Sackgeldjobs gesucht
31.01.2023 BremgartenBremgarter Jugendarbeit engagiert sich
2015 begann die Umsetzung des Konzeptes der Offenen Jugendarbeit in der Stadt Bremgarten. Das Angebot und der Jugendtreff haben sich im Städtli seither etabliert. Für viele Jugendliche ist er zu einem wichtigen Rückzugsort ...
Bremgarter Jugendarbeit engagiert sich
2015 begann die Umsetzung des Konzeptes der Offenen Jugendarbeit in der Stadt Bremgarten. Das Angebot und der Jugendtreff haben sich im Städtli seither etabliert. Für viele Jugendliche ist er zu einem wichtigen Rückzugsort geworden. Nun möchten die Verantwortlichen das Angebot auch bei der erwachsenen Bevölkerung wieder stärker in Erinnerung rufen. Denn bei der Vergabe der bei den Jugendlichen sehr beliebten Sackgeldjobs harzt es derzeit. Die Jugendarbeit bekommt kaum Aufträge. Dabei würden die Jöbbli für die Bremgarter Heranwachsenden vielfach eine wichtige Erfahrung vor dem Sprung in die Berufswelt darstellen. --huy
«Win-win für alle»
Die Jugendarbeit Bremgarten sieht sich auf dem richtigen Weg und sucht Jobanbieter für ihre Kinder und Jugendliche
Der Bremgarter Jugendtreff hat sich als Anlaufstelle und Zerstreuungsmöglichkeit für Kinder und Jugendliche im Städtli etabliert. Nun möchte er seine Angebote noch bekannter machen – gerade bei Erwachsenen.
Marco Huwyler
Mittwochnachmittag, Gebäude des Reussbrückesaals, direkt neben dem Casinoparkplatz. Es ist kurz vor 14 Uhr. «Bald werden die Ersten eintrudeln», sagt Marino Galli. «Am Mittwoch sind es vor allem Jüngere, da viele der Älteren dann nicht frei haben.»
Paradies für Heranwachsende
Der Jugendarbeiter kennt seinen Treff gut. Nur wenige Zeigerumdrehungen später öffnen zwei Mädchen die Tür. Als sie erfahren, dass die Zeitung zu Gast ist, kichern sie kurz. Dann widmen sie sich dem, weswegen sie gekommen sind, und verziehen sich in den Aufenthaltsraum. Wenig später folgen ihnen weitere. Jungen und Mädchen am Beginn ihrer Pubertät. Sie sind hier, um sich zu zerstreuen und eine gute Zeit unter Gleichgesinnten zu verbringen.
Für die jungen Bremgarterinnen und Bremgarter ist im Jugendtreff eigentlich alles da, was das Teenie-Herz begehrt. Hier können sie nach Lust und Laune gamen, Pingpong spielen, Dartpfeile werfen, flippern, töggelen und vieles mehr. Oder auch einfach nur chillen auf einem der weichen ausladenden Sofas und dabei Musik hören, quatschen, diskutieren und lachen.
Toleranz, Spass und Inklusion
Zweimal pro Woche hat der Jugendtreff geöffnet. Das Angebot des Vereins für Jugend und Freizeit, kurz vjf, das von der Stadt mitfinanziert wird, hat sich in Bremgarten bewährt. «Wir haben viele Cliquen, die meistens kommen, wenn wir geöffnet haben», erzählt Galli. Am Mittwochnachmittag seien im Schnitt zwanzig Jugendliche da und am Freitagabend mit vierzig rund doppelt so viele.
Das Angebot richtet sich an 12- bis 18-Jährige. Doch so genau nimmt man das nicht. «Wir wollen für alle offen sein und nicht jemanden nach seinem 18. Geburtstag ausschliessen», sagt Galli. «Wichtig ist einfach, dass sich alle wohlfühlen und sich an die Spielregeln halten.» Respekt wird dabei grossgeschrieben. Sowohl untereinander, gegenüber der Leitung und auch der Einrichtung. Das klappt in Bremgarten ziemlich gut. «Natürlich kommt es auch bei uns manchmal zu Konflikten – die zuweilen bereits von der Schule hierher mitgenommen werden. Doch nicht selten können wir hier vermittelnd eingreifen und sogar bereits länger schwelende Konf likte lösen», sagt Galli.
Gerade solche Dinge machen für ihn den Wert der Jugendarbeit und ihres Treffs aus. «Einerseits möchten wir ein Freiraum für die Jugendlichen sein, von denen es heutzutage meiner Meinung nach viel zu wenige gibt. Andererseits aber auch als Hilfs- und Anlaufstelle fungieren.» So bietet man beispielsweise auch bei praktischen Dingen Unterstützung an – wie etwa beim Bewerbungschreiben.
