Standard ist nicht ihr Ding
08.08.2025 Mutschellen, Arbeit, GewerbeFortsetzung folgt
Sommerserie «Auf den Punkt»: Zu Besuch auf dem «Schlossguet»-Hof in Widen
Der «Schlossguet»-Hof gehört zu den ältesten Landwirtschaftsbetrieben in Widen. Datiert ist das Wohnhaus auf ...
Fortsetzung folgt
Sommerserie «Auf den Punkt»: Zu Besuch auf dem «Schlossguet»-Hof in Widen
Der «Schlossguet»-Hof gehört zu den ältesten Landwirtschaftsbetrieben in Widen. Datiert ist das Wohnhaus auf 1817. Auf dem früheren Gutshof des Schlosses Bellikon leben heute Tabita und Timon Fischer.
Sabrina Salm
«Wer bist denn du?», fragte Timon Fischer seine zukünftige Ehefrau Tabita, als sie ihm damals in den sozialen Medien eine Freundschaftsanfrage schickte. Sie erklärte ihm, dass sie beide früher einmal im selben Zeltlager waren und sie sich mit seiner Schwester angefreundet hatte. «Von da an schrieben wir uns täglich», erzählt die 26-Jährige, die im Kanton Bern aufwuchs. Eine Woche später kam es zum Treffen. «Und von da an wussten wir, dass wir füreinander gemacht sind.»
Der ausgebildete Landwirt und die gelernte Floristin fackelten nicht lange, heirateten und zogen nach Widen auf den «Schlossguet»-Hof, der seit Jahren im Familienbesitz der Fischers ist. Der 27-Jährige und Tabita teilen die Liebe zur Landwirtschaft und packen gerne gemeinsam neue Ideen und Projekte an. So haben sie das ehemalige Wäschehäuschen gegenüber ihrem Zuhause renoviert und einer neuen Bestimmung zugeführt. «Ich war für das Kreative zuständig und Timon hat es perfekt umgesetzt», erzählt sie strahlend. Der kleine, aber feine Selbstbedienungsladen beherbergt Dekoartikel, Geschenke und eine Kaffee-Ecke, die zum Verweilen einlädt. «Es soll ein Ort sein, an dem die Leute nicht nur Schönes finden, sondern wo sie sich auch eine kleine Auszeit vom Alltag in gemütlicher Atmosphäre gönnen können», erklärt Tabita Fischer ihre Vision ihres «Schöpfli».
Der «Schlossguet»-Hof an der Dorfstrasse 55 hat eine lange Vergangenheit. Tabita und Timon Fischer halten diese in Ehren und werden die Geschichte des ehemaligen Gutshofs des Schlosses Bellikon weiterschreiben. Denn das junge Ehepaar wird den Landwirtschaftsbetrieb im nächsten Jahr in dritter Generation übernehmen.
Sommerserie «Auf den Punkt»: Zu Besuch auf dem Schlossguet-Hof in Widen
In dritter Generation leben Tabita und Timon Fischer im Bauernhofhaus an der Dorfstrasse 55 in Widen. Er tritt in die Fussstapfen seines Grossvaters und Onkels und sie entzückt mit dem «Schöpfli» die Dorfbewohnerinnen und -bewohner.
Sabrina Salm
«Nie einen Bauer und nie einen Zürcher» – dieses Stigma manifestierte Tabita Fischer in ihrer Jugend. Bei ihrem Ehemann Timon kippte sie diese Vorsätze komplett über den Haufen. Er ist im zürcherischen Knonaueramt aufgewachsen und erfüllte sich mit der Ausbildung zum Landwirt seinen Berufswunsch. «Ich bin selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen und weiss, was es heisst, auf einem Landwirtschaftsbetrieb zu leben», erzählt die gebürtige Bernerin. «Es ist harte Arbeit und eigentlich wollte ich mir das ersparen», erklärt die 26-Jährige lächelnd weiter und fügt gleich hinzu: «Nun aber habe ich alles mehr schätzen gelernt. Ich weiss, hier bin ich richtig. Schliesslich teilen wir beide die Leidenschaft für die Landwirtschaft.»
