Unkonventionelle Erfolgsgeschichte
01.03.2024 BremgartenFischzucht in neuen Händen
Thomas Rüppel zieht sich aus seinem Erfolgsbetrieb zurück
Aus einer kleinen Hobbyzucht hat Thomas Rüppel in den letzten zwei Jahrzehnten ein Bremgarter Vorzeigeunternehmen gemacht. Nun sieht er den ...
Fischzucht in neuen Händen
Thomas Rüppel zieht sich aus seinem Erfolgsbetrieb zurück
Aus einer kleinen Hobbyzucht hat Thomas Rüppel in den letzten zwei Jahrzehnten ein Bremgarter Vorzeigeunternehmen gemacht. Nun sieht er den Zeitpunkt gekommen, sein Lebensprojekt in neue Hände zu geben. Die Fischzucht Bremgarten übergibt er in diesen Wochen drei neuen Eigentümern.
Marco Huwyler
Die Anfänge der Fischzucht Bremgarten reichen weit über 100 Jahre zurück. Auf einem Plan aus dem Jahr 1913 im Bremgarter Rathaus ist der Betrieb als «1. Fischzucht-Anstalt der Schweiz» aufgeführt. Deren Ursprünge liegen wohl so rund um das Jahr 1890. Die Bedingungen dafür waren damals ideal. Eine reichhaltige Quelle nahe am Reussufer machte es möglich, dass man die Fische nahe am Fangort unter besten Voraussetzungen halten konnte.
In der heutigen Zeit, wo das Geschäft mit den Fischen längst zu einem hochindustrialisierten Zweig mit riesigen Zuchtbetrieben geworden ist, würde es kaum noch jemandem in den Sinn kommen, mitten in einem Wohnquartier einer malerischen Kleinstadt Speisefisch zu züchten.
Drei junge Nachfolger
Dass trotzdem auch im Jahr 2024 noch ein erfolgreicher Fischzuchtbetrieb in Bremgarten existiert, ist dem Umstand zu verdanken, dass Thomas Rüppel sich einst dazu bereit erklärte, die Anlage als Hobby weiterzubetreiben. Dank Engagement, Herzblut, Knowhow und etwas Glück fand er damit unverhofft jene Nische im umkämpften Markt, die den Betrieb in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem gefragten und profitablen Betrieb machte. Nun gab Rüppel sein Werk in neue Hände. Der Verkaufspreis war dabei sekundär. Zwei bisherige Angestellte und ein neuer junger Geschäftsführer sollen künftig dafür sorgen, dass die Fischzucht Bremgarten eine Erfolgsgeschichte bleibt. Eine, in der zum Selbstzweck stets auch das Tierwohl grossgeschrieben wurde und die in der Branche weiterhin eine wohltuende Ausnahme bleiben soll.
Thomas Rüppel übergibt mit der Fischzucht Bremgarten Leidenschaft und Lebenswerk in neue Hände
Für den langjährigen Eigentümer war die Fischzucht Bremgarten stets weit mehr als ein Geschäft. Nun zieht er sich zurück und rekapituliert die Geschichte seines Vorzeigebetriebs – der eigentlich einst gar nicht auf Profit ausgelegt war.
Marco Huwyler
Der Handel mit Speisefisch ist kein leichtes Business. Es wird mit harten Bandagen gekämpft auf dem internationalen Markt. Die Konkurrenz ist gross und die Margen entsprechend klein. Riesige Anlagen züchten und produzieren tagtäglich Tausende Tonnen Fischfleisch, unterbieten sich gegenseitig und manövrieren ihr Produkt quer durch die ganze Welt. Der moderne Konsument mag Fisch – und möchte ihn möglichst günstig. Herkunft und Bedingungen sind zumeist sekundär.
Da mutet es einigermassen seltsam an, was sich gleichzeitig mitten im Bremgarter Wohngebiet Vogelsang abspielt. Nicht nur der Name verspricht Idyll. Man befindet sich in nächster Nähe zur Reuss. Mitten zwischen Einfamilienhäusern. Weit weg von Grossindustrie plätschert aus einer hauseigenen Quelle die Moräne hinunter ein Bächlein. Und gelangt hier in eine Anlage im Grünen, wo es sprudelnd ein knappes Dutzend Becken versorgt, in denen sich verschiedene Fischsorten tummeln.
Die Fischzucht Bremgarten ist ein Betrieb, der hier seit weit über 100 Jahren existiert. In den letzten zwei Jahrzehnten hat er allen Umständen zum Trotz einen beispiellosen Aufschwung erlebt. Eine Erfolgsgeschichte, die ganz eng mit einem Namen verbunden ist: Thomas Rüppel. Ein Mann, der sich nun nach gut zwei Jahrzehnten anschickt, sein Lebensprojekt in neue Hände zu geben.
