Schlaflos in Krakau
04.07.2023 Sport, KampfsportKickboxen, Europaspiele: Danylo Mancari holt sich die Medaille, Roy Cipriano enttäuscht
Monatelang haben sich die beiden Freiämter Kickboxer auf die Europaspiele in Polen vorbereitet. Als der «TagX» dann da war, lieferte Danylo Mancari ab und holte ...
Kickboxen, Europaspiele: Danylo Mancari holt sich die Medaille, Roy Cipriano enttäuscht
Monatelang haben sich die beiden Freiämter Kickboxer auf die Europaspiele in Polen vorbereitet. Als der «TagX» dann da war, lieferte Danylo Mancari ab und holte sich die Medaille. Bei Roy Cipriano lief gar nichts.
Stefan Sprenger
Er hat miserabel geschlafen. Roy Cipriano, riesiges Kickboxtalent aus Wohlen, hat so viel investiert, um an den Europaspielen bereit zu sein. Der bisher wichtigste Kampf seines Lebens verläuft aber dann alles andere als wie geplant. «Es ist das passiert, womit niemand gerechnet hat. Nichts hat funktioniert. Nichts. Es lief schlecht. Es lief alles schief, was hätte schief laufen können», sagt der 20-Jährige. Sein Vater Rocco Cipriano, Kampfsportlegende und Coach, sagt: «Er war wie verwandelt. Bis zum Wettkampftag hat er top trainiert, alles richtig gemacht. Dann konnte er sich nicht richtig entfalten, alles war weg, seine Energie, seine Dynamik, seine Wucht.»
Die Quelle des Problems finden
In der Kategorie Pointfighting (bis 63 kg) verliert Cipriano gegen den Italiener Gabriele Lanzilao eindeutig mit 3:13. Klar, das Niveau war hoch. Denn an den Europaspielen sind nur die besten acht von Europa in den jeweiligen Kategorien dabei. Aber das spielt keine Rolle, denn Roy Cipriano hat denselben Gegner auch schon geschlagen. Aber eben: Da konnte er sein ganzes Potenzial ausschöpfen. Am vergangenen Freitag war aber alles anders.
Roy Cipriano hatte am selben Tag noch eine zweite Chance. Denn er war als einer der wenigen Athleten noch für eine zweite Kategorie nominiert. Im Light Contact (bis 63 kg) trat er gegen den Spanier mit dem klingenden Namen Ruben Iglesias Fernandez an. Vor dem Kampf versuchte er Energie zu tanken und ein wenig Schlaf nachzuholen. Es läuft ein wenig besser. Doch auch hier verliert der Wohler mit 1:2. «Wir müssen das jetzt analysieren und die Quelle dieses Problems finden, damit wir eine Lösung erarbeiten können», meint Vater Rocco etwas ratlos. Roy Cipriano meint: «Ich konnte mein Potenzial nicht abrufen. Es war einfach nicht mein Tag.»
«Riesiger Support»
Die Freiämter Kickbox-Delegation erlebte an diesen Europaspielen einen riesigen Support aus der Heimat. Bei den Kämpfen sass der ganze Verein gespannt vor dem Bildschirm. «Wir haben viele Nachrichten erhalten, der Support war einfach riesig», sagt Kämpfer Danylo Mancari.
Kickboxing Wohlen ist mit vier Leuten angereist. Rocco Cipriano und Andi Faggiano als Trainer und Betreuer, dazu Roy Cipriano und Danylo Mancari als Kämpfer. Und jener Mancari liefert ab. Er war am «TagX» bereit. Und das, obwohl er sich wenige Wochen vor diesem wichtigen Einsatz an den Europaspielen noch verletzt hatte. «Er hat alles gegeben, totalen Einsatz», sagt Rocco Cipriano. Der Lenzburger Mancari bezwingt den Österreicher Marco Masser mit 17:14 (Pointfighting bis 74 kg). «Trotz Rückstand konnte ich mental eine Schippe drauflegen und kam zurück. Trotz Verletzung habe ich gewonnen. Auf all das bin ich stolz», so Mancari.
Im zweiten Kampf (Halbfinal) gegen den Irländer Nathan Tait startet er sackstark und geht in Führung. Doch dann läuft vieles gegen den Freiämter Kampfsportler und er verliert 6:13. Weil im Kickboxen das Duell um den 3./4. Rang jeweils nicht ausgekämpft wird, hat Mancari die Medaille aber schon auf sicher. «Bronze. Ich bin superzufrieden. Einzigartig. Und das an diesem Anlass», so der 28-jährige Mancari, der die Europaspiele als «Once in a lifetime»-Erfahrung bezeichnet. Rocco Cipriano meint: «Seit er sechs Jahre alt ist, gibt Danylo Mancari Vollgas für den Sport. Ich mag ihm diese Medaille enorm gönnen.»
Die Schlusszeremonie an den Europaspielen in Krakau konnte Mancari so richtig geniessen. «Tausende Menschen, die einem zujubeln. Wahnsinn, das bedeutet mir sehr viel und ich werde die Erinnerungen an diesen Wettkampf mein Leben lang mittragen», meint er. Auch Rocco Cipriano zieht ein positives Fazit: «Es war einer der besten Grossanlässe, die ich je erlebt habe. Nur die besten acht Kämpfer pro Disziplin waren dabei, die Organisation war einwandfrei.»
«Das zeigt, dass wir vieles richtig machen»
Die Kickboxer sind am Montag zurück nach Hause in die Schweiz geflogen. Danylo Mancari glücklich mit der Medaille im Gepäck, Roy Cipriano mit vielen Fragen. Er sagt: «Ich muss es akzeptieren, verdauen und weiterarbeiten.» Er wird jetzt in die Ferien gehen und den Kopf lüften. Im November steht die nächste grosse Kiste an: die Weltmeisterschaft. Da wird er versuchen, am «TagX» bereit zu sein – und in der Vornacht auch richtig gut zu schlafen.
Das positive Schlusswort gehört «Chef» Rocco Cipriano. Der frühere Kickboxweltmeister und Sportchef von WAKO Schweiz sagt: «Das Kickboxen war erstmals an einem olympischen Anlass dabei. Das ist toll. Kickboxing Wohlen war mit zwei Trainern und zwei Athleten dabei. Das zeigt, dass wir vieles richtig machen.»
Kickboxen könnte bald olympisch werden
Und auch wenn sein Sohn einen schwachen Tag einzog, so weiss er: «Die grossen Erfolge werden kommen.» Einen Erfolg hat er noch zu vermelden, was die gesamte Sportart zum Jubeln bringt: Denn es sieht gut aus, dass das Kickboxen 2028 erstmals an den Olympischen Spielen in Los Angeles dabei sein kann. Der definitive Entscheid dazu fällt im September.