Steuerhammer in Bremgarten
08.11.2024 BremgartenDer Stadtrat beantragt an der «Gmeind» einen Steuerfuss von 104 Prozent
Gleich um sieben Prozentpunkte will die Bremgarter Regierung den Steuerfuss aufs nächste Jahr anheben. «Die finanzielle Lage zwingt uns dazu», sagt der Stadtammann. ...
Der Stadtrat beantragt an der «Gmeind» einen Steuerfuss von 104 Prozent
Gleich um sieben Prozentpunkte will die Bremgarter Regierung den Steuerfuss aufs nächste Jahr anheben. «Die finanzielle Lage zwingt uns dazu», sagt der Stadtammann. Während die Einnahmen stagnieren und die gebundenen Ausgaben steigen, hat man grosse Investitionen vor der Brust. Bereits im kommenden Jahr.
Marco Huwyler
«Kreditbegehren» ist ein oft gelesenes Wort auf der Traktandenliste für die Einwohnergemeindeversammlung am 28. November. Schule, Sportanlage, Abwasser, Reussufer – überall muss Geld aufgenommen werden, um die anstehenden Arbeiten anpacken zu können. Gegen 15 Millionen sind es insgesamt, welche der Stadtrat über Fremdmittel finanzieren will und die die Stadtkasse in den nächsten Jahren belasten.
Vor diesem Hintergrund erscheint es logisch, dass man auch auf der Einnahmenseite etwas unternehmen muss. Zumal die traktandierten Kreditbegehren noch nicht die Treiber sind, welche das Budget 2024 über Gebühr belasten. Vielmehr sind es erneut steigende gebundene Ausgaben – diesmal von 1,37 Millionen Franken. «Zusammen mit dem Anstieg im Vorjahr sind es fast 3 Millionen, die uns im Vergleich mit 2022 mehr belasten. Ausgaben, gegen die wir nicht das Geringste tun können», sagt Mirjam Zedi, städtische Leiterin Finanzen und Controlling. Hinzu kommt, dass auch die Steuererträge von juristischen Personen (also Firmen und Organisationen) nicht mehr auf dem Niveau von 2022 sind, ohne dass sich dies schlüssig erklären liesse. Mutmasslich sind es kleinere Änderungen der kantonalen Steuerveranlagung, die in der Summe einen Millionenbetrag ausmachen. All diese Faktoren führen dazu, dass sich der städtische Haushalt im Ungleichgewicht befindet. Ein Ungleichgewicht, das auch die Steuererhöhung vom Vorjahr nicht wettmachen kann. Das zwingt den Stadtrat zur erneuten unpopulären Massnahme. Zumal es in den kommenden Jahren im gleichen Stil weitergeht und die Notwendigkeit für Investitionen in vielen Bereichen weiter drängt.
«Den letzten beissen die Hunde»
Schmerzhafte Steuererhöhung auf 104 Prozent geplant
Gleich um sieben Prozent sollen die Steuern nächstes Jahr in Bremgarten steigen. Obwohl man bereits auf dieses Jahr den Steuerfuss angehoben hat. Der Stadtrat bedauert diesen Schritt, hält ihn aber für unabdingbar. Denn das Budget weist auch mit Erhöhung noch ein Defizit auf – und die Ausgaben steigen weiter.
Marco Huwyler
Es ist wohl für sämtliche Beteiligten ein Déjà-vu. Bereits im Vorjahr kam man zu diesem Jahreszeitpunkt zusammen, um über das aus Sicht des Stadtrats Unabdingbare zu sprechen. Eine deutliche Steuererhöhung. «Es ist der einzige verantwortungsvolle Weg», sagt Stadtammann Raymond Tellenbach auch ein Jahr später.
Steuermindereinnahmen blieben
Rückblende: Im Vorjahr wurde ein Anstieg des Steuerfusses um sechs Prozent beantragt. Nach viel Hin und Her und intensiven Diskussionen, verschiedenen Meinungen und Abwägungen einigte man sich schliesslich in einer turbulenten, aber konstruktiven Gemeindeversammlung auf einen Kompromiss.
Um drei Prozent auf 97 wurden die Steuern auf dieses Jahr hin angehoben. Optimisten hofften, dass dies reichen würde – zumal es hätte sein können, dass der ominöse Steuerrückgang, der Bremgarten 2023 ein grobes Defizit beschert hatte, ein Jahr später ebenso unverhofft, wie er gekommen war, wieder ins Positive kippen würde. Doch diese Hoffnungen waren vergeblich. «Die Steuerkraft hat sich auf dem Niveau des Vorjahres konsolidiert», bestätigt Mirjam Zedi, Leiterin der städtischen Finanzabteilung.
