Schwarze Kunst und weisse Wäsche
22.05.2024 BremgartenMerkwürdige Gegenstände
Stadtmuseum zeigt vermeintlich Kurioses
Das Stadtmuseum Bremgarten eröffnete eine spannende Ausstellung zum Thema «Gegenstände und ihre Geschichten». Diese geben Einblick in den Alltag von ...
Merkwürdige Gegenstände
Stadtmuseum zeigt vermeintlich Kurioses
Das Stadtmuseum Bremgarten eröffnete eine spannende Ausstellung zum Thema «Gegenstände und ihre Geschichten». Diese geben Einblick in den Alltag von früher.
25 Gegenstände hat ein Konzeptteam des Stadtmuseums Bremgarten aus seinem Depot geholt und ist dessen Geschichten nachgegangen. Die Ergebnisse werden jetzt in der Ausstellung «Gegenstände und ihre Geschichten» präsentiert. So sieht man etwa ein Sprachrohr und eine Glocke. Mit diesen wurden einst wichtige Nachrichten im Reussstädtchen ausgerufen.
Bei der Eröffnung stellten Mitglieder des Konzeptteams ihre Lieblingsgegenstände vor. So wollte es der Zufall, dass Heinz Koch die Glocke und das Sprachrohr zeigte, das einst sein Grossvater nutzte. Dieser ist jetzt auf dem Foto zu den beiden Gegenständen zu sehen.
Zeichen von Reichtum und Macht
Ein anderer Gegenstand, der im Stadtmuseum ausgestellt ist, ist ein «Leuchterweibchen». Dieses hing lange über dem grossen Tisch im Stadtratssaal. Stammt die Frauenbüste aus dem 16. Jahrhundert, wurde ihr später ein Hirschgeweih hinzugefügt. Dieses symbolisierte Reichtum und Macht, da die Jagd nach Hirschen ausschliesslich höheren Ständen erlaubt war.
Die neue Ausstellung im Stadtmuseum gibt eindrücklich Einblick in die Lebens- und Denkweise lang vergangener Jahre und Jahrhunderte. Sie ist samstags und sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet. --red
Stadtmuseum: Ausstellung «merkwürdig» holt Verborgenes ans Licht
Weshalb sollten Schriftsetzer früher täglich einen Liter Milch trinken? Wozu dienten Ski ursprünglich? Warum ist das Leuchterweibchen mit einem Hirschgeweih ausgestattet? Antworten auf diese Fragen findet man in der Ausstellung «merkwürdig» im Stadtmuseum.
Erika Obrist
Viele Gegenstände haben sich im Depot des Stadtmuseums angesammelt, seit der Verein vor dreissig Jahren aus der Taufe gehoben wurde. Gegenstände, die im Alltag von Familien und Berufsleuten oder in der Gemeinschaft eine wichtige Rolle spielten. Merkwürdige, sonderbare Gegenstände zum Teil, deren Handhabe heute nur noch wenigen Leuten vertraut ist. In der Vergangenheit fand man diese jedoch in vielen Häusern und Werkstätten.
Das Konzeptteam des Vereins Stadtmuseum Bremgarten hat 25 dieser Gegenstände aus dem Depot geholt und zu einer Ausstellung zusammengestellt. «Diese Gegenstände sind würdig, dass man auf sie aufmerksam wird», sagte Präsident Fridolin Kurmann am letzten Freitag bei der Vernissage. Jeder Gegenstand habe eine Geschichte. Dieser Geschichte haben die Mitglieder des Konzeptteams nachgespürt und sie in kurzen Texten zu den ausgestellten Gegenständen festgehalten. Bei einigen Objekten ist zusätzlich auch längerer Text vorhanden.
Interesse wecken
Merkwürdiges habe wohl jeder Mensch schon in seinem Alltag erlebt und erfahren, so Stadträtin Claudia Bamert zur Eröffnung der Ausstellung. Und jeder habe wohl daheim einen Gegenstand, der mit zahlreichen Erinnerungen verbunden sei. Sie nenne beispielsweise eine alte Schüssel ihrer Grossmutter ihr Eigen. «Damit sind auch Gefühle verbunden.» Auch in der Ausstellung hätten alle Gegenstände eine Vergangenheit. «Sie lassen uns einen Blick in frühere Zeiten werfen», fuhr Claudia Bamert fort. Sie weckten das Interesse der Besucherinnen und Besucher – nicht nur für das ausgestellte Objekt, sondern auch für das Leben der Menschen in der damaligen Zeit.
