Überbordende Spielfreude
22.11.2022 BremgartenStadtmusik Bremgarten mit Interimsdirigentin
Noch hat die Stadtmusik Bremgarten kein neues Dirigat. Trotzdem überzeugte sie im Casino. Projektdirigentin Emilie Chabrol gab den Weg vor.
Nur rund drei Monate mussten reichen, um die beiden Konzerte im ...
Stadtmusik Bremgarten mit Interimsdirigentin
Noch hat die Stadtmusik Bremgarten kein neues Dirigat. Trotzdem überzeugte sie im Casino. Projektdirigentin Emilie Chabrol gab den Weg vor.
Nur rund drei Monate mussten reichen, um die beiden Konzerte im Casino der Stadtmusik Bremgarten zusammen mit Interimsdirigentin Emilie Chabrol vorzubereiten. Als Motto für die Jahreskonzerte hatten sie «Auf neuen Wegen» gewählt. Und entsprechend vielfältig ging es musikalisch zu und her – von funkig über Blues, Flamenco, bis zu irischen Klängen. --red
Stadtmusik «auf neuen Wegen»
Sie sucht ein neues Dirigat – Emilie Chabrol hat aber schon eine gewaltige Vorgabe präsentiert
Die Spannung vor den beiden Konzerten im Casino war prickelnd spürbar. Eine gewisse Nervosität unter den 50 Aktiven auch. Drei Monate lang hatten sich die Projektdirigentin und die recht gute Stadtmusik beschnuppert. Es ist ausgezeichnet herausgekommen.
Hans Rechsteiner
Die Stadtmusik Bremgarten, ein bewährter Erstklassverein, ist nach dem Abgang von Niki Wüthrich auf der Suche nach einem neuen Dirigenten oder einer neuen Dirigentin. Sie hatten dafür schon immer ein gutes Händchen. Dass traditionell der Stadtmusikdirigent auch gleich die Musikschule leitet, sorgt unkompliziert für tauglichen Musiknachwuchs, was alle freut. Das muss aber nicht für immer so sein.
Mit Emilie Chabrol trat, mit Applaus begrüsst, eine zierliche Person ans Dirigentenpult. Sie hat ausgezeichnete Kompetenzen: Saxofonpädagogik, Blasorchester- und Bläserensembleleitung, sie dirigiert die Musikgesellschaften Rietheim und Delémont, wirkt als Opernproduktionsleiterin an der Fachhochschule Nordwestschweiz und hat 2022 den Dirigentenwettbewerb für junge Dirigentinnen gewonnen. Was will man mehr?
Sie bieten ein sehr vielfältiges Programm
Emilie Chabrol ist eine interessante bescheidene Person, dennoch eine selbstbewusst dirigierende Frau, präzis und präsent, aufmerksam, sie kommt mit wenigen Fingerzeichen aus. Das funktioniert aber nur mit einem sehr aufmerksamen Gegenüber – und das leistet diese Stadtmusik. Dem Publikum erzählt die bewährte Moderatorin Seraina Siraga die Musikstücke. Der Komponist Oliver Wäspi führt festliche Fanfarenklänge in einen funkigen Groove über. Das Feuer wird von einer fulminanten Solotrommel weitergetragen und endet in einem warmen versöhnlichen Blues – was für ein prächtiger Auftakt. Dann grüssen «Tim und Struppi», Struppi ist der Hund aus der beliebten belgischen Comic-Serie. Es geht nach Peru und zu den Inkas, da sind fein tragende Melodien, tragendes Schlagwerk, immer triumphale Fanfaren, nachdenkliche Läufe und fulminale Hymnen.
Hohes Niveau in allen Genres
Im herrlichen Werk «Danza Sinfonica» von James Barnes entwickeln Einzelinstrumente mit viel Spannung prachtvolle Melodien und abwechselnd feine Passagen, man hört und entdeckt exotisch klingende Instrumente – Kastagnetten! Die stolze Musik des klassischen spanischen Flamenco verlangt wunderbare Bässe, Rasse und Feuerwerk. Die Stadtmusik spielt mit Verve alle ihre Facetten aus. Nun in den «Meilensteinen» von Mario Bürki. Wehmütig wehende Klarinetten und Oboen jubeln, da sind vom Schlagwerk getaktete schwellende Melodien und rassige Filmmusik vom Feinsten, aber auch Marschmusik mit Bässen, Schlagzeug, Cornet, Klarinetten, gar Xylophon – wirklich schwere Musik. Und wieder Hymnen, Unwetter, ausufernde Meereswellen. «Beautiful Dreamer» ist eine wunderbare Träumerei von Stephen Forster. Und so tönt sie auch. Sie ermöglicht Träume, ist eine wehmütige Ballade, startet mit hellsten Glöcklein, hohe Flötentöne wechseln mit feinen Klarinettentönen und Oboen. «Beautiful Dreamer» entstand kurz vor Forsters frühem Tod.
Dann aber hebt die Stadtmusik ab und nimmt uns mit in einen originalen «Irish Pub» – «At Kitty O’shea’s» von Johan de Meij ist angesagt. Irlands Volksmusik gründet auf dem Liedgut der keltischen Barden, die zu den Klängen ihrer Harfen Geschichten an den Höfen vortrugen. Irische Volksmusik verbindet unbändige Lebensfreude mit traurigen melancholischen Songs, bis heute. Aber auch das können sie, die Bremgarter. Und da war ein herrliches Trompetensolo. Irische Hirtenpfeifen, mit der Harfe gezeichnete Landschaften, weich wehend, glorios pompöse Akkorde, triumphal aufmarschierende stolze Iren, hallend die grosse Trommel, beeindruckende irische Pfeifen, Flöten sangen obenaus. Und ein starkes Orchester, gut geführt. Der Applaus wollte nicht enden. Und selbstverständlich gaben sie zweieinhalb Zugaben. Die Spielfreude und Musikalität dieser Stadtmusik verspricht alles. Und hoffentlich wählen sie diese perfekt passende Dirigentin.