwingbare Bank. Erstmals seit dem 5. Oktober 2019 hat er verloren. Damals wurde er von Nino Leutert bezwungen. Und jener Leutert ist der zweite grosse Lichtblick im Halbfinal-Rückkampf gegen Kriessern. Im Duell bis 70 kg Freistil tritt er gegen Dominik Laritz an. Beide sind im Nationalkader. Beide sind sackstark. Wenn diese beiden Athleten aufeinandertreffen, kann man eine Münze werfen, wer gewinnt. Leutert gerät arg in Rücklage, liegt zur Pause mit 0:5 hinten. «Ich riskiere zu viel, obwohl es eigentlich nichts zu riskieren gibt», sagt er selbstkritisch. Diese «Achterbahnfahrt» – wie er diesen Kampf betitelt – hat im zweiten Durchgang aber nur noch eine Richtung. Nach oben. Und hin zum Sieg. Leutert dreht auf, holt sich Punkt um Punkt. Geduldig, clever, eiskalt. 20 Sekunden vor Ende krallt er sich den Sieg. 9:6. Und 2:1-Teampunkte. «Vor so einer Kulisse diesen Sieg zu erkämpfen, ist für mich unglaublich wertvoll. Vor allem, weil Laritz mein engster Konkurrent in der Schweiz ist.» Letzte Woche besiegte ihn Leutert schon bis 65 kg Freistil, jetzt fünf kg höher. «Das gibt Motivation und Selbstvertrauen.»
Brunner und Leutert zeigen die eindrücklichsten Leistungen in diesem Rückkampf des NLA-Halbfinals gegen Kriessern. Auch Marc Weber tritt mit viel Leidenschaft und Überzeugung auf – sein Gegner wird am Ende qualifiziert. Die Siege von Magomed Ayshkanov (11:1 gegen Ex-Freiämter Jeremy Vollenweider) und Flurin Meier (4:1 gegen Christoph Wittenwiler) waren zwar gut – aber eigentlich noch höher budgetiert. Die Leistungen von River Perlungher (2:3 gegen Sandro Hungerbühler), Kimi Käppeli (3:3 gegen Damian Dietsche) und Christian Zemp (3:3 gegen Ramon Betschart) waren phasenweise okay, aber zu wenig, um am Ende die Kriesserer zu ärgern. Die Routiniers Pascal Strebel (2:2 gegen David Loher) und Randy Vock (0:3 gegen Marc Dietsche) konnten in den letzten beiden Duellen das Ruder nicht mehr rumreissen. Die RS Freiamt gewinnt den Rückkampf zwar mit 17:14. Doch die Pleite im Hinkampf (14:21) wiegt zu schwer.
Nicola Küng, Präsident der RS Freiamt, sagt nach dem Kampf: «Die Enttäuschung hält sich in Grenzen. Es war eine tolle Reaktion des Teams, die Leistung war stark und es blieb spannend bis zum Schluss.» Marc Weber – mit 26 Jahren bereits ein Routinier – meint: «Die jungen Ringer machen Freude. Die RS Freiamt hat traditionell einen starken Nachwuchs, die Zukunft sieht positiv aus.» Nebst Brunner waren mit River Perlungher (Jahrgang 2004) und Kimi Käppeli (2003) zwei weitere U20-Ringer dabei.
Bucher: «Arsch aufreissen»
Jungspund Saya Brunner meint: «Ich bin stolz auf das Team, wir haben viel Moral bewiesen. Am Ende waren die sieben Punkte Rückstand aus dem Hinkampf zu gross. Es ist für mich nicht schlimm, dass wir es nicht in den Final geschafft haben. Ich weiss, dass starke junge Kräfte nachrücken. Wir haben eine verdammt geile Truppe. Und wenn wir zusammenstehen und ambitioniert arbeiten, dann bin ich positiv gestimmt, dass wir es bald wieder in den Final schaffen.»
Trotz grossem Rückstand kämpfen die Freiämter mit Herzblut und Leidenschaft. Sie haben alles gegeben. Es hat nicht gereicht. Nun will man gegen Einsiedeln Bronze holen. Und in den nächsten Jahren wieder angreifen. Mit Trainer Michi Bucher? «Wir werden nach der Saison zusammensitzen und alles analysieren», sagt er. Bucher ist nach wie vor etwas enttäuscht über die Einstellung und die Bereitschaft einiger Ringer. Wenn er folgende Worte sagt, dann erscheint es relativ klar, dass Bucher weitermachen will – und wird: «Wenn wir uns die nächsten Jahre den Arsch aufreissen, zusammenbleiben und Vollgas geben, dann sieht es gut aus.» --spr