«Sie hat uns ein wenig verzaubert»
22.08.2023 BremgartenEin neues Kapitel
Emilie Chabrol übernimmt das Dirigat der Stadtmusik
Nach einem langen Findungsprozess hat sich der Bremgarter Musikverein für eine junge neue Dirigentin entschieden. Sie soll eine Ära der Stadtmusik prägen. ...
Ein neues Kapitel
Emilie Chabrol übernimmt das Dirigat der Stadtmusik
Nach einem langen Findungsprozess hat sich der Bremgarter Musikverein für eine junge neue Dirigentin entschieden. Sie soll eine Ära der Stadtmusik prägen.
Marco Huwyler
Wer die Vereinsmitglieder vor rund einem Jahr über Emilie Chabrol sprechen hörte, der hat es eigentlich damals schon geahnt. Der Entscheid, der nun öffentlich gemacht wird, war ein Stück weit abzusehen. Emilie Chabrol heisst die neue fixe Dirigentin der Stadtmusik. Die junge Frauhatte das Blasmusikorchester bereits 2022 während rund dreier Monate auf das Jahreskonzert vom vergangenen November vorbereitet. Und dabei so viel Eindruck hinterlassen, dass die Verantwortlichen aus dem Schwärmen nicht mehr herauskamen.
Dennoch wollte man dem aufgegleisten Findungsprozess damals nicht vorgreifen. Nach Chabrol erhielt auch der zweite verbliebene Kandidat Marco Müller die Gelegenheit, sich im Rahmen eines Projektdirigates für die fixe musikalische Leitung des Traditionsvereins zu empfehlen.
Unter anderem dirigierte er die Stadtmusik vor zwei Monaten durch die Auftritte am Leuefäscht. «Marco hat das ausgezeichnet gemacht», sagt Musikkommissionspräsidentin Margrit Stutz. «Dennoch haben wir uns am Ende für Emilie entschieden. Denn die mit ihr gemachten Erfahrungen waren so hervorragend, dass sie fast nicht zu toppen war.»
Erstmals eine Frau
Mit Emilie Chabrol dirigiert nun erstmals eine Frau die Stadtmusik. Sie folgt auf Niki Wüthrich, der seine Dirigententätigkeit in Bremgarten vergangenen Sommer nach 12 Jahren beendet hatte. Geht es nach den Vereinsmitgliedern, soll die Ära der neuen Dirigentin ähnlich lange dauern. «Wir planen langfristig mit ihr und freuen uns sehr auf den frischen Wind, den sie in unseren Verein bringt», sagt Stutz.
Das Engagement von Chabrol ist zudem nicht die einzige Neuerung bei der Stadtmusik. Der Verein steht vor einer Neustrukturierung. In deren Rahmen wird auch Stutz ihr Amt in der MuKo-Leitung abgeben.
Stadtmusik Bremgarten: Margrit Stutz, Präsidentin der Musikkommission, im Gespräch
Die Stadtmusik Bremgarten hat ein besonderes Jahr hinter sich. Ohne fixe musikalische Leitung hat man einige spannende Projekte über die Bühne gebracht. Nun gibt es Neuigkeiten. Die Vereinsmitglieder haben sich mit Emilie Chabrol für eine neue Dirigentin entschieden.
Marco Huwyler
Margrit Stutz, ein gemeinsames Projekt mit dem Oratorienchor Winterthur, zwei grosse Auftritte am Leuefäscht und das Jahreskonzert, alles mit drei verschiedenen Projektdirigaten. Als Stadtmusik-Mitglied erlebte man abwechslungsreiche Monate.
Margrit Stutz: Das kann man so sagen (lacht). Eine intensive, aber sehr schöne Zeit. So viele verschiedene Dinge und Gegebenheiten sind für Musiker eine Herausforderung. Aber auch ein unglaubliches Privileg.
Wie erlebte die Stadtmusik das Leuefäscht? Neben den Auftritten waren die Mitglieder ja auch Teil der Festinsel «Dolce Vita» im Kirchenbezirk.
Es ist uns als sehr schöne, bereichernde Erfahrung in Erinnerung geblieben. Das Konzert am Donnerstag in der Stadtkirche war überwältigend. Wohl auch weil es kurzzeitig regnete, war die Kirche plötzlich rappelvoll (lacht). Am Schluss gab es Standing Ovations. Sicher eines meiner Jahreshighlights.
Am Sonntag dann der Auftritt draussen. Unter anderem gemeinsam mit Simon Miles. Einem House-DJ. Wie passt das zu Blasmusik?
Erstaunlich gut (lacht). Ich wollte das unbedingt einmal ausprobieren. Ich kenne Jan (Becker – Simon Miles ist sein Künstlername, Anm. d. Red.) schon lange von gemeinsamen Zeiten beim Zirkus Arabas. Auch er war sehr gerne für so was zu haben. Solche Crossover-Projekte sind spannend und haben ihren ganz eigenen Reiz. Ich finde es schön, dass wir so flexible Musiker im Verein haben, die so etwas aufgeschlossen gegenüberstehen. Und das Resultat hat vielen gefallen.
