Still und leise wieder zu
28.01.2025 BremgartenAsylunterkunft schliesst
Vorerst keine Geflüchteten mehr unter der Bärenmatt
Rund vier Monate nach der Eröffnung ist die Zeit Bremgartens als Bundesasylunterkunft wieder vorbei. Bald übernimmt der Kanton als ...
Asylunterkunft schliesst
Vorerst keine Geflüchteten mehr unter der Bärenmatt
Rund vier Monate nach der Eröffnung ist die Zeit Bremgartens als Bundesasylunterkunft wieder vorbei. Bald übernimmt der Kanton als Mieter.
Marco Huwyler
«Manchmal sah es ein bisschen so aus wie am Flughafen», sagt Roger Cébe. Der Geschäftsleiter des Alterszentrums Bärenmatt hat in den letzten Wochen einige Menschen mit ihrem Gepäck kommen und gehen sehen. Untergebracht waren sie in der Geschützten Sanitätsstelle (GSS) unter dem Bremgarter Altersheim. Meist nur ein paar Tage lang, bevor sie nach ihrer Ankunft in der Schweiz an Kanton und Gemeinden weiterverwiesen wurden.
Zuletzt Ukraine-Flüchtlinge
Abgesehen vom gelegentlichen Flughafen-Feeling sind diese Menschen in Bremgarten indes kaum aufgefallen. Unliebsame Zwischenfälle verzeichnete man keine. Weder in den drei Monaten von Ende September bis Weihnachten, als in der GSS allein in die Schweiz gekommene Männer untergebracht waren, noch in den vergangenen Wochen, als der Bund in Bremgarten aufgrund eines Engpasses Ukraine-Flüchtlinge unterbrachte. Nun wird die Bundesasylunterkunft per Ende Januar vorzeitig wieder geschlossen. Das Fazit nach vier Monaten Betrieb fällt von den verantwortlichen Akteuren von Bund, Stadt und Alterszentrum positiv aus.
Wie es mit der GSS in den nächsten Wochen weitergeht, ist derweil noch nicht ganz klar. In zwei Monaten übernimmt der Kanton Aargau wie vorgesehen den Mietvertrag für das temporäre Asylzentrum. Was er mit der Unterkunft unter dem Altersheim vorhat und wie der Zeitplan aussieht, hängt vor allem von den Entwicklungen der Flüchtlingszahlen und den Prognosen ab. Für die Stadt Bremgarten bringt die Abmachung derweil vorerst einige Vorteile mit sich – unabhängig davon, ob unter der Bärenmatt bald wieder Menschen untergebracht sind.
Das Bundesasylzentrum Bremgarten schliesst in diesen Tagen
Bis Ende Januar verlassen die letzten hier untergebrachten Geflüchteten die Bundesasylunterkunft unter dem Alterszentrum. Nach einer Übergangsphase geht die Unterkunft an den Kanton über. Wann und ob dort wieder Asylsuchende leben werden, weiss dieser indes noch nicht.
Marco Huwyler
Gleich dreimal insistierte die SVP diesen Sommer öffentlichkeitswirksam beim Bremgarter Stadtrat. «Wir wollen und brauchen kein SEM-Asylzentrum in Bremgarten!», lautete dabei das forsche Credo, garniert mit vielen kritischen Fragen und Bedenken. Gross waren Aufmerksamkeit und Resonanz aber nicht nur vom rechten Politspektrum, sondern auch vonseiten der Bevölkerung und der Medien. Die Meldung, dass unterhalb des Alterszentrums Bärenmatte in der dortigen geschützten Sanitätsstelle (GSS) bis zu 120 Geflüchtete untergebracht werden sollten, schlug hohe Wellen und schürte Sorgen im Städtli. Die Schlange, welche sich am Informations- und Besichtigungstag am 7. September vor dem Eingang zum unterirdischen Bunkersystem der GSS bildete, sprach Bände.
Bis Weihnachten maximal 10 Geflüchtete
Nun, kein halbes Jahr später, ist der ganze Spuk bereits wieder vorbei. «Per Ende Januar wird niemand mehr unter der Bärenmatt in Bremgarten wohnen», bestätigt Magdalena Rast, Mediensprecherin des Staatssekretariats für Migration (SEM), gegenüber dieser Zeitung. Erst am 24. September waren die ersten Geflüchteten in Bremgarten einquartiert worden. Menschen, die frisch in der Schweiz eingetroffen waren und hier eine erste Unterkunft erhielten, während sie auf einen Bescheid warteten. An die einst kommunizierte Maximalzahl von 120 kam man indes lange nicht einmal annähernd. Lediglich maximal 10 Personen (alleinreisende Männer) auf einmal waren bis am 24. Dezember gleichzeitig im Bremgarter Bundesasylzentrum untergebracht.
