Tradition und Moderne
02.05.2025 MutschellenVier Jahrzehnte Schwyzerörgeli
Aus einer spontanen Idee entstand vor 40 Jahren die spätere Schwyzerörgeli-Formation «Schwyzerörgeli-Musig Mutschellen» (SöMM). Mitgegründet hatte sie das einzige noch heute aktive Mitglied Tristan Gremper. Er blickt ...
Vier Jahrzehnte Schwyzerörgeli
Aus einer spontanen Idee entstand vor 40 Jahren die spätere Schwyzerörgeli-Formation «Schwyzerörgeli-Musig Mutschellen» (SöMM). Mitgegründet hatte sie das einzige noch heute aktive Mitglied Tristan Gremper. Er blickt auf vier bewegende Musikjahrzehnte zurück – und gesteht, dass sie zu Beginn ihr Instrument zuerst richtig entdecken mussten. --rwi
«Schwyzerörgeli-Musig Mutschellen» (SöMM) feiert sein 40-jähriges Bestehen
1985 entstand in Berikon im Halacherquartier die heutige Formation SöMM. Gründungsmitglied, Schwyzerörgeler und ex-Beriker Finanzverwalter Tristan Gremper erinnert sich zurück und erklärt, wieso sich in dieser Musik Vergangenheit und Zukunft treffen.
Roger Wetli
«Händisch» lautet der Titel der vierten und letzten CD von SöMM. Und handgemacht ist die Musik von SöMM bis heute geblieben. «Wir spielen alles live. Bei uns ist und bleibt es ehrliche Musik», unterstreicht Tristan Gremper. Er musiziert seit 40 Jahren als einer von drei Schwyzerörgelern bei SöMM. Mit zum kreativen Kollektiv gehört seit 2008 auch Rolf Marti, der ideenreiche Kontrabassist aus Brittnau. Gremper betont: «Musikalisch klingen wir sehr traditionell. Wir gehen sorgfältig mit alten Traditionen um und trauen uns, die Klänge von früher auf unsere eigene Art zu tradieren. Unser Repertoire ist ein alpenländischer Ländlermix mit Vorlieben zu alten Muotathaler-Tänzen. Gleichzeitig wollen wir uns optisch nicht verstellen. Wir vier sind keine Bergler oder Älpler. Muss Volksmusik denn zwingend Stallgeruch haben?, fragt sich der SöMM-Mitgründer. «Ich finde nein. Es gibt keinen Unterschied, ob ich in einfachen Verhältnissen in Aesch BL oder wie Edgar Schiess in Ibach SZ aufgewachsen bin. Musik ist ein gelebtes Gefühl und verbindet Menschen.»
Und etwas frecher und mit Schalk dürfe Ländlermusik sowieso sein, sei es beim Spielen oder beim Performen. «Entsprechend findet man auf unserer letzten CD etwas versteckt auch uns als Fingerpuppen gestrickt, wie wir uns vor dem Publikum verneigen, und unsere Popos dreist zum Vorschein kommen», lacht Tristan Gremper. Er betont: «Es muss uns einfach Spass machen. Sonst würden wir uns nicht fast jeden Mittwochabend in Berikon treffen, um zu proben.»
Erster Auftritt an Berikerhus-Einweihung
Der ehemalige Beriker Finanzverwalter ist nicht nur das einzige verbliebene Gründungsmitglied, sondern auch das einzige der aktuellen Formation, das im Dorf wohnt. Die Idee zum Örgeln gab aber jemand anderes: «Peter Wild und ich wohnten mit unseren Familien damals in Berikon im Halacherquartier. Peter meinte eines Tages im Familiengarten: «Ich würde gerne Örgeli spielen.» Und dies, obwohl er das Instrument nicht kannte. Warum sollte Gremper nicht auch dieses Instrument lernen, da seine solide Musikausbildung am Klavier doch eine gute Ausgangsbasis war. Sie hätten sich anschliessend bei «Musig Bieri» in Wohlen zwei Schwyzerörgeli ausgeliehen, da sie ja nicht wussten, ob sie dabei bleiben würden. Zu den zwei Schwyzerörgeler gesellte sich bald Heinz Sterchi am Kontrabass, der ebenfalls im Halacher wohnte. «Wir probten und machten Ton für Ton Fortschritte. Es klang zu Beginn noch sehr bescheiden.»