Ein siebter Sinn
«Man sagt mir, ich hätte immer schon einen siebten Sinn für das Wasser gehabt», lächelt der heute 60-Jährige. «Meine Mutter erzählt jeweils, man habe mich anbinden müssen, sobald ein Gewässer in der Nähe war.» Rüppel fasziniert von Kindheitstagen an alles daran. Das Element – und insbesondere, was darin lebt. «Die Unterwasserwelt ist so anders und geheimnisvoll», sagt er. «Fische leben in unmittelbarer Nähe zu uns und doch wissen die meisten nur sehr wenig über sie und nehmen sie kaum wahr.» Wenn man mit Rüppel dem Reussufer entlang spaziert, ist das anders. «Hier ist einer», pflegt er unvermittelt zu sagen, während seine Begleiter bloss fragend Richtung Wogen blicken.
Rüttimanns Schäferhund
Schon früh ereilte Klein Thomas der Wunsch, mehr über diese Spezies zu erfahren und mit ihnen in Kontakt zu treten. Immer wieder besuchte er als Bremgarter Bub die Fischzuchtanlage in seiner Nachbarschaft und versuchte zu erfassen, was sich hinter dem Hag abspielt. Bis er sich als 14-Jähriger schliesslich ein Herz fasste und so lange am Zaun wartete, bis der Besitzer aus dem Schuppen trat und er diesem zurufen konnte. «Das war eine ziemlich grosse Sache für mich, denn ich hatte schaurig Angst vor dem Schäferhund, den Herr Rüttimann damals besass», lacht er heute.
An besagtem Tag in den 70er-Jahren nahm Rüppel seinen ganzen Mut zusammen und fragte den damaligen Eigentümer der Fischzucht, ob er mal mithelfen dürfte. «Erst hat er mich skeptisch angeschaut – doch dann durfte ich reinschnuppern.» Über 20 Jahre lang sollte Rüppel fortan ein emsiger Helfer Rüttimanns bleiben. Wann immer möglich besuchte er ihn und lernte alles über die Fische, wie sie funktionieren, wie sie gedeihen und wie man sie schlussendlich erlegt und verarbeitet.
Eigentlich bloss ein Hobby
Als Hans Rüttimann 2003 schliesslich im fortgeschrittenen Alter seinen Fischzuchtbetrieb abgeben wollte, lag es auf der Hand, dass er seinen langjährigen Helfer als Erstes anfragte. Rüppel freilich war mittlerweile erfolgreicher Architekt, vielseitiger und umtriebiger Unternehmer, dreifacher Familienvater, Weltenbummler und engagiert an zahlreichen Fronten. Trotzdem sagte er zu. «Ich konnte damals nicht ablehnen», erzählt er. «Die Bremgarter Fischzucht lag mir schliesslich am Herzen und war Teil meiner Lebensgeschichte.» Der Erwerb des Betriebs war aber bloss als Hobby angedacht. Zumal dieser in jenen Jahren um die Jahrtausendwende auf Sparflamme betrieben wurde. «Etwa 100 Kilo Fische übernahm ich damals», berichtet Rüppel. In Fischzüchter-Massstäben also praktisch nichts und weit entfernt von einem professionellen Betrieb. Der Freude Rüppels über die nunmehr seinige Fischzucht tat dies indes keinen Abbruch. Wann immer möglich verbrachte er Zeit im Vogelsang. Als Eigentümer investierte er Zeit, Leidenschaft und Hingabe und steckte über Jahre immer wieder Kleineres und Grösseres aus seinem Privatvermögen in die Erneuerung und Verbesserung der Anlage. Trotz einem so stetig wachsenden Stamm zufriedener Privatkunden blieb die Fischzucht jahrelang ein Hobby für Rüppel, das bestenfalls selbsttragend war – bis eines Tages Coop anklopfte.
Coop und Bianchi
Angelockt vom guten Ruf, der Rüppels Fischzucht mittlerweile vorauseilte, wollte der Detailhandelsriese die regionalen Fische aus Bremgarten 2014 in sein Sortiment aufnehmen. In möglichst vielen Filialen. Für Rüppels Unternehmerinstinkt das eindeutige Zeichen, um durchzustarten. Er entschloss sich, den Betrieb zu professionalisieren. Die in die Jahre gekommene Anlage sanierte er umfassend und passte das Konzept an. Dadurch, dass er die Produktion (also die Aufzucht der Fische) an Partnerbetriebe auslagerte, konnte er fortan konstant eine gewisse Menge an frischem Fisch garantieren und seine Liefermengen und Produkte flexibel gestalten. Die Anzahl Kunden wuchs, wie auch diejenige der Angestellten.
Vor einigen Jahren gesellte sich mit Gastrolieferant Bianchi ein weiterer grosser regionaler Player zu den Kunden der Fischzucht Bremgarten dazu. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen sieben Angestellte und produziert 120 Tonnen Fisch jährlich. Aus dem Hobbybetrieb ist ein profitables lokales Vorzeigeunternehmen geworden.