Danach disponierte das SEM um. Von Weihnachten bis Januar stationierte man hier Schutzsuchende aus der Ukraine, um andernorts für Entlastung zu sorgen. Die Festtage verbrachte so eine Maximalzahl von 85 Kriegsflüchtlingen in Bremgarten. Sie weilten allerdings maximal 3 bis 7 Tage im Städtli, bevor sie an den Kanton weiterverwiesen und von dort aus an die Gemeinden verteilt wurden.
Frühzeitige Schliessung
Generell sind in den Schweizer Bundesasylzentren – wie Bremgarten eines war – nur Geflüchtete zur Erstunterbringung untergebracht. Wenngleich es im regulären Asylverfahren etwas länger dauert als bei den Spezialverfahren aus der Ukraine, bis sie an die Kantone weiterverwiesen werden (maximal 140 Tage). Im Gegensatz zu denjenigen der Kantone und der Gemeinden waren die Asylunterkünfte des Bundes in den letzten Wochen und Monaten nicht allzu stark ausgelastet (51 Prozent) – sodass frühzeitige oder temporäre Schliessungen, wie in Bremgarten nun, möglich werden. Neben dem Asylzentrum unter der Bärenmatt schliesst der Bund in diesen Tagen schweizweit acht weitere vorläufig. Das Bremgarter Asylzentrum bleibt indes bis zum Ablauf des Vertrages zwischen Bund und Stadt am 31. März theoretisch auf Abruf für den Bund verfügbar. Dass dieser die GSS unter der Bärenmatt nochmals in Betrieb nimmt, ist jedoch äusserst unwahrscheinlich.
Nun für den Kanton als Reserve
Freilich bedeutet dies nicht, dass die Zeit des Bremgarter Bunkersystems als Asylzentrum abgelaufen ist. Nach Ablauf des Vertrages mit dem Bund geht dieser wie geplant an den Kanton über. «Wir nutzen die Bremgarter GSS dann vorerst als Reserve», sagt Pia Maria Brugger Kalfidis, Leiterin des kantonalen Sozialdienstes. Die Betreibung von Asylzentren ist für die Verantwortlichen eine Gratwanderung. Ein stetes und kontinuierliches Abwägen und Beurteilen von Zahlen, Fakten und Prognosen. Der Kanton Aargau betreibt derzeit sieben Notunterkünfte. Bremgarten wäre die achte. Die Auslastung beträgt momentan 56 Prozent. Das tönt zwar nach nicht sonderlich viel, aber die Zahl ist mit Vorsicht zu geniessen. Denn: «Es ist stets eine beträchtliche Reserve nötig, weil sich die Zahlen rasch und unvorhergesehen ändern können», wie Brugger Kalfidis erklärt. Unterkünfte können dagegen nicht einfach spontan aus dem Boden gestampft und bezogen werden.
Dazu kommt: Der Kanton möchte es vermeiden, die Kapazitäten voll auszuschöpfen. «Die Unterbringung in diesen Notunterkünften unter der Erde ohne Sonnenlicht ist ohnehin – gerade für Kinder und Familien – nicht ideal. Weshalb wir sie, wenn immer möglich vermeiden», sagt Brugger Kalfidis. Und wenn doch nötig nicht über Gebühr strapazieren. Zudem gilt es stets weitere Faktoren wie Betreuung, Schulmöglichkeiten für Kinder und Sicherheit in die Gleichung miteinzubeziehen.
Der Kanton Aargau nimmt momentan wöchentlich Lagebeurteilungen vor. Voraussichtlich bis Ende Februar wird man entscheiden, ob man die GSS in Bremgarten mit Beginn des Mietvertrags Anfang April in Betrieb nimmt oder noch zuwartet und sie in Reserve behält. Die Tendenz geht momentan in Richtung Zuwarten.