Die Steuereinnahmen bei den natürlichen Personen stiegen zwar aufgrund der letztjährigen Steuererhöhung, ansonsten ist aber Stagnation auf dem Niveau von 2023 zu verzeichnen. Ganz anders auf der Ausgabenseite. Vor allem die gebundenen Ausgaben stiegen dieses Jahr stark an. Unter dem Strich wird wohl in der Rechnung 2024 wieder ein Minus in siebenstelliger Höhe resultieren. Und die finanzielle Belastung wird immer grösser – denn die gebundenen Ausgaben (Bspw. Sozialhilfe, Pflegefinanzierung, KESD-Kosten) steigen auch 2025 wieder um 1,14 Millionen Franken.
Unter dem Strich führt dies dazu, dass sich Stadtrat und Finanzabteilung dazu genötigt sehen, die Steuern um sieben Prozent zu erhöhen, um für 2025 ein einigermassen ausgeglichenes Budget zu präsentieren. Mit einem Steuerfuss von 104 Prozent weist dieses einen Aufwandüberschuss von rund 54 000 Franken aus. Wobei dieser durch eine Entnahme aus der Aufwertungsreserve um 689 000 Franken geschönt wurde.
Wünschbares zurückgestellt
Raymond Tellenbach ist sich bewusst, dass an der Steuererhöhung niemand Freude haben dürfte. Doch Bremgarten müsse der Realität ins Auge sehen. «Die Zitrone auf der Ausgabenseite ist langsam ausgepresst. Wir sehen kaum mehr Sparpotenzial, das wir verantworten können», sagt der Stadtammann. Zumal man keine Posten angreifen wolle, die vom Souverän so gewünscht und abgesegnet sind und zu Bremgartens Identität gehören, wie auch Stadtschreiber Beat Neuenschwander bekräftigt.
«Wir möchten nicht Märkte streichen, das Hallenbad infrage stellen oder die Bibliothek schliessen», sagt dieser. Ebenso wenig dürfe dort gespart werden, wo man schlicht etwas machen müsse. «Etwa die Infrastruktur oder Strassen verlottern lassen, ist natürlich keine Option.» Erschwerend hinzu kommt, dass in Bremgarten in den kommenden Jahren zahlreiche Projekte anstehen, die man angehen will und muss. «Schliesslich wollen wir eine zukunftsgerichtete Politik betreiben.»
An der Gemeindeversammlung am 28. November kommen deshalb fünf Kreditbegehren vors Volk (vgl. Artikel unten). «Für Projekte, bei denen wir uns Aufschiebungen nicht erlauben wollen, weil wir sie als dringlich erachten», wie Tellenbach sagt. Anderes, wie ein Voranschreiten der Casino-Pläne, habe man dagegen erneut zurückgestellt, auch wenn es wünschbar gewesen wäre, auch hier einen Schritt vorwärts zu machen. «Es ist also nicht so, dass wir einfach investieren wollen wie die Wahnsinnigen», sagt der Stadtammann.
«Den Steuerzahler jahrelang geschont»
Seit mittlerweile bald 18 Jahren ist Tellenbach Mitglied des Stadtrats. Die Entwicklung Bremgartens aus politischer Retrospektive kann er daher bestens beurteilen. «Es ist eigentlich so, dass wir in Bremgarten seit der Umfahrung nichts (Grosses) mehr gemacht haben. Entsprechend konnten wir die Schulden abbauen und die Menschen steuertechnisch schonen», sagt Tellenbach. «Nun ist es wieder so weit, dass es in die andere Richtung geht, wenn wir nicht fahrlässig sein wollen.» Neue Schulhäuser, die Bärenmatt-Turnhalle, Bahnhof, Obertorplatz, Casino, Strassen - überall herrscht Investitionsbedarf.
Hinzu kommt, dass auch die gebundenen Ausgaben weiter steigen dürften, wie auch die Anzahl an potenziellen Ausgabenposten. «Es besteht von Bund und Kanton die Tendenz, dass immer mehr Aufgaben nach unten delegiert werden», sagt Tellenbach. «Nach dem Motto: Den letzten beissen die Hunde – und das sind bedauerlicherweise die Gemeinden.»
Die Perspektiven sind daher für den Stadtrat klar – die Steuern steigen weiter. Das zeigt ein Blick auf die mittelfristige Finanzplanung. Bereits im nächsten Jahr soll der Steuerfuss nochmals angehoben werden – wieder merklich – auf 110 Prozent. Ab 2028 wird gar mit einem Steuerfuss von 115 Prozent gerechnet.