Ein Betrieb von Schloss Bellikon
Seit fünf Jahren wohnen Tabita und Timon Fischer in Widen. Im Haus lebten seine Grosseltern, Ruedi und Anneliese Fischer, über 60 Jahre lang. «Mein Grossvater kam damals als Verwaltungsleiter hierher», erzählt der 27-jährige Fischer. «Damals gehörte der Hof noch zum Schloss Bellikon.» Deshalb auch der Name «Schlossguet». Datiert ist das Wohnhaus des Landwirtschaftsbetriebs auf 1817. Erste Renovation war im Jahr 1919.
Timon Fischer arbeitet Seite an Seite mit seinem Onkel Urs Fischer auf dem 60 Hektaren umfassenden Bio-Ackerbau-Betrieb, zu dem auch fünf Mutterkühe, 100 Hühner und das Minishetty Ravenna, bald noch Fohlen Niwa, Pferd Shira sowie Hund Korom gehören. Die gelernte Floristin hat sich drei Standbeine aufgestellt. Zum einen arbeitet sie als Aushilfe auf Pferdehöfen und in der Landwirtschaft mit Tieren.
Weiter erstellt Tabita Fischer handgeknüpfte Halfter, Leinen und Halsbänder für Pferde und Hunde und gibt Kurse für floristische Dekorationen. Ihr Herzstück ist allerdings das «Schöpfli».
Auszeit in einer Oase
Mit dem Umbau des ehemaligen Waschäuschens in einen Selbstbedienungsladen hat sie sich einen Traum erfüllt. Der Laden ist 24/7 geöffnet und man findet hier Dekorationsartikel, Geschenke, Bio-Eier und eine Kaffee-Ecke. «Es gibt hier nur Sachen, die nach meinem Geschmack sind und ich selbst in meinem Alltag verwende. Es widerspiegelt mich.» Das kleine Gebäude, das früher unter anderem mal ein Ziegenstall und Lagerraum war, habe sicher schon viel gesehen und erlebt. Nur allein schon seit Tabita Fischer es belebt. «Es steckt viel Liebe darin, schöne Erinnerungen und Geschichte», sagt sie. Wie zum Beispiel der Vorplatz: mit ihrem Vater zusammen hat sie ihn gepflastert. «Wir haben viel gelacht und uns über alles Mögliche unterhalten. Ich habe viel gelernt dabei und jetzt ist er einfach nicht mehr da.» Letzten Herbst ist er unerwartet verstorben. «Gerade darum hat dieser Vorplatz plötzlich eine ganz andere Bedeutung.» Gerade darum ist es ihr so wichtig geworden, Momente zu sammeln und sich einfach mal Zeit zu nehmen, um das Leben zu geniessen. «Und genau für das darf das Schöpfli auch für andere Leute da sein.» Sie sollen in eine gemütliche Oase kommen und für eine kurze Zeit vom Alltag abschalten können.
Hofübernahme im nächsten Jahr
Die Menschen nutzen das Angebot auch, was Tabita Fischer sehr freut. Und auch sonst fühlen sie und ihr Mann sich wohl in Widen und haben Wurzeln geschlagen. Was die Zukunft bringt, wissen sie noch nicht genau. «Ideen haben wir genug», sagen die beiden. «Wir müssen uns selbst manchmal bremsen.» Der Fokus liege aber vorerst ganz klar auf der Übernahme des Betriebs, die im nächsten Jahr ansteht. «Unser Hof hat Potenzial für die Zukunft. Das ist nicht selbstverständlich», sind sie sich bewusst. Und beide wissen auch, dass man insbesondere in der Landwirtschaft flexibel sein muss. «Die Politik, das Wetter, die Nachfrage – nicht ist beständig.» Eines ist beim innovativen Paar jedoch klar: Standard ist nicht ihr Ding. Man darf gespannt sein, welche Ideen sie zukünftig umsetzen werden.
Die Serie
In der Sommerserie «Auf den Punkt» werfen die Redaktoren dieser Zeitung einen Dartpfeil auf die Karte einer Gemeinde und begeben sich an den getroffenen Ort. Dort wird dann nach spannenden Geschichten gesucht. --red