Musikalisch umrahmt wurde der Auftakt von Elisabeth Sulser mit Dudelsackklängen und solchen aus dem Gemshorn. Letzteres hat sie sich extra anfertigen lassen.
Auf dem anschliessenden Rundgang durchs Stadtmuseum erklärte jedes Mitglied der Konzeptgruppe bei seinem Lieblingsausstellungsstück kurz etwas über die Bedeutung und die Anwendung des Gegenstands. So erfuhr man von Heinz Koch, wozu das Sprachrohr einst diente. Der Zufall wollte es, dass der Ausrufer mit Sprachrohr auf dem Bild an der Wand sein Grossvater war. Dieser war nicht nur Ausrufer der Stadt, sondern er nahm auch die gesammelten Maikäfer in den Flugjahren entgegen und erledigte allerlei Arbeiten für die Stadt.
Der Bleivergiftung vorbeugen
Peter Spalinger gab einen Einblick in die Schwarze Kunst. Also ins Handwerk des Schriftsetzers. Dies anhand einer Setzmaschine, die bis 1982 in der Druckerei von Hans Weissenbach stand. Die Schriftsetzer hantierten mit Buchstaben aus Blei, wovon ihre Hände schwarz wurden. Zudem ist Blei giftig, weswegen nicht wenige Schriftsetzer früh starben. Zur Vorbeugung wurde ihnen auferlegt, jeden Tag einen Liter Milch zu trinken, wie ein Teilnehmer der Vernissage wusste.
Eine merkwürdige Figur hing lange Zeit über dem grossen Tisch im Stadtratssaal: ein Leuchterweibchen. Die Frauenbüste aus dem frühen 16. Jahrhundert wurde später mit einem Hirschgeweih ausgestattet. «Ein solches Geweih repräsentierte Reichtum und Macht», wusste Fridolin Kurmann zu erzählen. Denn das Jagen war früher nur den höheren Ständen vorbehalten. Auf dem Geweih aufgebracht war auch ein Kerzenhalter. Wem das Leuchterweibchen einst gehörte, konnten die Mitglieder des Konzeptteams nicht herausfinden.
Bock und Hafen
Den meisten Besucherinnen und Besuchern noch in bester Erinnerung sind wohl die ersten Ski und Schlittschuhe. Die Ski dienten ursprünglich nicht zum eleganten Hinunterschwingen auf Schneehängen. «Vielmehr nutzte man sie zum Jagen», zeigte Giovanni Beat Ming auf. Damit man nicht im Schnee einsank auf der Pirsch. Mit Schlittschuhen, die an den Schuhen festgeschraubt wurden, sind sicherlich viele Bremgarterinnen und Bremgarter auf der gefrorenen Reuss herumgekurvt Ende der 1920er-Jahre. Wie einst Schindeln aus Lärchenholz auf dem Schindelbock geschnitten wurden, führte Charles Russenberger aus. In fast allen bäuerlichen Betrieben fand sich diese meist selbst gebaute Werkbank, die für verschiedene Arbeiten zum Einsatz kam.
Während die Männer am Schindelbock werkelten, standen die Frauen stundenlang in der Waschküche. Berge von Wäsche galt es in den grossen Familien vom Schmutz zu befreien, wie Theres Honegger zu erzählen wusste. Erst im «Wöschhüsli» im Dorf, später mithilfe des eigenen Waschhafens im Haus. In diesem wurde die Wäsche meist gekocht. Dann wurde sie im grossen Trog gespült und mit viel Muskelkraft ausgewrungen. Wer das noch mitgemacht hat, der weiss, welch ein Segen eine Waschmaschine ist.
Immer samstags und sonntags offen
Die anderen Gegenstände, die hier keine Erwähnung erhalten, sind es ebenfalls wert, bestaunt zu werden. Wer erinnert sich noch an die Zeit, als alle vier Sekunden ein Auto oder Lastwagen durch die Marktgasse fuhr? Wie wurde Holz vermessen? Wer hat sich neben dem «Globi»-Erfinder noch im Gästebuch des ehemaligen Gasthofs Krone verewigt? Jedermann kann dem selbst nachspüren: Die Ausstellung «merkwürdig – Gegenstände und ihre Geschichten» im Stadtmuseum ist immer samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Ein Besuch lohnt sich wahrlich.