Beide Leuefäscht-Projekte standen unter der musikalischen Leitung von Dirigent Marco Müller. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Sehr angenehm und positiv. Mit seiner Erfahrung und seinem Organisationstalent war er wohl die Idealbesetzung für diese herausfordernde Aufgabe in einer ausgesprochen hektischen Zeit. Neben denjenigen am Leuefäscht leitete Marco auch noch zwei weitere Auftritte mit anderem Programm. Er hat das tadellos gemacht.
Dennoch hatte er schlussendlich das Nachsehen. Denn neben Emilie Chabrol, die das Jahreskonzert geleitet hatte, war Müller einer der beiden verbleibenden Kandidaten für das fixe Dirigat bei der Stadtmusik und die Nachfolge von Niki Wüthrich gewesen. Nun fiel die Wahl auf Chabrol.
Ja, ich freue mich ausserordentlich, dass wir dies heute bekannt geben dürfen. Emilie wird ab Ende August bei uns übernehmen. Aber was Ihre Frage anbelangt: Wir hatten die Qual der Wahl zwischen zwei wirklich sehr guten Dirigenten und angenehmen Menschen. Der Entscheid war keiner gegen Marco, sondern einer für Emilie.
Was hat denn letztlich den Ausschlag gegeben?
Sagen wir es so: Nach den Erfahrungen mit Emilie beim Jahreskonzert wäre es wohl für jeden anderen Kandidaten der Welt schwer geworden (lacht). Ihr musikalisches Einfühlungsvermögen. Das Talent, Musik in bildhafter Sprache auszudrücken. Die unaufdringliche Präsenz, die sie ausstrahlt. Die Liebe zum Detail. Die Gelassenheit unter Stress. Ihre Fähigkeit, gut zuzuhören, zu argumentieren, zu erklären. Und das alles mit einem französischen Charme, mit dem sie viele von uns ein wenig verzaubert hat.
Mit Chabrol übernimmt auch erstmals eine Frau das Dirigat bei der Stadtmusik.
Genau. Und das freut mich persönlich ganz besonders. Ich möchte allerdings betonen, dass das Geschlecht kein Kriterium im Evaluationsprozess war. Dennoch ist es ein schöner Nebeneffekt. Genauso übrigens wie die Tatsache, dass wir nach den beiden gelernten Posaunisten Niki Wüthrich und Herbert Wendel nun mit Saxofonistin Emilie Chabrol, auch was das Instrument angeht, frischen Wind haben (Marco Müller wäre ebenfalls Posaunist gewesen, Anm. d. Red.).
Apropos frischer Wind … Viele Orchester, Chöre und Vereine kämpfen mit Nachwuchsproblemen. Wie sieht das gegenwärtig bei der Stadtmusik aus?
Wir durften in den letzten Monaten zwei neue junge Musiker bei uns aufnehmen. Darüber freue ich mich sehr. Abgesehen davon sind aber fähige neue Mitglieder auch bei uns immer sehr gern gesehen. Insbesondere was tiefes Blech und Perkussion anbelangt, herrscht bei der Stadtmusik schon länger Personalknappheit.
Sie selbst sind nun 67-jährig. Wie lange wollen Sie noch Präsidentin der Musikkommission der Stadtmusik Bremgarten bleiben?
Das diesjährige Jahreskonzert wird mein letztes Konzert in der Leitung der Musikkommission sein. Der Wechsel dort fällt zusammen mit einer Reorganisation des Vereins und passt so prima. Als Musikerin und Vereinsmitglied möchte ich aber, so lange es geht, mit viel Enthusiasmus dabeibleiben bei der Stadtmusik. Ich freue mich auch schon riesig auf die nächsten Monate und die dauerhafte Zusammenarbeit mit Emilie.
Die neue Dirigentin
Wer ist Emilie Chabrol?
Emilie Chabrol wurde in Savoyen (F) geboren, wo sie Saxofon lernte. Sie studierte an den Konservatorien von Versailles und Amsterdam bis zum Bachelorabschluss und belegte anschliessend in Basel Saxofonpädagogik, studierte gleichzeitig Blasorchester und schloss 2019 ihren Master in der Klasse von Felix Hauswirth ab.
Im Jahr 2020 vervollständigte sie ihre Ausbildung mit einer einjährigen Ausbildung als Dirigentin von Symphonieorchestern in Zürich (ZHdK). Sie setzt ihre Ausbildung durch Meisterkurse fort, u.a. mit dem Dirigenten und Pädagogen Johannes Schlaef li. Emilie wurde zweimal zum Schweizerischer Dirigentenwettbewerb für junge Dirigenten eingeladen und gewann im September 2022 den ersten Preis.
Emilie Chabrol ist Saxofonlehrerin, dirigiert die Musikgesellschaft Rietheim und die Union Instrumentale de Delémont. Seit 2021 arbeitet sie in Partnerschaft mit der Hochschule für Musik Basel als Opernproduktionsleiterin für die Gesangsklassen und leitete bereits 2022 als Projektdirigentin die Stadtmusik Bremgarten.