Qualität auch dank Tierwohl
Im umkämpften Fischmarkt punktet die Fischzucht Bremgarten vor allem mit Frische, Verlässlichkeit und Qualität. Für Letzteres sorgt einerseits die hauseigene Quelle, die laufend reiche Wassermengen von bester Qualität liefert, was für die Aufzucht von Edelfischen wie Forellen geradezu ideal ist. Aber vor allem auch die Philosophie der Fischzucht unter Rüppel. Denn für den Bremgarter stand immer auch das Tierwohl mit an erster Stelle. «Es war ja ein Hobby für mich, das Spass machen soll – wem würde ein Quälbetrieb angetrieben von Profitmaximierung schon Spass machen?», fragt er rhetorisch. Hinzu komme, dass gute Haltungsbedingungen auch dem Produkt zugutekommen. Dadurch, dass Rüppel etwa die Mengen pro Becken bei Weitem nicht ausreizt und den Fischen Platz lässt, haben diese keinen Stress, weniger Krankheiten, kaum Bissverletzungen. In den Bremgarter Becken liegen keine Tierkadaver. Die Fische müssen nicht mit Medikamenten vollgepumpt werden. Aufwand, der für die Betreiber wegfällt, und Tierkomfort, der sich im Produkt niederschlägt. «Die Leute wundern sich manchmal, dass man auch im Geschmack merkt, wenn Fische von hier statt aus einem Grossbetrieb aus dem Ausland stammen. Für mich aber ist das völlig logisch. Alles andere wäre ja seltsam.»
Den Wurzeln treu bleiben
Vier verschiedene Fischsorten verarbeitet die Fischzucht Bremgarten mittlerweile zu zahlreichen unterschiedlichen Produkten. «Auch das ist eine Stärke von uns», sagt Rüppel. «Dadurch, dass wir unterschiedliche Kunden haben, die Unterschiedliches nachfragen, sind wir beispielsweise nicht gezwungen, Tiere bei einer bestimmten Grösse und einem bestimmten Gewicht zu schlachten, und können uns an der Nachfrage orientieren.» Diese ist spätestens seit dem Ende der Coronamassnahmen konstant hoch. «Wir könnten auch noch mehr verkaufen – an neue Kunden», sagt Rüppel. Zur Firmenphilosophie gehört es aber auch, dass man seinen langjährigen Partnern treu bleibt. Einzelne, wie die St. Josef-Stiftung, den Reusspark oder das Restaurant Stutz, beliefert man nach wie vor selbst, obschon dies mittlerweile durch Bianchi bedeutend einfacher wäre. Auch am Bremgarter Wochenmarkt, wo Rüppel einst jahrelang selbst hinter der Theke stand, betreibt man immer noch einen eigenen Stand, obwohl Direktverkauf beileibe nicht mehr das Kerngeschäft des Betriebes ist. «Wir wollen unsere Wurzeln nicht vergessen», sagt Rüppel.
Vertrauen in die Nachfolge
Dass aus der Fischzucht Bremgarten nach Jahren des Aufbaus mittlerweile ein florierendes Unternehmen erwachsen ist, würden andere geniessen und nun die Früchte der Arbeit ernten. Nicht so Thomas Rüppel. «Ich bin ein Unternehmer für Gestaltung und Aufbau. Deshalb war für mich klar, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, um kürzerzutreten», lächelt er. Vor rund einem Jahr begann er zu sondieren. Fragte seinen langjährigen Betriebsleiter Philipp Bösiger und die Vorzeigemitarbeiterin Marisa Taveres, ob sie sich die Nachfolge vorstellen konnten. Die beiden ergriffen die Chance nur allzu gern und holten mit Ueli Galli einen neuen Fachmann als Geschäftsführer mit an Bord. Der Verkauf war anschliessend vergleichsweise rasch aufgegleist. «Denn für mich war klar, dass ich die Fischzucht niemandem Dritten verkaufen wollte», sagt Rüppel. Das Finanzielle war sekundär. «Viel wichtiger war mir, dass der Betrieb im bisherigen Sinne weiterbetrieben wird.»
Formal gehört die Fischzucht Bremgarten GmbH seit dem 1. Januar dieses Jahres den neuen Besitzern. Das Land und das Gebäude bleiben weiterhin in Thomas Rüppels Besitz. Er stellt diese der Fischzucht auf unbestimmte Zeit in Pacht zur Verfügung.
Die Übergabe geht in diesen Tagen auch praktisch über die Bühne. Noch ist Rüppel fast täglich im Vogelsang anzutreffen und kümmert sich um offene Fragen und alles, was noch anfällt. «Ich werde mich langsam zurückziehen, aber immer mit Rat und Tat zur Verfügung stehen, wenn es mich braucht», sagt er. Auch für den 60-Jährigen wird es eine Umstellung, nicht mehr jeden Sonntagmorgen in aller Früh bei seinen Fischen nach dem Rechten zu sehen. «Aber Veränderungen fallen mir leicht. Zumal ich den Betrieb in wirklich guten Händen weiss.» Fische werden auch ohne Zucht Teil von Rüppels Alltag und Gedanken bleiben, so viel ist gewiss. Und seien es bloss jene vermeintlich unscheinbaren in den Wogen der Reuss.