Guter Deal für Bremgarten
Für Bremgarten ist die momentane Abmachung derweil eine gute. Denn die theoretische Flüchtlingskapazität der GSS unter der Bärenmatt wird dem Bezirkshauptort auf sein Pflichtkontingent mindestens bis im Juni angerechnet. Selbst wenn nur wenige oder gar keine Geflüchteten dort untergebracht sind. «Wir sind froh über den Vertrag, den wir jetzt mit dem Bund und später mit dem Kanton haben», sagt auch Stadtammann Raymond Tellenbach. «Denn wir wüssten sonst nicht mehr wohin mit den uns zugewiesenen Asylsuchenden.» Der Wohnungsmarkt für sie sei im Städtli ausgetrocknet – wie momentan in vielen Aargauer Gemeinden.
Dank dem Asylzentrum unter der Bärenmatt gehört Bremgarten aber weiterhin nicht zu jenen sechs Gemeinden, welche Ersatzabgaben für nicht aufgenommene Asylsuchende leisten müssen. Und das grosse Asylzentrum bietet dem Bezirkshauptort weitere Vorteile. Die Verantwortung liegt bei Bund resp. Kanton. Das bedeutet auch, dass für die Stadt kein Personalaufwand für die unter der Bärenmatt beheimateten Asylsuchenden entsteht.
Keinerlei Vorfälle
So bereitet die Notunterkunft unter dem Alterszentrum Bremgarten bis jetzt und wohl bis auf Weiteres keinerlei Umstände. Umso mehr, als aus der Zeit als Bundesasylunterkunft keinerlei negative Vorfälle zu verzeichnen sind. «Die Bedenken und Sorgen waren gross», sagt der Stadtammann. «Das habe ich im Sommer bei ganz vielen Leuten gespürt, mit denen ich gesprochen hatte.» Für ihn gelte es jeweils solche Stimmen ernst zu nehmen und zuzuhören. Umso froher sei man nun aber vonseiten der Stadt, dass sich die Schreckensgespenster allesamt nicht bewahrheitet haben. «Probleme mit den hier untergebrachten Menschen gab es meines Wissens überhaupt keine», sagt Tellenbach. Weder an der benachbarten Schule, noch im angrenzende Naherholungsgebiet der Promenade seien irgendwelche negativen Effekte für die Öffentlichkeit zu spüren gewesen.
Für ihn und Bremgarten bleibt zu hoffen, dass dies auch bei einem Betrieb als kantonale Notunterkunft so bleibt. Die Chancen dafür stehen indes gut. Das hat die Zeit Bremgartens als Heimat eines SEM-Asylzentrums gezeigt. Still und leise ist sie nun bereits wieder vorbei.
«Ich kann nichts Negatives berichten»
Alltag des Alterszentrums kaum tangiert
Auch das Alterszentrum Bärenmatt als unmittelbarer Nachbar zieht ein positives Fazit nach vier Monaten Bundesasylzentrum. «Wir haben die Asylsuchenden zwar von Zeit zu Zeit gesehen, aber im Alltag kaum wahrgenommen. Ich kann wirklich nichts Negatives berichten», sagt Geschäftsleiter Roger Cébe.
«Auch die wenigen Schnittstellen, die wir hatten, haben bestens funktioniert.» Das Alterszentrum hatte das Catering und die Wäscherei für das Asylzentrum übernommen.
Lediglich die Kommunikation mit dem SEM hätte sich Cébe noch etwas transparenter und frühzeitiger gewünscht, da man zweimal vor vollendete Tatsachen gesetzt worden sei. Zu Beginn, als es um die Inbetriebnahme ging – und als entgegen der ursprünglichen Absprachen gegen Weihnachten plötzlich doch Familien in der GSS untergebracht wurden.
Ein Problem sei das aber letztlich auch nicht gewesen. «Bloss wünscht man halt Kindern keinen solchen Bunker als Unterkunft», sagt Cébe.
Er, das Personal und die Bewohner des Alterszentrums blicken nun auch einem Weiterbetrieb als kantonale Unterkunft nahezu sorgenfrei entgegen. «Der Kontakt zum Kanton ist gut, wir fühlen uns ernst genommen und bringen unsererseits viel Wohlwollen mit», sagt Cébe. Zumal das Ende dieser speziellen Nachbarschaft ohnehin absehbar sei. Im Sommer 2026 beginnt der grosse Umbau des Bremgarter Alterszentrums. An eine Asylunterkunft ist spätestens dann aus seiner Sicht kaum mehr zu denken. --huy