Gamen mit der St. Josef-Stiftung
Der Jugendtreff gilt als Ort der ungezwungenen Begegnung verschiedener Altersstufen. Toleranz und Inklusion werden hier grossgeschrieben. «Um diese Werte zu transportieren, haben wir kürzlich auch einen Fifa-Abend gemeinsam mit der St. Josef-Stiftung organisiert», erzählt der Jugendarbeiter. Die körperlich und geistig beeinträchtigten Klienten duellierten sich mit den Jugendlichen im virtuellen Fussballspiel.
«Der Anlass war ein voller Erfolg. Die Anwesenden haben zusammen gelacht und eine gute Zeit verbracht. Die Augen der Klienten haben gestrahlt. Und von unseren Jugendlichen gab es keine dummen Sprüche, sondern viel Einfühlungsvermögen und Respekt – ich war richtig stolz auf sie.»
Leider zu wenig Aufträge
Der Fifa-Abend war nur eine von vielen zusätzlichen Aktivitäten und Angeboten, die die Bremgarter Jugendarbeit neben dem normalen Jugendtreff für die hiesige Jugend organisieren. Eines davon, das seit der Eröffnung des Jugendtreffs vor acht Jahren besteht, ist die «Sackgeldbörse». Verantwortlich dafür ist bei der Bremgarter Jugendarbeit Jasmin Scheuber, die hier seit dem Sommer ein Praktikum absolviert, bevor sie das Studium zur Sozialpädagogin angeht.
Jugendliche sollen bei ihrer Sackgeldbörse, die sie über einen Whatsapp-Chat moderiert, verschiedene Aufträge aus der Bevölkerung gegen ein kleines Sackgeld annehmen können. «Wir empfehlen ein Franken pro Altersjahr des entsprechenden Jugendlichen als Ansatz pro Stunde. Im Prinzip steht es aber jedem Sackgeldarbeitgeber frei, ob er mehr oder weniger Entlöhnung anbieten möchte», sagt Scheuber. Vom Rasenmähen, Laubrechen, Babysitten, Einkaufen für jemanden bis hin zu Zügelhilfe, Entsorgungen usw. ist jedes mögliche Angebot denkbar und hochwillkommen, wie Scheuber betont.
Ziel wäre es, dass die Jugendlichen so erste Arbeitserfahrungen machen können, lernen, mit Erwartungen und Verbindlichkeit umzugehen, und damit wichtige Kenntnisse für ihren weiteren Berufsweg erlangen. Scheuber hat festgestellt, dass bei der Bremgarter Sackgeldbörse derzeit leider ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage besteht. Das Angebot sei sehr beliebt bei den Jugendlichen, sagt sie. «Unsere Kids wollen gerne auf diesem Weg etwas dazuverdienen.» Doch leider scheine die Börse bei den erwachsenen Bremgarterinnen und Bremgartern ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein.
Wichtiger Vorgeschmack auf die Arbeitswelt
Nur wenige melden sich bei Scheuber, weil sie ein Jöbbli zu vergeben haben. «Ich denke, viele wissen schlicht nicht, dass es uns gibt – oder aber es besteht eine Hemmschwelle, die viele bisher nicht überwinden mochten.» Scheuber möchte daher die Gelegenheit nutzen, solche Bedenken zu zerstreuen. «Die Sackgeldbörse ist topseriös. Die Jugendlichen haben dafür alle das elterliche Einverständnis und sind hochmotiviert.» Zudem würden sie im Jugendtreff auf ihre Aufgabe vorbereitet. Babysitting-Interessierte haben beispielsweise kürzlich einen entsprechenden Kurs besucht. Die Jugendarbeit begleitet die Jugendlichen zudem im Vorfeld und sucht nach Erledigung des Jöbbli den Kontakt mit den Auftraggebern, um sicherzustellen, dass alles reibungslos geklappt hat. «Schlussendlich ist es ein Win-win-Angebot für alle Beteiligten. Die Erwachsenen erhalten Hilfe und die Jugendlichen einen finanziellen Zustupf und einen Vorgeschmack auf die Arbeitswelt. Es wäre daher wirklich schön, wenn dieses Konzept in Bremgarten noch besser funktionieren würde», sagt Scheuber.
So oder so sind sie und Galli sich einig, dass der Jugendtreff sich in den acht Jahren seit seiner Eröffnung 2015 bestens in Bremgarten etabliert hat und eine wichtige soziale Bedeutung für viele Heranwachsende im Städtli erlangen konnte. Das fröhliche Gelächter aus dem Nebenraum, wo sich mittlerweile eine bunte Schar von Jugendlichen versammelt hat, um gemeinsam einen friedlichen Nachmittag der Zerstreuung zu verbringen, gibt ihnen recht. Auch wenn der eine oder andere von ihnen zu dieser Zeit vielleicht noch lieber irgendwo im Städtli etwas Sackgeld verdienen würde.