Bald schon kam es zum ersten Auftritt im Berikerhus. Dies anlässlich von dessen Einweihung. «Wir konnten genau zehn Stücke und setzten auf die Kraft der Wiederholung», grinst Gremper. In den ersten zwei Jahren nannte sich die Formation «Echo vom Holzbirliberg». Die alte Bezeichnung für den Mutschellen war damals ein gängiges Ländler-Klischee. «Nur konnte niemand diesen Namen geografisch einordnen. Also änderten wir unser Musiklabel in ‹Schwyzerörgeli-Musig Mutschellen (SöMM)›.
Als Laienmusiker war es immer eine grosse Herausforderung, die Familie, den Beruf und die Musik unter einen Hut zu bringen. Edgar Schiess, der 1987 zu uns kam, musste sich den wechselnden beruflichen Anforderungen anpassen und verliess uns 1999, weil ihm neben seiner Kaderstellung keine Freizeit mehr zum Üben blieb. Schön, dass er seit 2023 wieder mitspielt», lacht Gremper. Und mit Guido Künzler aus Menzingen ZG verbindet ihn seit seinem Einstieg 1993 eine jahrzehntelange Freundschaft. Das zweistimmige Spiel der beiden ist ein tragendes Fundament der SöMM geworden.
Von Stubete zu Stubete gerannt
1993 bezeichnet Tristan Gremper als sehr wichtiges Jahr. «Damals spielten bei SöMM mit Heinz Sterchi, Guido Künzler, Edgar Schiess und mir drei von vier Personen der heutigen Formation. Wir merkten, dass ‹Fingerlen› nicht mehr reicht. Wir wollten weiterkommen und besser werden.» 1995, 1997 und 2003 erschienen drei CDs, die teilweise Eigenkompositionen enthielten. «2003 durften wir zudem im Vatikan für die Schweizergarde in Rom und im österreichischen Kramsach für die Schweiz am ‹Festival der Alpenländischen Begegnung› spielen. Das waren eindrückliche Erlebnisse.»
Für Tristan Gremper darf die Musik von SöMM sowohl eine sein, die man live in einem Restaurant beim Essen und gemütlichen Zusammensein hört, als auch eine, bei der die Geselligkeit Vorrang hat, Plaudern inklusive. «Wir schätzen aber auch Auftritte, an denen uns das Publikum aufmerksam zuhört. Es braucht beides.» Die vier Musikanten wollen nicht an jedem Wochenende auftreten. Das war aber nicht immer so. «Zu Beginn ‹rannten› wir von Stubete zu Stubete, wurden aber bald von unseren Frauen gestoppt. Dies zu Recht, weil wir noch kleine Kinder zu Hause hatten», erinnert sich Tristan Gremper. «Aktuell finden wir zwei Auftritte pro Monat ideal, es soll weiterhin Spass machen und nicht zum Müssen werden», unterstreicht Tristan Gremper. Er ist stolz darauf, eine Formation aufgebaut zu haben, die man in der Schweiz kennt. «Das ist schon schön», lacht der Schwyzerörgeler.
Aufnahmen für Filme
Seit 40 Jahren gibt es nun SöMM, die letzte CD datiert von 2010. «Ja, wir möchten wieder Musik aufnehmen», antwortet er auf die Frage, ob weitere Tonträger geplant sind. Gleichzeitig verneint Gremper: «Aus unserer Sicht macht es heute keinen Sinn mehr, CDs zu produzieren. Die aufgenommene Musik werden wir im Eigenverlag als kleine Filme auf den gängigen Plattformen veröffentlichen. Wir gehen da mit der Moderne.» Erfahrungen dazu sammelten die SöMM-Mitglieder während der Pandemie, wo sie aus der Not heraus eine eigene Musikplattform schafften und dank moderner Informationstechnik ohne direkte Kontakte ihre Aufnahmen über Internet auf You-Tube veröffentlichten. «Das hat grossen Spass gemacht. Am liebsten spielen wir aber immer noch live vor Publikum.»